Frankreich: Streit ums Staatsbudget

Frankreichs Regierung plant neue Steuern und drastische Kürzungen

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 4 Min.
Frankreichs Ministerpräsident Michel Barnier hat einen Haushaltsentwurf mit drastischen Maßnahmen zur Senkung der Staatsverschuldung vorgelegt.
Frankreichs Ministerpräsident Michel Barnier hat einen Haushaltsentwurf mit drastischen Maßnahmen zur Senkung der Staatsverschuldung vorgelegt.

In seiner Regierungserklärung Anfang des Monats hat der neue französische Premier Michel Barnier die Senkung der Staatsverschuldung zu seiner Hauptaufgabe erklärt. Dass deren Höhe in den letzten 20 Jahren von 1060 Milliarden auf heute 3101 Milliarden Euro gestiegen ist, sei nicht hinnehmbar, betonte er. Allein an Zinsen müssten für diese Verschuldung jährlich pro Einwohner mehr als 800 Euro aufgebracht werden.

Um die Neuverschuldung von gegenwärtig sechs Prozent des Bruttosozialprodukts im kommenden Jahr auf fünf Prozent zu senken und bis 2029 wieder den EU-Richtwert von drei Prozent zu erreichen, müsse sofort gehandelt werden, wird Barnier nicht müde, bei jedem öffentlichen Auftritt zu unterstreichen.

Als Sofortmaßnahmen plant der Regierungschef für das kommende Jahr neue Steuern, die 20 Milliarden Euro an zusätzlichen Einnahmen bringen sollen, und 40 Milliarden Euro Einsparungen bei den öffentlichen Ausgaben. Das sieht der Entwurf des Staatshaushalts für 2025 vor, den die Regierung am Donnerstag verabschiedet und veröffentlicht hat. In der kommenden Woche wird er dem Parlament zur Debatte und Abstimmung zugeleitet.

Ob er in der Nationalversammlung durchkommt, ist fraglich, denn der Budgetentwurf wird schon jetzt von allen Seiten heftig attackiert. Daher könnte die neue Koalitionsregierung geneigt sein, wie ihre Vorgängerinnen zum Ausnahmeparagrafen 49.3 der Verfassung zu greifen, also den Text mit der Vertrauensfrage zu verbinden und so ohne Abstimmung durchs Parlament zu schleusen.

Die neuen Steuern, die 19,2 Milliarden Euro pro Jahr einbringen sollen, betreffen ausschließlich 440 Großunternehmen mit Milliardengewinnen, deren Unternehmenssteuer vorübergehend von 25 auf 36 Prozent angehoben wird, sowie die 65 000 Unternehmer und Manager, die pro Jahr allein mehr als 250 000 Euro oder als Ehepaar mehr als 500 000 Euro verdienen. Diese sollen drei Jahre lang mit einer befristeten »Sonderabgabe« von mindestens 20 Prozent ihres Einkommens belegt werden.

Wie die linke Volksfront vorrechnet, entsprechen diese Abgaben nur einem Viertel dessen, was dem Staatshaushalt dadurch verloren gegangen ist, dass Präsident Emmanuel Macron 2017 unmittelbar nach Amtsantritt als Präsident die »Reichensteuer« ISF abgeschafft hat.

Unangetastet bleibt der Personalbestand lediglich bei der Landesverteidigung, der Polizei und der Justiz.

In diesem Geist sträubt sich auch jetzt vor allem die Präsidenten-Partei Renaissance gegen die neuen Abgaben für Reiche und Besserverdienende. Ihre Wortführer sind der ehemalige Innenminister Gérald Darmanin und der Ex-Premier Gabriel Attal, die jetzt als Abgeordnete im Parlament sitzen und damit drohen, dem Haushalt ihre Stimme zu versagen.

Premier Michel Barnier lässt sich dadurch nicht aus dem Konzept bringen und erinnert die ehemaligen Minister daran, dass es während ihrer Amtszeit zur sprunghaften Erhöhung der Staatsschulden gekommen ist. Barniers Versicherung, die Steuererhöhungen beträfen nicht die Masse der Franzosen, hält allerdings einer näheren Prüfung nicht stand. So verdoppelt sich beispielsweise die Stromsteuer auf dem freien Energiemarkt, was immerhin 40 Prozent der Haushalte trifft.

Die extrem rigide Ausgabenpolitik, mit der 40 Milliarden Euro eingespart werden sollen, wird von der linken Volksfront mit der »Austerität« verglichen, zu der Griechenland 2010 durch die EU verurteilt wurde. Das weisen Premier Barnier und seine Minister entschieden zurück und sprechen lieber von einer »verantwortungsbewussten Ausgabenpolitik«.

In den Staats- und Regionalbehörden sollen viele Einrichtungen kostensparend zusammengelegt werden und in großem Maße sollen aus Altergründen ausscheidende Beamte nicht ersetzt werden. Selbst im Bildungswesen, wo im täglichen Schulbetrieb nur zu oft Lehrer fehlen, sollen 4000 Stellen gestrichen werden. Das wird damit begründet, dass die Zahl der neuen Schüler von 2024 auf 2025 um 97 000 rückläufig ist. Unangetastet bleibt der Personalbestand lediglich bei der Landesverteidigung, der Polizei und der Justiz.

Besonders stark gespart werden soll bei den sozialen Hilfsprogrammen und bei den Ausgaben für Gesundheit, die um insgesamt 14,8 Milliarden Euro gekürzt werden. Beispielsweise spart der Staat allein dadurch 4,5 Milliarden Euro, dass die aufgrund der Inflation anstehende Rentenanpassung vom Jahresanfang auf Mitte 2025 verschoben wird. Die Erstattung der Arztbesuche durch die staatlichen Krankenkassen wird gesenkt und die Differenz auf die privaten Zusatzkassen abgeschoben, die dafür aber ihre Beiträge erhöhen werden.

Gespart wird auch in anderen Bereichen. So werden Zuschüsse für den Kauf eines Elektroautos stark gekürzt oder ganz gestrichen, andererseits aber Besitzer schwerer und abgasreicher Autos kräftig zur Kasse gebeten.

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