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Tausende fliehen vom Libanon nach Syrien
Die israelische Regierung bekommt international Kritik für die Militäroffensive gegen die Hisbollah
Niemand hätte wohl jemals gedacht, dass Syrien, das Land des mehr als zehnjährigen Bürgerkriegs, nun als sicherer Zufluchtsort dienen würde. Doch in den vergangenen Tagen zog ein nicht endender Strom an Flüchtenden aus dem Libanon über die Grenze ins Nachbarland. »Menschengruppen, viele davon Frauen, Kinder und Säuglinge, warten auf die Registrierung«, sagte Rula Amin, Sprecherin für den Nahen Osten und Nordafrika beim UN-Flüchtlingskommissariat: »Viele müssen die Nacht draußen verbringen.«
Die israelische Luftwaffe fliegt weiterhin Angriffe gegen die Hisbollah im Libanon. Angegriffen werde die Infrastruktur der Organisation, die sich vor allem im Süden des Landes und in einigen Stadtteilen von Beirut befinden soll, heißt es. Im Norden hingegen ist die Hisbollah nahezu gar nicht vertreten, weshalb wenigstens dieser Landesteil derzeit weitestgehend vom direkten Krieg verschont bleibt.
Doch die Auswirkungen sind auch dort zu spüren: Tausende Menschen seien in den Norden geflüchtet, berichtet der libanesische Rote Halbmond. Und niemand weiß, wie man sie versorgen soll. Der Libanon ist wirtschaftlich und finanziell am Ende. Die Ressourcen der Vereinten Nationen sind bis zum Zerreißen angespannt: Es gibt viel zu viele Orte auf der Welt, an denen Menschen dringend Hilfe benötigen, und die Geberlaune der internationalen Gemeinschaft ist so gering wie schon seit Jahrzehnten nicht mehr.
In New York hat derweil die UN-Vollversammlung begonnen; für den Mittwochnachmittag mitteleuropäischer Zeit war zudem eine außerordentliche Sitzung des UN-Sicherheitsrats geplant. »Die Krise ist zu einem nicht endenden Albtraum geworden, der die gesamte Region mitzureißen droht«, sagte UN-Generalsekretär António Guterres zu Beginn der Vollversammlung.
Im Mittelpunkt des Interesses stand vor allem der neue iranische Präsident Massud Peseschkian. Denn es sind vor allem die iranischen Revolutionsgarden, die die Hisbollah unterstützen und der Organisation auch im Libanon den Vorwurf eingebracht haben, das Land zum Schlachtfeld für einen Stellvertreterkrieg zu machen. Immer wieder wurde er gedrängt, auf die Hisbollah einzuwirken, sie dazu zu bringen, die Raketenangriffe auf Israel einzustellen.
Doch in New York wurde er sehr deutlich: Der Führung in Teheran geht es nicht vor allem um einen Waffenstillstand im Gazastreifen, sie versucht eine Lockerung der US-Sanktionen gegen das eigene Regime zu erreichen. Auch die Vertreter Israels wurden bei den Vereinten Nationen immer wieder aufgefordert, endlich einer Waffenruhe in Gaza zuzustimmen, aber auch die israelische Regierung hält an ihren Forderungen fest, will unter anderem eine Truppenpräsenz entlang der Grenze zwischen Gazastreifen und Ägypten behalten.
In einer Stellungnahme forderte Verteidigungsminister Joaw Galant zudem die Umsetzung der Uno-Resolution 1701. Sie wurde im August 2006 vom Sicherheitsrat verabschiedet, beendete damals den letzten Libanon-Krieg und verlangt unter einem eine Entwaffnung der Hisbollah und verbietet alle Rustüngslieferungen in den Libanon, die nicht von der Regierung genehmigt sind.
Auch das ist eine Realität in diesem Krieg: Damals zog sich Israels Militär aus dem Libanon zurück, das Mandat einer Uno-Blauhelmission wurde ausgeweitet. Aber die Hisbollah hat sich an die sie betreffenden Teile der Resolution nie gehalten: Sie rüstete nicht ab, sondern auf. Im Mai wurde öffentlich, dass die Organisation sogar unter den Augen der Regierung Waffen- und Sprengstofflieferungen über den internationalen Flughafen von Beirut erhält.
Nun droht der Krieg auch die wichtigen Beziehungen Israels zu Jordanien und Ägypten zu beschädigen. In beiden Ländern hat sich die Stimmung stark gegen Israel gewendet. Beide Regierungen haben deshalb nun die Regierung in Jerusalem scharf verurteilt, drohen gar mit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen.
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