FPÖ: Servus, Partei der Einzelfälle

Die FPÖ leugnet ihre rechtsextreme Tradition im österreichischen Parlamentswahlkampf nur noch peripher

FPÖ-Obmann Herbert Kickl (rechts) steht exemplarisch für den rechtsextremen und rechtspopulistische Hintergrund der Partei.
FPÖ-Obmann Herbert Kickl (rechts) steht exemplarisch für den rechtsextremen und rechtspopulistische Hintergrund der Partei.

April 2013: Der Linzer FPÖ-Fraktionsobmann Sebastian Ortner muss zurücktreten, weil er mit dem verurteilten Neonazi Gottfried Küssel die Ermordung politischer Gegner geübt hat. Juni 2015: Der freiheitliche Bezirksvorsteher-Stellvertreter von Wien-Ottakring, Christian Hein, dankt auf Facebook den Neonazi-Hooligans »Unsterblich« für die Unterstützung seiner Fußballmannschaft. März 2017: Die FPÖ Oberösterreich fordert Schüler*innen auf, Lehrkräfte zu melden, die sich kritisch über die FPÖ äußern.

2017 veröffentlichte das Mauthausen Komitee, eine Nachfolgeorganisation der Österreichischen Lagergemeinschaft des KZs Mauthausen, eine Liste mit rechtsextremen »Einzelfällen« der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ). Allein von 2013 bis 2017 sammelte das Komitee 59 Vorkommnisse. Warum ist das heute noch relevant? 2017 ist das Jahr, in dem der heutige FP-Parteiobmann, Herbert Kickl, aus seiner Rolle als Demagoge der zweiten Reihe – bekannt für Wahlslogans wie »Daham statt Islam« – in das Amt des Innenministers wechselte.

Kickl steht exemplarisch für die Entwicklung der Partei mit rechtsextremer und rechtspopulistischer Geschichte – die doch erst seit dem vergangenen Jahr im österreichischen Verfassungsschutzbericht auftaucht. Und die laut aktuellen Umfragen bei den bundesweiten Nationalratswahlen diesen Sonntag den ersten Platz belegen dürfte. Kickl bekundet die Absicht »Volkskanzler« zu werden.

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Befragt man ihn zu den rechtsextremen Tendenzen seiner Partei und Person, zeigt er sich empört. Anfang September definierte er Rechtsextremismus in einem Fernsehinterview als »die Beseitigung von Demokratie und Gewaltenteilung, Gewalt als Mittel der Politik, und das in einem rassistischen Grundkonzept«. Er selbst kenne niemanden, auf den das zuträfe. Umgekehrt bezeichnen alle anderen zur Wahl stehenden Parteien die FPÖ als rechtsextrem und schließen eine Koalition mit ihr deswegen aus. Einzige Ausnahme: die christlich-konservative Volkspartei (ÖVP), die aktuell den Bundeskanzler, Karl Nehammer, stellt. Für Nehammer sind die Freiheitlichen eine »diverse Partei«, das Attribut rechtsextrem schreibt er nur Kickl zu.

Hält man sich an die Definition des Historikers Willibald Holzers, auf die sich unter anderem das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands stützt, liegt die Essenz des österreichischen Rechtextremismus in der Berufung auf einen eigenen »natürlichen« Zustand in Gegenüberstellung zu allem, was als »widernatürlich« definiert wird. Dazu zählen unter anderem Kommunismus, Emanzipation, Gewerkschaftsbewegungen oder Pluralismus. Anders formuliert, und wie es die FPÖ in ihrem aktuellen Wahlprogramm schreibt: »Das Gegenteil von Vielfalt ist nicht Einfalt, sondern die Einheit«.

Erste Einträge im Bericht des Verfassungsschutzes gab es erst 2023.

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Ein starker Staat solle, so Holzer, nach innen und außen Geschlossenheit erzeugen, Ethnozentrismus und Ethnopluralismus erfüllen dabei Integrations- und Ausgrenzungsfunktionen. Dazu gehört eine gehörige Portion Geschichtsrevisionismus. Und, an dieser Stelle erwächst der Eindruck, Kickl kenne diese Definition, der politische Stil ist geprägt von vorrangig verbaler Gewaltlatenz und Gewaltakzeptanz.

Liest man das FPÖ-Wahlprogramm mit dem Titel »Festung Österreich«, stolpert man über ein Merkmal nach dem anderen. Die Freiheitlichen fordern darin den Schutz des »Volksvermögens«, wollen »queeren« und »woken Experimenten« Steuergeld entziehen und gegen »importierte Kriminalität« vorgehen. Dazu kommt ein neoliberales Wirtschaftsprogramm mit einer Absage an Vermögenssteuer, Erbschafts- oder Schenkungssteuer. Zu Kickls gewaltvoller Rhetorik gibt es unzählige Beispiele. So erklärte er 2023, er wolle Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen den »Schädel gerade richten«.

Trotz zahlreicher Momentaufnahmen plätscherte die Debatte über den Rechtsextremismus der FPÖ jahrzehntelang vor sich hin. Das liegt auch daran, dass der Begriff in Österreich im Gegenteil zu Deutschland nicht gesetzlich definiert und damit nicht per se als verfassungsfeindlich deklariert ist. Der Politikwissenschaftler Anton Pelinka unterscheidet zwischen »hartem« und »weichen« Rechtsextremismus. Erster ist gewaltbereit und antidemokratisch und wird in Österreich nach dem Verbotsgesetz verfolgt. Darunter fällt beispielsweise Holocaustleugnung. Zweiterer ist jener Rechtsextremismus, der in Institutionen liberaler Demokratien integriert ist – und der über die FPÖ als Teil der politischen Landschaft anerkannt wurde.

Das, obwohl die Partei schon zu ihrer Gründung 1949 »geradezu demonstrativ eine Gründung von ehemaligen Nationalsozialisten für ehemalige Nationalsozialisten« war, schreibt Pelinka. So war der erste FPÖ-Obmann der ehemalige SS-Brigadeführer Anton Reinthaller. Zur gesellschaftlichen Akzeptanz führte, neben dem Opfer-Mythos, auch die Rekrutierung von Parteifunktionären aus schlagenden Burschenschaften. Konservative katholische Cartellverbände prägen bis heute die politische Elite.

Erste Einträge im Verfassungsschutzbericht gab es erst 2023, aufgrund der Nähe der FP-Parteijugend zur Identitären Bewegung. Die beiden Strukturen treten inzwischen offen gemeinsam auf, nutzen die gleiche Rhetorik – Stichwort Remigration – und bespielen gemeinsam rechtsextreme Medien. Kickl selbst bezeichnete die Identitären 2021 als »interessantes und unterstützenswertes Projekt« und eine »NGO von rechts« – nachdem bereits allgemein bekannt war, dass die Gruppe Spenden des Christchurch-Attentäters angenommen hatte.

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