Auswirkungen der Krankenhausreform nicht absehbar

Der Umbau der Krankenhauslandschaft startet mit vielen Fragezeichen

Auch der Blick in den Zauberspiegel verrät nichts Sicheres über die Zukunft der Krankenhäuser.
Auch der Blick in den Zauberspiegel verrät nichts Sicheres über die Zukunft der Krankenhäuser.

An diesem Donnerstag wird das Kerngesetz zur Krankenhausreform im Bundestag abschließend behandelt. Mit einiger Wahrscheinlichkeit kommt es zur Verabschiedung des KHVVG – das Kürzel steht für Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz. Seit einigen Jahren beschäftigen sich Politiker, Wissenschaftler, Vertreter der großen Trägergruppen sowie Menschen aus Gesundheitsberufen mit dieser Reform, die auch in diesem finalen Stadium umstritten bleibt. Die kontroverse Diskussion ist nicht abgeschlossen, und selbst wenn ehemalige Gegner, etwa aus den Bundesländern, jetzt scheinbar einlenken, werden dem häufig Einschränkungen nachgeschoben.

Zunächst: Niemand bestreitet die Notwendigkeit einer solchen Reform. Versprochen wird viel, etwa mehr Spezialisierung, um die Qualität zu verbessern und zu sichern. Für die Minderung des finanziellen Drucks auf die Kliniken sollen nun auch Vorhalte- statt nur Fallpauschalen sorgen und die Existenz der Häuser sichern.

Das Gesundheitsministerium sieht in den rund 1700 Krankenhäusern in Deutschland zu viele unbelegte Betten, zu viele Einrichtungen schrieben rote Zahlen. Wenn es die richtigen Häuser träfe, könnte man sogar auf bis zu 500 von diesen verzichten, schätzt selbst die Deutsche Krankenhausgesellschaft. Soweit mögliche Folgen der Reform.

Zu den zentralen Streitpunkten gehört die Finanzierung. Ab 2026 soll ein Transformationsfonds mit 50 Milliarden Euro zur Verfügung stehen. 25 Milliarden Euro davon sollen von der gesetzlichen Krankenversicherung getragen werden, der Rest von den Ländern. Insbesondere der hohe Anteil der Kassen wird von vielen Seiten sogar als verfassungswidrig eingestuft, da es sich um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe handle.

Bund und Länder im Dauerstreit

Ein großer Teil der Debatte drehte sich um die föderale Zuständigkeit für die Ausgestaltung der Reform. Die Länder sahen ihre Vorrechte missachtet. Unter anderem Bayern wollte sich in die eigene Krankenhausplanung nicht hineinreden lassen, mehrmals wurden Verfassungsklagen angedroht.

Irgendwann gipfelte der Bund-Länder-Streit um die Reformauswirkungen in der paradoxen Ansage von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), dass über diese – bis hin zu Schließungen – allein die Länder entscheiden würden. Fakt ist jedoch, und das wurde immer wieder von verschiedenen Seiten kritisiert, dass eine umfassende Auswirkungsanalyse der Reform seitens des Gesundheitsministeriums bis heute fehlt. Verschiedene Akteure versuchten sich hier mit eigenen Berechnungen, darunter die Krankenhausgesellschaft.

Besonders interessant erscheint in diesem Zusammenhang ein interaktives Recherche-Werkzeug, das vom Science Media Center bereitgestellt wurde. Verarbeitet wurden Daten aus Nordrhein-Westfalen. Die Krankenhausreform dieses Bundeslandes hat schon begonnen, und viele Aspekte davon sind in das bundesweite Reformprojekt eingegangen. Das Dashboard bietet für NRW etwa eine durchsuchbare Tabelle, in der sich das vorläufige Votum der Landesregierung (Stand Juni) zu allen Kliniken und zu den 64 vorgesehenen Leistungsgruppen samt Fallzahlen findet.

Mithilfe dieser Übersicht ist eine Konzentration bei einigen Leistungsgruppen schon absehbar, das heißt, es kann abgelesen werden, welche Versorgungsangebote es in einigen Kliniken nicht mehr geben wird und gleichzeitig, dass an anderen Standorten höhere Fallzahlen vergütet werden könnten. Da das Anhörungsverfahren des Gesundheitsministeriums in NRW mit den Kliniken noch nicht abgeschlossen ist, war die Darstellung vorläufig. Inzwischen zeigt sich aber, dass etliche kleine Kliniken schon im Zuge der Landesreform unter existenziellen Druck geraten.

Die Vorgänge in NRW werden natürlich auch in anderen Bundesländern aufmerksam verfolgt. Die meisten Landespolitiker und vor allem Vertreter der Kliniken sehen bei der künftigen landeseigenen Krankenhausplanung sowohl Chancen als auch Risiken. Grundsätzlich seien aber die Folgen weder für die Beschäftigten noch für die Patienten klar abschätzbar.

Wo welche medizinischen Leistungsgruppen angeboten und dann auch vergütet werden, hat auch Auswirkungen auf die ärztliche Weiterbildung. Die muss zu großen Teilen am Krankenhausbett absolviert werden. Wenn Standorte oder fachärztliche Schwerpunkte und damit Abteilungen wegfallen, ist unklar, wo der nötige Nachwuchs ausgebildet werden soll.

Neue bürokratische Anforderungen

Weitere Ärgernisse ergeben sich für die Beschäftigten selbst in den vielen potenziell überlebenden Krankenhäusern aus neuen bürokratischen Anforderungen. Diese sind auch ohne Reform schon hoch, und eigentlich lautete ein weiteres Versprechen, dass dieserart Belastungen abgebaut werden sollten. Die Dokumentationspflichten werden sich aber erhöhen, unter anderem weil Vergütungen nur fließen werden, wenn der Bestand an Fachpersonal auch in kurzen Zeitabschnitten den Vorgaben entspricht. Unter anderem aus Niedersachsen kommt die Kritik, dass so die Arbeitszeit von Fachkräften weiterhin für patientenferne Tätigkeiten gebunden wird.

Auch das Versprechen der Entökonomisierung kann aus Sicht vieler Experten mit der aktuellen Variante der Reform nicht gehalten werden. Die zunächst groß angepriesenen Vorhaltepauschalen, die zu 60 Prozent die Kosten der jeweiligen Abteilungen decken sollen, werden letztendlich doch an Fallzahlen gekoppelt sein.

Die absehbaren personellen und technischen Vorgaben für die 65 Leistungsgruppen werden die Krankenhäuser vor große Herausforderungen stellen: Hier müssen sie vergütungsfähige Voraussetzungen schaffen, unter anderem durch Personal und Technik. Kleinere und moderne Querschnittsdisziplinen, darunter Schmerz- und Palliativmedizin, sind nicht vorgesehen. Wenn Kliniken diese Angebote für sinnvoll halten, sind sie irgendwie parallel zu finanzieren. Hinzu kommt, dass die Vorgaben für die Leistungsgruppen sehr unterschiedlich ausgearbeitet sind, von extrem detailliert bis zu sehr oberflächlich.

Damit ist nur ein Teil der Probleme benannt, die im Zusammenhang mit der aktuellen Reform bereits absehbar sind. Außerdem fehlen zum Beispiel noch die ambulanten Strukturen, die wegfallende Klinikangebote ersetzen sollen. Einigt sich der Bundestag auf das vorliegende Gesetz, wird sich im November der Bundesrat damit befassen.

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