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Tarifflucht mit öffentlichem Auftrag
Weniger als die Hälfte der Betriebe, die für den Bund hoheitliche Aufgaben übernehmen, ist tarifgebunden
Seit über 90 Tagen streiken die Beschäftigten des Bundesanzeiger-Verlags für einen Haustarifvertrag, doch bislang ohne Erfolg. »Das Unternehmen lebt von öffentlichen Aufträgen. Dennoch möchte es nach Gutsherrenart Verträge befristen und Zulagen auszahlen oder verweigern«, kritisiert Ingo Weerts, Sekretär der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, die Blockadehaltung der Arbeitgeberseite. Das Unternehmen mit seinen rund 600 Beschäftigten ist im Auftrag des Bundes unter anderem für das Transparenzregister und das Unternehmensregister zuständig. Das geschieht im Rahmen einer Beleihung, womit der Staat privaten Akteuren zur Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben Hoheitsrechte überträgt.
Der Verlag, der der Dumont-Gruppe angehört, ist einer von 38 Betrieben, die in Form von Beleihungen Aufträge für den Bund übernehmen und nicht tarifgebunden sind, über die Hälfte der insgesamt 74 von der Regierung beliehenen Unternehmen. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linke-Bundestagsgruppe hervor, die »nd« vorliegt.
Zu den nicht tarifgebundenen Unternehmen zählt etwa Toll Collect, das sich in hundertprozentigem Besitz des Bundes befindet. Im Rahmen einer Beleihung wurde es vom Verkehrsministerium für den Aufbau des Lkw-Maut-Systems auf deutschen Autobahnen beauftragt. Auch die vom Bundesarbeitsministerium beliehene Gesellschaft für Soziale Unternehmensberatung ist laut Regierungsangaben nicht tarifgebunden. Der Betrieb betätigt sich hauptsächlich im Programm- und Fördermittelmanagement, »mit dem Ziel, öffentliche Gelder effizient einzusetzen«.
Neben den beliehenen Betrieben erhält eine Vielzahl weiterer Unternehmen über die öffentliche Auftragsvergabe Gelder vom Bund. Insgesamt soll es sich laut Wirtschaftsministerium um einen dreistelligen Milliardenbetrag handeln. Zahlen zur Tarifbindung der beauftragten Unternehmen gibt es nicht.
Dass Unternehmen, die im Auftrag der öffentlichen Hand tätig sind, nicht tarifgebunden sind, kritisiert Susanne Ferschl von der Partei Die Linke scharf: »Es ist im höchsten Maße unglaubwürdig, wenn der Arbeitsminister und auch der Bundeskanzler in Sonntagsreden ständig erklären, die Tarifbindung müsse steigen, aber an der Stelle, an der die Bundesregierung Einfluss geltend machen könnte, dies nicht tut.« Den Worten müssten Taten folgen, fordert Ferschl. »Dazu muss auch endlich das Tariftreuegesetz verabschiedet werden.«
Im September hat Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) einen entsprechenden Gesetzentwurf in die Ressortabstimmung gegeben. Danach sollen Unternehmen, die öffentliche Aufträge in Höhe von mindestens 25 000 Euro erhalten, geltende Tarifstandards einhalten. Derzeit blockiert Finanzminister Christian Lindner (FDP) das Vorhaben.
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