Erneut zwei Blauhelm-Soldaten im Libanon verletzt

Sorge um Sicherheit von Soldaten der UN-Friedensmission Unifil im Südlibanon

  • Lesedauer: 6 Min.
Die Fahrzeuge der Interimstruppe der Vereinten Nationen im Libanon (Unifil) auf Patrouille: Der UN-Sicherheitsrat hat am Mittwoch einstimmig eine Resolution zur Verlängerung des Unifil-Mandats bis zum 31. August 2025 verabschiedet.
Die Fahrzeuge der Interimstruppe der Vereinten Nationen im Libanon (Unifil) auf Patrouille: Der UN-Sicherheitsrat hat am Mittwoch einstimmig eine Resolution zur Verlängerung des Unifil-Mandats bis zum 31. August 2025 verabschiedet.

Beirut. Im Libanon sind nach UN-Angaben erneut zwei Blauhelmsoldaten verwundet worden. Die Soldaten der Beobachtermission Unifil seien verletzt worden, als es in der Nähe eines Beobachtungspostens am Morgen am Hauptquartier in Al-Naqura zu zwei Explosionen gekommen sei, teilte Unifil mit.

Mehrere Schutzmauern seien zudem an einem UN-Posten bei Labbune unweit der libanesisch-israelischen Grenze eingestürzt, als eine Planierraupe des israelischen Militärs diese erfasste und israelische Panzer sich dem Posten näherten.

Es handle sich um eine »schwerwiegende Entwicklung«, so Unifil. Jeder vorsätzliche Angriff auf Friedenstruppen stelle einen schweren Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht und die UN-Resolution 1701 dar.

Bereits am Donnerstag hatten israelische Truppen nach UN-Darstellung das Unifil-Hauptquartier beschossen und dabei mindestens zwei UN-Soldaten verletzt. Israels Militär beschuldigte die Schiiten-Miliz Hisbollah, Gegenden in der Nähe von Stützpunkten der Blauhelm-Mission für ihre Zwecke zu missbrauchen.

Nach dem Beschuss des Hauptquartiers der UN-Mission Unifil im Libanon wächst die Sorge um die Sicherheit der Blauhelmsoldaten in der Region. »Die Sicherheit und der Schutz der Friedenstruppen ist jetzt zunehmend in Gefahr«, sagte der Chef der UN-Friedensmissionen, Jean-Pierre Lacroix, vor dem UN-Sicherheitsrat in New York.

Der Beschuss des Unifil-Hauptquartiers vom Donnerstag traf zwei Männer aus Indonesien, die leicht verletzt wurden. Trotz der Gefahr wollen die Blauhelmsoldaten vorerst im Südlibanon bleiben. »Wir sind hier, weil der UN-Sicherheitsrat uns darum gebeten hat. Also bleiben wir, bis es für uns unmöglich wird, hier zu operieren«, sagte Unifil-Sprecher Andrea Tenenti. Die UN-Mission überwacht das Grenzgebiet zwischen Israel und dem Libanon seit Jahrzehnten. Daran sind mehr als 10 000 UN-Soldaten aus mehr als 50 Ländern beteiligt.

Wachsende Kritik an israelischen Streitkräften

Unterdessen wächst die Kritik an dem israelischen Beschuss auf den Stützpunkt der Blauhelme. »Das ist inakzeptabel«, sagte der indonesische UN-Botschafter Hari Prabowo. Der Angriff auf den Unifil-Stützpunkt sei der Versuch, die Friedensmission und die internationale Gemeinschaft einzuschüchtern. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell schrieb auf der Nachrichtenplattform X, jeder vorsätzliche Angriff auf Friedenstruppen sei ein schwerer Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht. Italiens Verteidigungsminister Guido Crosetto sagte, der Beschuss könnte sogar ein Kriegsverbrechen darstellen.

Frankreich hat den Beschuss der UN-Mission Unifil im Libanon scharf kritisiert und den israelischen Botschafter einbestellt. Die Angriffe seien schwere Verletzungen des Völkerrechts und müssten sofort aufhören, hieß es aus dem Außenministerium in Paris. Die israelischen Behörden müssten sich erklären. Der Schutz der Blauhelm-Soldaten sei eine Verpflichtung, der alle nachkommen müssten.

Auch die deutsche Bundesregierung hat den israelischen Beschuss der UN-Mission Unifil im Libanon kritisiert und Aufklärung gefordert – ohne jedoch wie in einem Automatismus zu versäumen, dem israelischen Staat das Recht auf Selbstverteidigung zuzugestehen: »Israel hat das Recht, wie jedes andere Land, sich gegen die Gefahr und die Bedrohungen und den Beschuss der Hisbollah zu wehren. Der Beschuss von Friedenstruppen der Vereinten Nationen ist aber in keinerlei Weise akzeptabel und hinnehmbar«, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin. Schutz und Sicherheit müssten oberste Priorität haben. Erwartet werde, dass »dieser Vorfall vollumfänglich aufgearbeitet wird«.

