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Auch schwarzer Humor ist befreiend
»1974 & 1944. Athen feiert seine Freiheit« – Notizen vom Besuch dreier Ausstellungen in der griechischen Hauptstadt
Griechenland gedenkt dieser Tage zwei großer Ereignisse seiner Geschichte: den 80. Jahrestag der Befreiung des Landes von der Nazi-Besatzung 1944 sowie dem 50. Jahrestag der Wiederherstellung der Demokratie nach dem Sturz des Junta-Regimes 1974. Das Kunstzentrum Parko Eleftherias verbindet beide historischen Jubiläen in einer beeindruckenden, sehenswerten Ausstellung: »1974 & 1944. Athen feiert seine Freiheit«. Das eher kleine städtische Museum ist 2017 im Rahmen der Documenta 14, die außer in Kassel auch in der griechischen Hauptstadt stattgefunden hat, eröffnet worden. Es ist Teil eines ehemaligen Gebäudekomplexes der Militärdiktatur. Auf dem Gelände, das formal, trotz »künstlerischer Überschreibung«, immer noch dem Verteidigungsministerium gehört, ist auch das ehrenamtlich betriebene »Museum des demokratischen Widerstands gegen die Diktatur« beheimatet.
Das von Argyro Batsi und Maria Florou entworfene Ausstellungsdesign lässt die Besuchenden die beiden schmerzhaftesten Abschnitte der griechischen Geschichte des 20. Jahrhunderts von ihrem Ende aus erleben: von der Freude über das Ende der Tyrannei zurück zur Erinnerung an millionenfaches Leid, Verfolgung, Verhaftungen, Folter, Deportationen und unzählige Morde.
Eingangs tritt der Besucher in einen mit Leinwänden abgehangenen Kreis, auf denen Schnappschüsse von den Befreiungsfeiern auf den Straßen und Plätzen Athens zu sehen sind. Die Bilder von 1944 und 1974 gleichen sich: Menschen tanzen, fallen sich in die Arme und schwenken Fahnen; überfüllte Autos schlängeln sich durch die Gassen. Alle glauben, nach Jahren der Repression endlich einer hoffnungsvollen Zukunft entgegensehen zu können.
Sowohl die Barbarei der Nazi-Okkupation als auch die Verbrechen der Militärjunta bleiben offene Wunden in Griechenland.
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Von diesem Kreis aus kann man sich nach links oder rechts wenden. Der eine Pfad führt zurück in die Tyrannei der deutschen Okkupation vom April 1941 bis zum 12. Oktober 1944, der andere in die Schreckensherrschaft der griechischen Obristen, der Clique um den Oberst des griechischen Heeres Georgios Papadopoulos und um Dimitrios Ioannidis, Chef der gefürchteten Militärpolizei, vom Juni 1967 bis zum Juli 1974. Die gut 500 Exponate sind entlang zweier schlangenlinienförmiger Zeitstrahlen aufgereiht. Zu sehen sind Fotos, Flugblätter, Zeitungsartikel und Filmausschnitte. Widerstandskämpfer werden in Kurzbiografien vorgestellt. Man muss nicht über historisches Hintergrundwissen verfügen, alles ist eingängig dargestellt.
Kurz angedeutet sind hier auch die Folgen der beiden schwarzen Kapitel griechischer Geschichte bis heute. Einer gravierenden Folge des Jahres 1974, der Spaltung der Insel Zypern, verbunden mit Namen des Strippenziehers der Junta, Ioannidis, ist eine gesonderte Ausstellung im Nationalen Historischen Museum gewidmet. Unter dem Titel »Cyprus ’74: Never forget« geht es hier allerdings recht patriotisch zu, entsprechend dem generellen Konzept der Vermittlung griechischer Geschichte von der Osmanenherrschaft bis heute in dem im alten Parlamentsgebäude von Athen untergebrachten Zentralmuseum. Angeprangert wird die türkische Invasion auf Zypern vor 50 Jahren, die griechisches Militär vergeblich rückgängig zu machen versuchte. Es kam damals zu der eigenartigen Konstellation, dass sich während des Kalten Kriegs zwei Nato-Staaten eine militärische Auseinandersetzung lieferten. Bis heute ist Zypern Zankapfel zwischen Griechenland und der Türkei.
