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Kaseem Ryan: Alles Handarbeit
Rapper Kaseem Ryan aka KA war ein Alleskönner: Beats, Lyrics, Vertrieb. Ein Nachruf auf den Handwerksmeister des Hip-Hop
Es gibt zuhauf Musiker*innen, die sich den ehernen und häufig geradezu brutalen Gesetzen der Kulturindustrie unterwerfen oder zumindest den allgemeinen Zirkus bedienen, die Teil des Spiels sein wollen und denken, sie könnten Fun auch ohne Stahlbad bekommen. Und dann gibt es einige Wenige, die ihren eigenen Weg gehen, die nur auf die Kraft ihrer Musik vertrauen, unabhängig von allen Moden, Marketingstrategien und Usancen der Musikindustrie. Solche, die von der Unbedingtheit ihrer Kunst überzeugt sind, die ihr Leben nach der Notwendigkeit ausrichten, nicht leben zu können, ohne so zu schreiben, wie sie es müssen.
Ein solcher Künstler war Kaseem Ryan, der sich als Musiker KA nannte und einer der tiefsten und wunderbarsten Rapper unserer Tage war. KA wurde im als gefährlich geltenden Brooklyner Stadtteil Brownsville geboren. Er verfiel dem Rap schon als Sechsjähriger, wie er dem »Impose«-Magazin verriet: »Ich war dafür auserwählt. Das war meine Musik.« Seit den frühen 90er Jahren war er als MC aktiv, wurde Mitglied der Crew von Natural Elements, die er jedoch verließ, kurz bevor sie ihren ersten Plattenvertrag unterschrieben. Später gründete er mit einem Freund das Duo Nightbread. Doch irgendwie wurde aus all den Projekten nichts so richtig.
Alles, was Kaseem Ryan tat, verstand er als Dienst an der Gesellschaft – sei es als Feuerwehrmann, sei es als Rapper.
2008 lud GZA vom Wu-Tang Clan KA ein, einen ganzen Song, »Firehouse«, für das aktuelle GZA-Album aufzunehmen – ein Ritterschlag in der Hip-Hop-Welt. Im selben Jahr veröffentlichte KA dann sein erstes Album: Das Solowerk trug den Titel »Iron Works«, und die im Musikjournalismus so gern und selbstverständlich gebrauchte Formulierung »er veröffentlichte«, kann hier ausnahmsweise wörtlich verstanden werden: Er brachte sein Album wie auch alle zehn weiteren auf seinem eigenen Label (das er Iron Works nannte) komplett in Eigenregie heraus, verteilte sie zunächst an Freunde und Verwandte, später verkaufte er sie auf einer eigenen Website oder indem er sich in seinem Hoodie vor einen Plattenladen stellte – »direkt vom Erzeuger an den Kunden« (Julian Brimmer), truly independent, wirklich und von Herzen DIY. Für sein jüngstes und wie man nun weiß, letztes Werk »The Thief Next to Jesus«, im August dieses Jahres erschienen, machte er am 28. September sogar einen Pop-up-Store in New York auf (»Pounds and hugs still free«, flapste er auf X). Nur versenden wollte er seine Sachen nicht mehr, weil das zu lange Zeit ohne Familie und Freunde bedeutet hätte und Abstriche für die Gesundheit und die Kreativität, kommentierte er seine Entscheidung.
Im Hauptberuf war Kaseem Ryan seit Ende der 90er Jahre Feuerwehrmann und brachte es beim Fire Department New York zum Captain. Er gehörte zu den »first respondern«, denjenigen Feuerwehrleuten, die am 11. September 2001 als Erste Menschen aus den Twin Towers gerettet haben. Seine Lyrics schrieb er nachts oder an den Wochenenden, sie handeln von Schach, Samurai-Symbolik, von biblischen Gleichnissen, Religion, der »Ilias« oder anderen Mythen. Die Musik ist sparsam, er verwendet besondere Samples, mitunter geradezu müde Loops, sich quälende Beats, kaum Drums. Klassischer Hip-Hop, keine Frage, aber im Mittelpunkt stehen seine drängenden, häufig melancholischen Lyrics – ausdrucksstarke Texte, die von Verletzungen der Kindheit ebenso berichten wie von einem Leben in Verhältnissen, die wenig veränderbar scheinen. »Fuck this place! But it’s my only home, it’s all I’ve known« (»My Only Home«).
Am 12. Oktober ist KA im Alter von nur 52 Jahren gestorben. El-P vom Duo Run the Jewels schrieb auf X: »If i seem like i’m at a loss for words it’s because Ka took all the good words with him.« (»Wenn es so wirkt, als ob mir die Worte fehlen, dann liegt das daran, dass Ka all die guten Worte mitgenommen hat«). Alles, was Kaseem Ryan tat, verstand er als Dienst an der Gesellschaft – sei es als Feuerwehrmann, sei es als Rapper. Unsere Erde wäre ein besserer Platz, gäbe es mehr Menschen wie ihn.
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