Konsequenzen für den weiteren Kriegsverlauf dürfte jedoch auch eine Untersuchung des Vorfalls nicht haben. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu ist entschlossen, Hamas und Hisbollah mit einem Streich zu vernichten – auf Kosten vieler getöteter Menschen, die meisten Zivilisten: 42000 im Gazastreifen und über 2000 im Libanon. Am Freitag wurde auch bekannt, dass ein deutsch-libanesisches Begegnungszentrum, in das sich Flüchtlinge aus dem Südlibanon gerettet hatten, von zwei israelischen Raketen getroffen worden ist. Das Zentrum befindet sich im Schuf-Gebirge, südöstlich von Beirut, also fern von größeren Siedlungen. Sechs Menschen wurden dabei getötet. Die ARD hat darüber berichtet und die israelische Armee um eine Stellungnahme zu dem Angriff auf das Begegnungszentrum ersucht. Die Anfrage blieb aber unbeantwortet.

Die Waffen für Israels Krieg im Gazastreifen und im Libanon kommen auch aus Europa. Daher hat Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez die internationale Gemeinschaft aufgerufen, keine Waffen mehr an Israel zu liefern. »Angesichts all dessen, was im Nahen Osten geschieht, ist es dringend erforderlich, dass die internationale Gemeinschaft aufhört, Waffen an die israelische Regierung zu exportieren«, sagte Sánchez am Freitag nach einem Treffen mit Papst Franziskus im Vatikan.

Er werde seinen Appell an die »gesamte internationale Gemeinschaft richten«, sagte Sánchez weiter. Es sei notwendig, »nicht auf die eine oder andere Weise zur Eskalation der Gewalt, zum Krieg und seiner Ausweitung im Gazastreifen, im Westjordanland oder in diesem Fall im Libanon beizutragen«.

Sánchez zählt seit Beginn des vom Hamas-Großangriff auf Israel ausgelösten Gaza-Kriegs zu den westlichen Regierungschefs mit der kritischsten Haltung gegenüber Israel. Spanien erkannte im Mai – gleichzeitig mit Irland und Norwegen – den palästinensischen Staat offiziell an. Dies und mehrere Äußerungen Sánchez‘ haben zu einer erheblicheren Verschlechterung des Verhältnisses zu Israel geführt.

Die Waffenlieferungen an Israel spalten seit Monaten die westlichen Staaten: So sprach sich Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am vergangenen Samstag für einen Lieferstopp von Waffen ein, die Israel im Gazastreifen einsetzt. Großbritannien kündigte im September die Aussetzung von insgesamt 350 Exportgenehmigungen für Waffenexporte an, bei denen sie ein »eindeutiges Risiko« für einen Einsatz unter Verletzung des Völkerrechts sah.

Die Bundesregierung kündigte hingegen am Donnerstag weitere Waffenlieferungen an Israel an. »Wir haben Entscheidungen getroffen in der Regierung, die sicherstellen, dass es demnächst weitere Lieferungen geben wird«, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in der Gedenkdebatte im Bundestag zum Überfall der Hamas auf Israel vom 7. Oktober 2023.

Scholz reagierte mit seiner Intervention auf Vorwürfe von CDU-Chef Friedrich Merz, die Regierung würde solche Lieferungen verweigern. »Wir haben nicht entschieden, keine Waffen zu liefern«, sagte Scholz. »Wir haben Waffen geliefert, und wir werden Waffen liefern.« Dies sei die Haltung der Bundesregierung. Zur Art der geplanten Waffenlieferungen äußerte sich der Kanzler nicht. Seit März hat die Bundesregierung keine Genehmigungen mehr für den Export von Kriegswaffen an Israel erteilt. Dafür stiegen die genehmigten Ausfuhren »sonstiger Rüstungsgüter«, deren Wert laut Auskunft der Bundesregierung auf 14,42 Millionen Euro beziffert wurde. Hierunter fallen beispielsweise Pistolen und Revolver, Radar- und Funktechnik, aber auch bestimmte Explosivstoffe und Vorprodukte, die für den militärischen Einsatz bestimmt sind. Im letzten Quartal des vergangenen Jahres war das Volumen der Exportgenehmigungen für Lieferungen an Israel insgesamt deutlich größer gewesen.

Gegen die angekündigten Waffenlieferungen an Israel haben am Freitag prompt fünf Betroffene aus Gaza rechtliche Schritte eingeleitet und beim zuständigen Bundeswirtschaftsministerium Widerspruch gegen Ausfuhrgenehmigungen von Kriegswaffen gemäß der Kriegswaffenliste eingelegt, heißt es in einer Pressemitteilung des in Berlin ansässigen European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR), das die Kläger unterstützt.

Demnach sind nach dem deutschen Kriegswaffenkontrollgesetz Genehmigungen für Kriegswaffen zu unterbleiben, wenn Grund zur Annahme besteht, dass Deutschland hierdurch gegen völkerrechtlichen Verpflichtungen verstößt und das Risiko besteht, dass mit diesen Waffen Kriegsverbrechen begangen werden. Agenturen/nd

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