Preisschock beim Essen

Grundnahrungsmittel haben sich auf dem Weltmarkt zuletzt wieder deutlich verteuert

Maisernte in Brandenburg aus dem Blickwinkel einer Drohne.
Maisernte in Brandenburg aus dem Blickwinkel einer Drohne.

Unmittelbar vor und wieder nach der Finanzkrise 2007/2008 waren die Nahrungsmittelpreise erstmals sprunghaft gestiegen. Vor einem Jahrzehnt beruhigte sich der Markt dann. Der Index der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO), der die Entwicklung der Weltmarktpreise von 55 Agrarrohstoffen und Nahrungsmitteln zusammenfasst, bewegte sich immer unter und nahe 100 Punkten. Erst im Sommer 2021 sprang er um 25 Prozent auf über 125 Punkte hoch, später auf über 140 Punkte. Dieser Preisschock war von dem weltweiten Anstieg der Energiepreise ausgelöst worden, welcher der Corona-Pandemie sowie der dann wachsenden internationalen Nachfrage nach Öl und Gas folgte. Der russisch-ukrainische Krieg verschärfte die Lage dann ab 2022 weiter.

Energiepreisschocks sind besonders belastend, weil sie über die Produktion und den Transport indirekt auf die Preise nahezu aller anderen Güter wirken, so auch auf Dünge- und Futtermittel oder Treibstoffe für Traktoren. Besonders kräftig legten die Preise für Getreide und Pflanzenöle zu – die Lebensgrundlage der Armen im globalen Süden. Der Preisschock war und ist aber auch in deutschen Läden zu spüren. So kosten im Supermarkt oder Discounter beispielsweise Nudeln heute etwa die Hälfte mehr als vor dem Preisschock 2021.

Nachdem sich die Märkte auf dem hohen Niveau 2023/24 stabilisiert hatten, droht nun im Gefolge des Nahostkonfliktes ein erneuter Schock. So verzeichnete die FAO im September den stärksten Preisanstieg seit 18 Monaten, auf 124,4 Punkte. Wobei die Notierungen für alle Rohstoffgruppen stiegen, angeführt von Zucker. Ausschlaggebend dafür waren sich verschlechternde Ernteaussichten in Brasilien und die Befürchtung, dass Indien verstärkt Zuckerrohr für die Ethanol-Produktion in der Chemieindustrie einsetzen will, was den Export und die Verfügbarkeit auf dem Weltmarkt beeinträchtigen würde.

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Wetterkapriolen spielen beim aktuellen Weizenpreis eine Rolle. Er stieg vor allem aufgrund der Besorgnis über unmäßige Nässe in Kanada und der Europäischen Union, obwohl der Weltmarktpreis teilweise durch »wettbewerbsfähige«, also günstige Lieferungen aus der Ukraine ausgeglichen wurde. Die Rohstoffpreise für Mais stiegen ebenfalls an, beeinflusst durch niedrige Wasserstände auf den wichtigsten Transportrouten entlang des Madeira-Flusses in Brasilien und des Mississippi in den Vereinigten Staaten. Den Anstieg des Pflanzenöl-Preisindex erklärt die FAO mit dem Anstieg der internationalen Palmölpreise, was auf schlechte Ernten in südostasiatischen Erzeugerländern zurückzuführen sei.

Weitere Faktoren verändern ständig die Bedingungen in Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie. Neben den Kosten für Energie oder Düngemittel sowie den Missernten infolge des Klimawandels verteuern auch Arbeitskräftemangel und steigende Löhne die Grundnahrungsmittel. Ein weiterer zentraler Punkt ist die wachsende Weltbevölkerung: Dadurch steigt die Nachfrage und im Trend der Preis. Was besonders den globalen Süden trifft, da viele Länder mittlerweile fast vollständig auf Importe von Getreide und Öl angewiesen sind. Dieser Handel erfolgt üblicherweise in Dollar, sodass auch der Wechselkurs der heimischen Währung großen Einfluss auf die Verbraucherendpreise hat.

Die preistreibende globale Nachfrage steigt zudem, weil der Pro-Kopf-Verbrauch an Grundnahrungsmitteln mit dem ansteigenden Wohlstand in Schwellen- und Entwicklungsländern zunimmt. Die Konsummuster dieser neuen Mittelschicht etwa in Thailand oder Vietnam orientieren sich am globalen Norden und dessen »imperialer Lebensweise«. So hat sich der weltweite Fleischkonsum in den vergangenen 20 Jahren mehr als verdoppelt.

»Doch nicht alle Preissteigerungen der letzten drei Jahre waren nachvollziehbar«, heißt es bei der Verbraucherzentrale in Deutschland. Es sei unklar, inwiefern sie allein auf höheren Herstellungskosten sowie Angebot und Nachfrage basierten. Die Hilfsorganisation Oxfam beobachtet seit dem Jahr 2000 einen »deutlichen Trend der zunehmenden Spekulation mit Nahrungsmitteln«. Dabei gingen Finanzakteure wie Banken, Hedgefonds, Pensions- und Staatsfonds bewusst Risiken ein, indem sie auf steigende (oder fallende) Nahrungsmittelpreise setzten, in der Hoffnung, »schnell hohe Gewinne zu erzielen«. In Medien würden inzwischen sogar Kleinanleger umworben, Geld auf den Agrar-Rohstoffmärkten anzulegen. Eine politische Lösung ist auch hier nicht in Sicht.

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