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Klimaschutz: Shell muss Schadstoffe doch nicht reduzieren
Den Haag: Nach mehreren Verhandlungsjahren entscheidet Gericht in Klimaschutzprozess zugunsten des Ölkonzerns
Shell könne unmöglich den hochgesteckten Zielen der klagenden Umweltorganisation Milieudefensie nachkommen, so lautet das Urteil des Haager Berufungsgerichts. Zudem sei unklar, ob es sich bei den Forderungen um eine effiziente Methode handele, dem Klimawandel entgegenzuwirken. Demnach muss das Unternehmen keine verpflichtenden Maßnahmen ergreifen, um seinen CO2-Ausstoß zu reduzieren.
2018 brachte die niederländische Umweltorganisation Milieudefensie das Unternehmen vor Gericht. Drei Jahre danach, 2021, urteilte schließlich ein Gericht in Den Haag zugunsten der Kläger. Die Auflage: Shell muss bis 2030 die eigenen Kohlendioxidemissionen um 45 Prozent reduzieren, im Vergleich zum Jahr 2019. Das Unternehmen war daraufhin in Berufung gegangen.
Nach Angaben von Milieudefensie ist Shell als Unternehmen für höhere Kohlendioxidwerte verantwortlich als ganze Länder. Auf ihrer Webseite erklärt die Organisation, dass das Unternehmen den achtfachen Wert der Niederlande erreiche und 2,7 Prozent der Emissionen der ganzen Welt produziere. Milieudefensie beruft sich auf einen Report der Internationalen Energieagentur. Da mittlerweile bekannt ist, dass Kohlendioxidemissionen ein entscheidender Faktor im Klimawandel sind, stützte Milieudefensie ihre Klage auf die »unrechtmäßige Gefährdung« von Menschenleben.
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Die Unternehmensseite hielt dagegen, dass das niederländische Gesetz aktuell noch kein Verbot von Kohlendioxidemissionen beinhalte. Ferner gebe es keine Vorgaben in der niederländischen Gesetzgebung, die einzelne Unternehmen verpflichtet, ihre Emissionen um 45 Prozent bis Ende 2030 zu reduzieren.
Nicht Shell allein verpflichten
Zu Beginn des neuen Prozesses hatte es so ausgesehen, als könnte das Urteil wieder zugunsten der Klägerin Milieudefensie ausfallen. Das Gericht bekräftigte, dass der Schutz vor dem Klimawandel ein Menschenrecht sei. »Es sind gerade die Produkte von Unternehmen wie Shell, die ein Klimaproblem geschaffen haben«, so das Gericht. Shell sei verpflichtet, mehr gegen den Klimawandel zu tun, als es das Gesetz vorschreibe.
Allerdings soll dies ohne konkrete gerichtliche Auflagen geschehen. Denn allein Shell zu verpflichten, den Verkauf von Öl und Gas zu stoppen, um Emissionen einzusparen, sei sinnlos. Diese Lücke würde von der Konkurrenz sofort wieder gefüllt werden. »Es ist unwahrscheinlich, dass die fossilen Brennstoffe den Endverbraucher nicht trotzdem erreichen. Es ist möglich, dass das Öl und Gas über andere Zwischenhändler verkauft wird«, so das Gericht.
Zudem äußerte die Vorsitzende Richterin Carla Joustra die Sorge des Gerichts, dass eine mögliche Reduzierung von Erdgas zu einem weltweiten Anstieg der Nutzung von Kohle führen könnte. Das sei noch schlechter für das Klima. Weiter tue Shell bereits, was Milieudefensie fordere, so die Einschätzung des Gerichts.
Das Urteil führte bei der klagenden Partei zu emotionalen Reaktionen. Vertreterinnen und Vertreter der Umweltschutzorganisation brachen im Saal in Tränen aus.
Im Falle eines Sieges im Gerichtsprozess hatte Milieudefensie Pläne bekannt gemacht, künftig weiter gerichtlich gegen große Unternehmen, wie etwa die Bank ING, vorzugehen. In den sozialen Medien gibt sich die Organisation weiterhin motiviert: Der Kampf gegen derartige Großkonzerne gehe sicher weiter. Ohne deren Mitarbeit sei der Klimawandel nicht aufzuhalten. Beide Seiten hatten vorab angekündigt, im Fall einer Niederlage in Revision gehen zu wollen.
Weltweit einzigartiger Fall
Nach Angaben von Juristinnen und Juristen ist dieser Fall weltweit einzigartig. Bereits im Jahr 2015 hatte eine andere niederländische Umweltorganisation vor Gericht gewonnen, mit einer Klage gegen den Staat und dessen Kohlendioxidausstoß. Dies hatte auch international ähnliche Fälle nach sich gezogen. Im Fall von Shell geht es nicht um einen Staat, sondern um einen Konzern – was noch mehr Möglichkeiten für internationale Klagen biete.
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