Anschlagspläne gegen Lula und die Demokratie

Polizei in Brasilien verhaftet der Vorbereitung eines Putsches Ende 2022 verdächtige Militärs aus dem Umfeld von Ex-Präsident Jair Bolsonaros

Der Fan der Militärdiktatur Jair Bolsonaro hatte als Präsident von Brasilien immer wieder Drohungen gegen politische Gegner und das Oberste Gericht ausgesprochen.
Der Fan der Militärdiktatur Jair Bolsonaro hatte als Präsident von Brasilien immer wieder Drohungen gegen politische Gegner und das Oberste Gericht ausgesprochen.

Die Ermittlungen der Behörden zu einem versuchten Staatsstreich haben eine neue Dimension der Pläne von Rechtsextremisten zur Zerschlagung der Demokratie in Brasilien offengelegt. Am Dienstag vollstreckte die brasilianische Bundespolizei Haftbefehle gegen vier Offiziere einer »Kids pretos« genannten Spezialeinheit des Militärs und einen Polizisten und ließ ihre Wohnungen durchsuchen. Der Verdacht lautet auf Bildung einer kriminellen Vereinigung mit dem Ziel, den gewählten Präsidenten Lula da Silva und seinen Vize-Präsidenten Geraldo Alckmin (PSB) vor ihrem Amtsantritt zu ermorden sowie den Richter am Obersten Gerichtshof, Alexandre de Moraes, festzunehmen und hinzurichten.

Ende 2022 lag ein Putsch im größten Land Südamerikas in der Luft. Nach dem Sieg des Kandidaten der Koalition um die linke Arbeiterpartei (PT) bei der Präsidentschaftswahl im Oktober 2022 hatte Jair Bolsonaro erkennbar versucht, eine Übergabe der Macht an Luiz Inácio Lula da Silva zu verhindern. Die Aufwiegelung rechter Fanatiker mit der Lüge von der gestohlenen Wahl mündete am 8. Januar 2023 in der Verwüstung von Regierungsgebäuden in Brasília durch Bolsonaro-Anhänger, nach dem Vorbild des Washingtoner Kapitol-Sturms der Trumpisten.

Allerdings war die Resonanz in der Bevölkerung auf die Versuche, die Gesellschaft zu destabilisieren und einen Vorwand für eine Intervention des Militärs zu schaffen, das von 1964 bis 1985 in Brasilien diktatorisch regiert hatte, nach vier Jahren Bolsonaro insgesamt nicht sehr groß. Kurz vor der Amtsübergabe an Lula und den Ausschreitungen seiner Anhänger in Brasília hatte Bolsonaro das Land verlassen und im US-Bundesstaat Florida den Gang der Ereignisse abgewartet.

Ranghöchster im Bunde der nun Verhafteten ist der Brigadegeneral der Reserve Mario Fernandes, der unter Bolsonaro die zweithöchste Funktion im Generalsekretariat des Präsidialamtes inne und bis 2020 die »Kids pretos« kommandiert hatte. Nach Bolsonaros Abwahl wirkte Fernandes als Bolsonaros Verbindungsmann zu den vor den Kasernen einen Putsch fordernden rechten Demonstranten.

Zuletzt war der General im brasilianischen Unterhaus als Mitarbeiter eines Abgeordneten der rechtsextremen Liberalen Partei (PL) tätig, bis er im vergangenen März wegen der gegen ihn laufenden Ermittlungen durch Richter de Moraes aus dieser Funktion entfernt wurde. Nach Bolsonaros Wahlniederlage soll Fernandes den Heereschef Freire Gomes zur Beteiligung an einem Putsch gedrängt haben: »Jetzt oder nie, Kommandant, wir müssen handeln«, lautet eine der von den Ermittlern entdeckten Nachrichten, mit denen Fernandes Mitverschwörer an der Spitze des Militärs zu gewinnen suchte.

Im vergangenen Februar waren im Rahmen der Operation »Tempus Veritatis« der Bundespolizei mit Durchsuchungen und Verhaftungen Details der Putschvorbereitungen ans Licht gekommen, die Ex-Präsident Jair Bolsonaro und dessen engsten Kreis belasten. Dazu gehört der Entwurf eines von Bolsonaro persönlich bearbeiteten Dekrets, das eine Annullierung der Präsidentschaftswahl und die Verhängung des Ausnahmezustands vorsah. Ins Visier nahmen die Ermittler neben Bolsonaros letztem Justizminister Anderson Torres die Generäle Augusto Heleno, Ex-Chef des Sicherheitskabinetts, die beiden Ex-Verteidigungsminister Walter Braga Netto und Paulo Sérgio Nogueira sowie mehrere enge Berater des Ex-Präsidenten. Dessen Adjutant Mauro Cid war bereits 2023 festgenommen worden und belastet mit seinen Aussagen die verhinderten Putschisten schwer.

Sichergestellt haben die Ermittler bei General Fernandes ein Dokument mit der »operativen Planung« der Operation »Grün-gelber Dolch« zur Ermordung der neuen Staatsführer und des damaligen Vorsitzenden des Obersten Gerichtshofes.

Durchgeführt werden sollten die Anschläge am 15. Dezember 2022, drei Tage nachdem Lula offiziell als designierter Präsident bestätigt worden war. Die Zielpersonen und deren Sicherheitsvorkehrungen wurden demnach bereits seit der Entscheidung in der zweiten Runde der Präsidentschaftswahl ausgespäht. Vorausgegangen war ein Treffen Eingeweihter bei General Braga Netto. Zur Ausführung der Taten führt der Plan ein Arsenal aus Pistolen, Gewehren sowie einen Granatwerfer auf. Für den Mord an Lula, der mit dem Codenamen »Jeca« bezeichnet wird, sollte eine Möglichkeit gefunden werden, ihn zu vergiften. Nach den Aktionen sollte ein Notstandskabinett eingesetzt werden.

Laut Bundespolizei wurde das Dokument ein erstes Mal am 9. November 2022 von Fernandes an seinem Arbeitsplatz im Planalto-Palast ausgedruckt, ein weiteres Mal am 6. Dezember, zu einem Zeitpunkt, als sich dort auch der bereits abgewählte Präsident Bolsonaro aufhielt. Belegt ist ein persönliches Treffen der beiden zwei Tage später in der Präsidentenresidenz Palácio da Alvorada. Nach den neuen Enthüllungen wird die Luft für Bolsonaro immer dünner.

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