Rettung für die Notfallversorgung?

Nach zehn Jahren Wartezeit: Reformgesetz endlich im Bundestag

  • dpa/nd
  • Lesedauer: 3 Min.
Ein Rettungswagen des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) mit Blaulicht unterwegs
Ein Rettungswagen des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) mit Blaulicht unterwegs

Berlin. Medizinische Hilfe im Notfall soll in Deutschland besser organisiert werden. Der Bundestag hat am Mittwoch mit den Beratungen über eine entsprechende Reform der Ampel-Koalition begonnen. Diese Reform ist aufgrund von Bund-Länder-Streitigkeiten seit rund zehn Jahren in der Schwebe.

In erster Lesung wurde nun das Gesetz zur Reform der Notfallversorgung behandelt. Angesichts oft überfüllter Notaufnahmen ist eine bessere Patientensteuerung vorgesehen, wie es aus dem Bundesgesundheitsministerium heißt. Ziel ist es laut dem Gesetzentwurf, »für alle Hilfesuchenden eine bundesweit einheitliche und gleichwertige Notfallversorgung sicherzustellen«.

Eingeführt werden sollen sogenannte Akutleitstellen, bei denen Patientinnen und Patienten jenseits schwerer Notfälle eine Ersteinschätzung von Ärzten zum weiteren Vorgehen bekommen können. Erreichbar sein sollen sie bundesweit unter der Telefonnummer 116 117. Rund um die Uhr soll es über diese Nummer einen Notdienst mit einem Arzt oder einer Ärztin geben – auch über Video zugeschaltet. Hausbesuche sollen ebenfalls möglich sein. Bei schweren Notfällen wie einem Herzinfarkt oder einem Autounfall gilt weiter die Notrufnummer 112.

Bundesweit sollen zudem sogenannte integrierte Notfallzentren in der Regie von Kliniken aufgebaut werden. Die Zentren kombinieren die Notaufnahme des Krankenhauses mit einer Notdienstpraxis. Am Empfangstresen der Notfallzentren soll es eine Ersteinschätzung geben, wohin es für Hilfesuchende als Nächstes gehen soll, entweder in die Notaufnahme oder in eine nahegelegene Notdienst- oder sogenannte Kooperationspraxis.

Mit der Notfallreform soll nun ein übergreifendes Versorgungsangebot für Akut- und Notfälle geschaffen werden. Leitstellen, Integrierte Notfallzentren und die notdienstliche Akutversorgung sollen zukünftig eng verzahnt und ein transparenter und strukturierter Zugang für Patientinnen und Patienten geschaffen werden.

Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, sieht damit verbunden in Zukunft eine stärkere Präsenz der ambulanten Versorgung. Diese dürfe allerdings nicht durch konkurrierende Vorhaben konterkariert werden. »So werden notwendige ärztliche Ressourcen nicht zur Verfügung stehen, wenn die Arztpraxen gleichzeitig mit fragwürdigen Leistungsausweitungen überzogen werden, wie sie das Gesundes-Herz-Gesetz vorsieht. Die Bundesregierung muss sich hier entscheiden, welche Prioritäten sie setzen will.«

Nachbesserungen in diesem Zusammenhang forderte auch Oppositionspolitiker Tino Sorge (CDU). Aus seiner Sicht macht es wenig Sinn, ein Rund-um-die-Uhr-Angebot von Notaufnahmen und Kassenärzten nebeneinander laufen zu lassen. Ähnlich sehen das auch die Kassenärzte. »Das ist weder versorgungsnotwendig noch wirtschaftlich und personell umsetzbar«, monierte Andreas Gassen, Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. Zudem sei der Entwurf »nur so durchzogen von zusätzlicher Bürokratie und unrealistischen Fristen«.

Was bislang fehle, sei die effektive Einbindung des Rettungsdienstes als dritter Teil des Reformvorhabens im Bereich der stationären Versorgung, kritisiert Reimann zudem. Insofern sei die aktuelle Notfallreform nur ein erster, wenn auch wichtiger Schritt. Der Strukturumbau muss sowohl eine gut funktionierende ambulante Notfallversorgung als auch einen robust aufgestellten Rettungsdienst zum Ziel haben. Eine Reform des Rettungsdienstes hat die Ampel-Koalition versprochen, allerdings steht sie noch nicht im Gesetzentwurf der Notfallreform – in den sie aber eingebracht werden soll.

Das soll in Form von Formulierungshilfen und Änderungsanträgen geschehen. »Den Gesetzgebungsprozess schließen wir noch in diesem Jahr ab«, erklärte dazu Janosch Dahmen, der für die Grünen im Bundestag sitzt und den Gesetzentwurf maßgeblich mitgestaltet hat. Ein genauer Zeitpunkt für die Verabschiedung des Gesetzes ist noch nicht bekannt. dpa/nd

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