Wunderrabbi

Es ist schon ein Wunder, wenn sich Wunder ereignen, aber noch ein größeres, wenn jemand dran glaubt

Verwandlungen von einem Tier in ein anderes scheinen zum Repertoire rabbinischer Wunder zu gehören.
Verwandlungen von einem Tier in ein anderes scheinen zum Repertoire rabbinischer Wunder zu gehören.

Die Rabbiner vollbringen viele Wunder. Und unser Rabbi vollbringt sogar noch mehr als viele.

Schon ein einziges Wunder zu vollbringen, ist eigentlich unmöglich. Um wie viel unmöglicher ist es dann erst, zahlreiche Wunder zu vollbringen! Unser Rabbi aber vollbringt sogar noch mehr Wunder, als zu vollbringen ohnehin unmöglich ist. Und das an sich ist wiederum ein noch größeres Wunder.

Ein noch größeres Wunder ist allerdings: Unser Rabbi vollbringt auch viele Wunder, ohne dass sie sich überhaupt vollziehen. Wie das geht? Nu, wenn sich ein Wunder nicht vollzieht, unser Rabbi es aber dennoch vollbringt, dann ist das doch wohl noch wunderbarer, weil das ja noch viel unmöglicher ist, nämlich vollkommen.

Ezzes von Estis

Alexander Estis, freischaffender Jude ohne festen Wohnsitz, schreibt in dieser Kolumne so viel Schmonzes, dass Ihnen die Pejes wachsen.

Ein wiederum noch größeres Wunder ist allerdings: Unser Rabbi vollbringt so viele Wunder, dass es sogar ein noch größeres Wunder wäre, würde er mal keine vollbringen. Deshalb vollbringt er gerade dann auch Wunder, wenn er keine vollbringt – was er, wie gesagt, niemals könnte.

Aber ich erwarte von keinem, das zu verstehen, ich erwarte es von keinem und sogar von niemandem, denn Wunder kann man überhaupt nicht verstehen. Wunder sind ganz und gar unbegreiflich. Könnte man sie begreifen, wären es keine Wunder, deshalb solltet ihr davon ausgehen, dass ihr gerade die höchsten Wunder am wenigsten verstehen würdet, während ihr die einfachen Wunder nur einfach nicht versteht. Allerdings gibt es keine einfachen Wunder, sondern ein jedes Wunder ist unbegreiflich.

»Stell Dir vor, unser Rabbi wurde einmal von einem tollwütigen Hund angegriffen! Aber unser Rabbi verwandelte den Hund in eine Maus, und die Maus huschte ins Gebüsch.«

»Oj-oj! Das ist doch noch gar nichts! Unseren Rabbi überfiel einmal ein wilder Wolf! Aber unser Rabbi verwandelte ihn in eine weiße Taube, und die Taube flog davon.«

»Oj-oj! Das ist doch alles gar nichts, und zwar beides! Unser Rabbi spielte einmal mit einem zahmen Kätzchen… und das Kätzchen wollte ihn kratzen! Aber unser Rabbi verwandelte das Kätzchen in einen riesigen Löwen, und der Löwe legte sich zahm zu seinen Füßen.«

Man soll seine Nase nicht in fremde Wunder stecken. Wie gesagt, versteht man Wunder ohnehin nicht, aber ein fremdes Wunder versteht man noch weniger, selbst wenn es sich vor eurer Nase vollzieht.

Man soll also seine Nase nicht in fremde Wunder stecken. Schließlich steckt ja auch niemand seine Nase in fremde Wunden, außer vielleicht so ziemlich alle. Wenn man etwas eigentlich nicht macht, dann ist es eben kein Wunder, wenn es trotzdem alle machen.

Eher wäre es ein Wunder, wenn alle ihre Nase nirgends reinstecken würden als dorthin, wo sie hingehört. Zum Beispiel in ein Buch. In ein Buch, in dem zum Beispiel die Wunder geschildert sind, die sich ereigneten oder an die zumindest jemand geglaubt hat oder vielleicht sogar beides – was aber ein Wunder wäre.

Denn es ist ja schon ein Wunder, wenn sich Wunder ereignen, aber es ist ein noch größeres Wunder, wenn jemand auch noch dran glaubt. Dran glauben muss bei einem Wunder allerdings immer jemand, sonst ist es kein richtiges Wunder.

»Unser Rabbi vollbringt Wunder von Sonntag bis Freitag!«

»Warum sollte ich daran glauben?«

»Bist du meschugge, wann sollte er sonst Wunder vollbringen – etwa am Schabbes?«

Ach, ich könnte tagelang erzählen von den Wundern, die unser Rabbi vollbringt! Aber ich bin ja kein Wunderrabbi, deshalb kann ich nicht tagelang erzählen. Der Wunderrabbi hingegen könnte tagelang erzählen, aber dann wäre er kein Wunderrabbi mehr.

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