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Gegen den sozialen Kahlschlag
Die Haushaltskürzungen im sozialen Bereich treiben Hunderte Menschen auf die Straße
Es ist laut am Anhalter Bahnhof. Am Donnerstagmorgen sind zahlreiche Berliner*innen auf den Beinen, um unter dem Motto #unkürzbar gegen die Haushaltskürzungen in der Kinder- und Jugendarbeit zu protestieren. Mit Trillerpfeifen, Ratschen und Parolen machen sie ihrem Ärger Luft. Gekommen sind Sozialarbeiter*innen verschiedenster Träger und etliche Jugendliche. Viele haben Schilder dabei. »Kürzt an den Waffen, nicht an den Kindern« steht auf einem.
Eine der Demonstrant*innen ist Aliye, die als Stadtteilmutter in einem Familienzentrum der Bethania Diakonie in Wedding arbeitet. Sie demonstriert, um die Arbeitsplätze im Zentrum zu erhalten. »Die Arbeit, die wir machen, ist absolut notwendig«, sagt sie im Gespräch mit »nd«. Man arbeite mit Familien und Kindern, unterstütze Geflüchtete und Migrant*innen. »Dass es dafür kein Geld geben soll, ist unvorstellbar.«
Die Unsicherheit darüber, ob sie ihre Arbeit weitermachen kann, ist für Aliye nicht neu. Im vergangenen Jahr stand die Förderung schon einmal auf der Kippe, konnte dann aber doch noch gesichert werden. Die Stadtteilmutter fordert, dass die Arbeit nicht nur jährlich finanziert wird. »Damit sie langfristig unkürzbar bleibt.«
»Wir sind als Anlaufstelle wichtig, wenn es die nicht mehr gibt, wo sollen die Jugendlichen dann hin?«, fragt Gelaal Zaher von der Jugendeinrichtung Karame e. V., die offene Jugendarbeit in Moabit anbietet. Wenn bei Karame Stellen gekürzt würden, dann könnten die notwendigen Angebote nicht mehr gemacht werden, sagt der Sozialarbeiter zu »nd«. Er ist überzeugt, dass es notwendig wäre, mehr Geld in die Jugendsozialarbeit zu stecken, statt zu sparen.
Die Demo läuft vom Anhalter Bahnhof zum Abgeordnetenhaus, in dem zur gleichen Zeit die Haushaltskürzungen diskutiert werden. Die Polizei teilt mit, dass 1300 Leute auf der Straße sind. »Richtig stark dafür, dass es ein Donnerstag und Arbeitszeit ist«, sagt Fabian Schmidt-Vidović aus dem Vorstand Kinder-, Jugendhilfe und Sozialarbeit der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Berlin ins Mikrofon. Das zeige, dass die Not riesig sei, sagt der Gewerkschafter zu »nd«. »Die Sozialarbeiter*innen sind komplett verunsichert. Teilweise müssen sie sich schon beim Arbeitsamt melden, weil ihre Verträge auslaufen.« Und die Kinder hätten natürlich Sorge, dass ihre Jugendzentren nicht mehr da sein werden.
Schmidt-Vidović bereitet auch die langfristige Perspektive der Kinder- und Jugendarbeit Sorgen. »Was an der sozialen Infrastruktur jetzt weggespart wird, das kann man nicht einfach wieder aufbauen«, sagt er, auch wenn das Geld später wiederkommen sollte. Mit Blick auf den Fachkräftemangel erklärt der Sozialarbeiter: »Leute, die jetzt nicht mehr im sozialen Bereich arbeiten können, die ziehen weg oder machen Umschulungen.«
»Im Gegensatz zum Senat denken wir an die Zukunft«, sagt Schmidt-Vidović und meint damit auch den nächsten Haushalt 2026. Man wolle jetzt Druck machen, damit der Senat weiß, dass er nicht so weitermachen kann. »Wir sind alle gerne in unserem Beruf und machen das mit Herzblut. Dass das jetzt einfach nonchalant weggekürzt wird, ist ein Schlag ins Gesicht für die Menschen.«
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