Duisburger Malocher seit 100 Tagen im Arbeitskampf

Seit 100 Tagen protestieren Malocher am Standort Duisburg gegen die Umbaupläne von Thyssen-Krupp

Bei der Mahnwache an Tor 1
Bei der Mahnwache an Tor 1

Drei weiße Zelte, Plakatwände und eine kleine Essensausgabe – an Tor 1 von Thyssen-Krupps Stahlstandort in Duisburg-Hamborn/Beeckerwerth steht seit mittlerweile 100 Tagen eine Mahnwache der Arbeiter. Viele haben bei Deutschlands größtem Stahlkonzern »von der Pike auf gelernt«. Nun bangen sie um ihre Jobs, denn der riesige Standort im Norden der Industriestadt im Ruhrgebiet gilt angesichts der Konzernumbaupläne als bedroht.

Thyssen-Krupp will aufgrund von Missmanagement, günstigerer Konkurrenz aus Fernost sowie anhaltenden Absatzproblemen bei den Autobauern und deren Fehler bei der Transformation auf Elektromobilität mal wieder »umstrukturieren«. Der Betriebsrat, die stark verankerte IG Metall und Lokalpolitiker warnen vor den gesellschaftlichen Folgen für Duisburg und für die Zukunft des Stahls in Deutschland.

Laut Betriebsratsvorsitzendem Ali Güzel will der Vorstand einen neuen Businessplan für die Stahlsparte erarbeiten – mit »noch härteren Einschnitten«. Wie viele Arbeitsplätze wegfallen sollen, ist offen. Beim Besuch der immer größer werdenden Mahnwache zeigt sich Güzel stolz, dass »wir den Arbeitgebern zeigen, dass wir kampfbereit sind«, und schiebt nach: »Solidarität ist unsere Stärke.«

Sein Stellvertreter Olaf Vopel führt durch die Mahnwache, die seit einigen Wochen auch ein mobiles Betriebsratsbüro beherbergt. Er begrüßt Kollegen, die auf Bierzelt-Bänken, Sofas und Stühlen sitzen und bei Wasser oder Kaffee diskutieren. Eine mobile Heizung und ein Heizpilz sowie Decken sollen in der kalten Jahreszeit für die nötige Wärme sorgen. Die »Kumpels« planen langfristig, denn der Business-Plan soll erst Anfang kommenden Jahres verkündet werden. So wird aus dem Provisorium wohl ein Manifest des Widerstands werden.

Eindeutige, kämpferische Botschaften sind überall zu sehen. Gefordert wird der Erhalt von Thyssen-Krupp in ganz Duisburg, denn das andere Werk im Süden der Stadt soll auch bedroht sein. In der gesamten Sparte gibt es etwa 27 000 Beschäftigte, gut ein Viertel der Gesamtbelegschaft des Konzerns.

»100 Tage Mahnwache, was für eine schreckliche Zahl«, befindet Vopel, der seit Wochen durch die Republik tourt, um Solidaritätsbekundungen entgegenzunehmen und sich solidarisch mit Beschäftigten anderer in Notlage geratener Betriebe zu zeigen. Auch wenn es nicht gut aussieht, sagt er: »Wir werden den Kampf nicht aufgeben.«

Hört man sich in der Stadt um, gibt es auch andere Stimmen. Die Rede ist von »Sterben auf Raten« oder einer »verlorenen Partie«. Grosso modo steht man aber hinter den Beschäftigten. Auch die Duisburger Stadtspitze hofft auf ein
Einlenken des mächtigen »Dreigespanns« um CEO Miguel Lopez, den Aufsichtsratsvorsitzenden Siegfried Russwurm und die Vorsitzende der mächtigen Thyssen-Krupp-Stiftung, Ursula Gata.

Die nordrhein-westfälische Wirtschaftsministerin Mona Neubaur und IG-Metall-Chefin Christiane Benner waren ebenfalls schon bei der Mahnwache, die am 22. Juli begann. An Unterstützung mangelt es offenkundig nicht. Vopel erinnert sich: »Der Arbeitgeber drohte an, die Produktion von 11,5 Millionen Jahres-Tonnen Stahl auf bis zu 9 Millionen zu senken.« 3000 Arbeitsplätze müssten folglich abgebaut werden, so die Sorge. »Das war für uns das Signal, dass die IG Metall und die Betriebsräte von Thyssen-Krupp sich zeigen mussten, denn es geht hier um mehr als nur eine kleine Restrukturierung.«

Der Protest richtet sich speziell an die drei genannten Arbeitgebervertreter. Rote Linien seien überschritten worden. »Zusagen, die seit über 60 Jahre gehalten wurden, werden respektlos ignoriert«, sagt Vopel, ein bekennender Fan des MSV Duisburg. Auch Altspieler des Fußballvereins aus vergangenen Bundesliga-Zeiten zeigen sich solidarisch mit den »Malochern«.

Trotz der Quasi-Zusage des Baus einer innovativen Direktreduktionsanlage zur Produktion von »grünem« Stahl soll die Sparte bei Thyssen-Krupp zerstört werden, schimpft Vopel. »Mittlerweile sind die Szenarien immer schlimmer und immer düsterer, sind mehr als 10 000 Arbeitsplätze gefährdet.«

Die Mahnwache indes ist ein Lichtblick: »Sie ist das Symbol und das Gesicht des Arbeiterkampfes, weit über die Dächer von Duisburg hinaus«, sagt Dirk Riedel, IG-Metall-Vertrauenskörperleiter von Thyssenk-Krupp in Hamborn/Beeckerwerth. Sie sei eine Mahnung: »für die Zukunft kämpfen, auch für die Generationen, die nach uns kommen«.

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