Neukölln: Leerstand im Luxusbau

Der Bezirk droht einem Vermieter Zwangsgeld an, sollte er seine Wohnungen nicht bis Ende des Jahres vermieten

Thront teilweise leerstehend über Neukölln: »Haus Ruth« im Wohnpark St. Marien
Thront teilweise leerstehend über Neukölln: »Haus Ruth« im Wohnpark St. Marien

Die Wohnungen im Wohnpark St. Marien sollten eigentlich gefragt sein. Die 2023 fertiggestelltem Wohnungen an der Silbersteinstraße in Neukölln sind sehr gut angebunden. Ein Supermarkt liegt direkt gegenüber, das Tempelhofer Feld, der Emmauswald und die S-Bahn-Haltestelle Hermannstraße sind fußläufig erreichbar. Für die autoaffineren Mieter*innen gibt es sogar eine Tiefgarage. Trotzdem stehen dort zahlreiche Wohnungen leer.

Laut Homepage des Vermieters, der Katholischen Wohnungsbau- und Siedlungsgesellschaft »Petruswerk«, sind in einem der Gebäude ganze 24 Wohnungen unbewohnt. Alle befinden sich im »Haus Ruth« genannten Wohnturm mit 21 Stockwerken. Und der Leerstand ist nichts Neues: Schon Anfang 2024 berichteten mehrere Medien über den Zustand.

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Wohnungsnot in Berlin, beste Lage in Neukölln – warum findet sich niemand, der in den schmucken Neubau einziehen will? Es dürften wohl die geforderten Mietpreise sein, die wohnungssuchende Berliner*innen abschrecken. Für eine rund 80 Quadratmeter große Dreizimmerwohnung im zweiten Stock sollen Mieter*innen rund 1691 Euro Kaltmiete zahlen. Das sind 21 Euro pro Quadratmeter. Im 17. Stockwerk werden schon 27 Euro gefordert. Und eine Vierzimmerwohnung im 18. Stock kostet 3310 Euro kalt, ganze 28 Euro pro Quadratmeter.

Wie das »Facetten-Magazin Neukölln« berichtet, hat nun der Bezirk Neukölln genug vom andauernden Leerstand. Der Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) teilte auf Anfrage einer Bezirksverordneten der Linken mit, dass schon am 30. September »Zuführungsanordnungen mit Zwangsgeldandrohungen« erlassen wurden. Grundlage ist das Zweckentfremdungsgesetz. Wenn das Petruswerk bis Januar 2025 keine Mietverträge für die noch leerstehenden Wohnungen nachweisen kann, könnten 5000 Euro pro Wohnung an Zwangsgeld fällig werden. »Sofern das Zwangsgeld tatsächlich erhoben wird, kann bei ausbleibender Zuführung der leerstehenden Wohnungen ein weiteres Zwangsgeld, dann in Höhe von 10 000 Euro, angedroht werden«, teilt Christian Berg, Pressesprecher des Bezirks, auf nd-Anfrage mit.

Im Extremfall können leerstehende Wohnungen treuhänderisch zwangsvermietet werden. Das beabsichtige der Bezirk aber nicht, so Berg weiter. »Das
Bezirksamt geht grundsätzlich davon aus, dass die Eigentümerin ein hohes
Eigeninteresse an der Vermietung des fertigen Neubaus hat.« In Neukölln sei kein weiterer Fall von leerstehenden Neubauten bekannt. »Meist handelt es sich bei Leerständen um spekulativen Leerstand von Bestandsbauten mit dem Ziel einer Gewinnmaximierung durch Verkauf der Wohneinheiten«, so der Sprecher. Diese ahnde der Bezirk systematisch mit Bußgeldern. 2023 seien in 1231 Fällen insgesamt 425 384 Euro wegen Zweckentfremdung erhoben worden. »Dort sind allerdings auch Zweckentfremdungen wegen Ferienwohungen, AirBnB und so weiter enthalten«, erklärt Berg. Laut Senatsangaben wurden 2023 in Neukölln 342 Amtsverfahren wegen Leerstand eingeleitet.

»Jede Wohnung, in der der Preis erhöht wird, führt zu Verdrängung.«

Carla Aßmann (Linke)
Fraktionsvorsitzende BVV Neukölln

Carla Aßmann, Fraktionsvorsitzende der Linken in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Neukölln, begrüßt das vom Bezirk eingeleitete Verfahren wegen des Wohnparks St. Marien. Sie bemängelt aber das träge Handeln des Bezirksamtes. »Das Bezirksamt wurde nicht alleine tätig, sondern musste mehrfach von uns aufgefordert werden«, sagt sie im Gespräch mit »nd«. Das Problem von Leerstand von hochpreisigem Wohnraum sei aber nicht auf den Wohnpark St. Marien beschränkt. »In Neukölln alleine gibt es zahlreiche weitere Beispiele«, sagt sie. Wenn man durch den Bezirk laufe oder sich auf Wohnungsportalen umschaue, stoße man immer wieder auf lange leerstehende teure Wohnungen. »Das kann sich niemand leisten«, so die Fraktionsvorsitzende.

Gleichzeitig führe jede Wohnung, in der der Preis erhöht wird, zu Verdrängung, so die Linke-Politikerin. Einkommensschwache Mieter*innen könnten sich dann im Bezirk keine Wohnung mehr leisten. »Die falsche Erzählung ist ja: Das regelt der Markt«, sagt Aßmann. Wenn Eigentümer eine Wohnung nicht vermietet bekämen, dann senkten sie die Miete nicht. Stattdessen ließen sie die Wohnungen leerstehen in der Hoffnung, sie doch teuer vermieten zu können. Auch im Neubau seien Luxuswohnungen ein Problem. »Im Wohnpark St. Marien werden nicht aktiv Leute rausgeschmissen. Aber dort steht kein günstiger Wohnraum zur Verfügung.« Und genau solcher fehle nicht nur in Neukölln, sondern in ganz Berlin. Das Petruswerk reagierte nicht auf eine nd-Anfrage.

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