Die Ausstellung zeigt unter anderem Plakate gegen die bis heute andauernde türkische Besatzung im Norden. Sie stammen von griechischen und zypriotischen Künstlern und NGOs sowie ihren internationalen Unterstützern. Aufgegriffen wird hier die Bildsprache der Friedens- und Solidaritätsbewegung, darunter insbesondere die Friedenstaube. Ob diese Anleihen beabsichtigt oder eher zufällig waren, für einen wahrhaftigen Anti-Imperialismus standen oder tumben hellenischen Nationalismus verbergen sollten, ist für den außenstehenden deutschen Betrachter schwer zu beurteilen. Wohl, um den Opferstatus Griechenlands nicht zu sehr infrage zu stellen, belässt es das Nationale Historische Museum Athens bei einem nur wenige Zeilen umfassenden »Pretext«, wie es überhaupt zur Invasion der Türkei auf Zypern kam.
Wie kam es dazu? Die durch die Studentenrevolte im November 1973 angeschlagene Militärdiktatur hatte sich selbst gehäutet; als Sieger interner Konflikte ging der Militärpolizeichef Ioannidis hervor, der auf Zypern, von Griechen und Türken bewohnt, einen Militärputsch gegen den gewählten Präsidenten, Erzbischof Makarios III., anzettelte. Der Hohe Geistliche war kein Freund der griechischen Junta gewesen. Die Türkei als Garantiemacht für die türkischen Zyprioten nutzte nun die Gelegenheit für eine militärische Intervention; bis heute stehen 37 Prozent der Insel unter türkischer Kontrolle. Der Konflikt ist eingefroren; die Einflusssphären sind auf den Quadratmeter exakt abgesteckt. Der Verlust großer Teile von Zypern an die Türkei war der letzte Sargnagel für die griechische Militärdiktatur, die nun auch unter konservativen Griechen ihren Rückhalt verlor. Direkt nach dem zyprischen Debakel entledigte sich das Land der Junta und brachte Papadopoulos und Ioannidis vor Gericht. Es blieb bei der Aburteilung einiger führender Köpfe der Militärdiktatur, der Mehrheit der Beteiligten wurde Amnestie gewährt. Eine umfassende Aufarbeitung der Diktatur und ihrer Verbrechen fand nicht statt, das Motto lautete »nationale Versöhnung«, was für die Opfer der Junta und deren Angehörigen wie blanker Hohn geklungen haben mag.
Im Kulturort Technopolis, einem ehemaligen Gaskraftwerk im Westen der Stadt, wurde im Rahmen des übergreifenden Mottos »1974 & 1944. Athen feiert seine Freiheit« für vierzehn Tage eine besondere Attraktion offeriert: die Comic-Ausstellung »Ein süßer Tagesanbruch: 14 Geschichten über Athen unter deutscher Besatzung«. Diese Ausstellung ist bereits 2016 gezeigt worden; sie animiert zu einem Comic-Band, in dem die Historiker Yannis Koukoulas und Menelaos Charalambidis über Stadtspaziergänge historisches Wissen verbreiten.
Nicht verwunderlich bei dem Thema, der Brutalität der Nazi-Besatzung und dem Terror, mit dem auf griechischen Widerstand reagiert wurde, sind die erzählten Geschichten düster. Wiederkehrendes Motiv ist der durch den deutschen Raubzug verursachte Hunger in Griechenland. Die Zahl der direkt oder indirekt an den Folgen des Hungers gestorbenen Griechen in den Jahren der deutschen Herrschaft wird bis auf 450 000 geschätzt. Reparationsforderungen Griechenlands auch für die ökonomische Ausplünderung des Landes lehnt die deutsche Regierung jedoch nach wie vor ab. Der Comic-Zeichner Tasos Maragos griff für die Darstellung der Gräueltaten der deutschen Besatzung zu einem künstlerischen Stilmittel, das wohl nur im Comic zulässig ist, dem Splatter: In »Das Roastbeef« beispielsweise beobachten griechische Partisanen den verhassten Koch und Nazi-Kollaborateur Michaelis dabei, wie dieser an den Gestapo-Kommandanten menschliches Fleisch als Roastbeef verfüttert. Manchmal kann auch schwarzer Humor befreiend sein.
Auch wenn diese drei Ausstellungen es explizit nicht formulieren: Sowohl die Barbarei der Nazi-Okkupation als auch die Verbrechen der Militärjunta bleiben offene Wunden in Griechenland, wirken noch Jahrzehnte später traumatisch nach.
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