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Pistorius: Für ein kriegstüchtiges Europa
Pistorius empfängt Amtskollegen aus vier europäischen Nato-Ländern
Über »Maßnahmen zur Stärkung der Sicherheit und Verteidigung in Europa« hat Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) am Montag in Berlin mit seinen Amtskollegen aus Frankreich, Großbritannien, Polen und Italien beraten. Das Treffen hatten Pistorius und der französische Verteidigungsminister Sébastien Lecornu vor knapp drei Wochen nach einer bilateralen Unterredung in Paris angekündigt.
Strategien zum Umgang mit der im Januar anstehenden Amtsübernahme des zum zweiten Mal gewählten US-Präsidenten Donald Trump waren Hauptinhalt des Gesprächs von Pistorius und Lecornu mit John Healey (Großbritannien), Wladyslaw Kosiniak-Kamysz (Polen) und Guido Crosetto (Italien). Trump hat die europäischen Staaten bereits aufgefordert, ihre Militärausgaben wesentlich zu erhöhen.
Auch der Umgang mit dem Einsatz einer »für ganz Europa gefährlichen neuen russischen Mittelstreckenrakete gegen die Ukraine« spielte eine große Rolle bei dem Treffen in Berlin. Die Waffe namens Oreschnik hatte die russische Armee vergangenen Donnerstag auf eine Rüstungsfabrik im ukrainischen Dnipro abgeschossen. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte anschließend erklärt, dies sei eine Reaktion auf den Einsatz erster ATACMS-Raketen aus US-Produktion und britischer Marschflugkörper »Storm Shadow« gegen Militärziele in Russland gewesen.
Der Militärexperte Thomas Wiegold schrieb in seinem Onlinemagazin »Augen geradeaus«, die Oreschnik-Rakete sei »offenbar nicht mit Sprengstoff beladen« gewesen. Putin bezeichnete deren Einsatz als »gelungenen Test«. Er kündigte an, die Raketen werde in Kürze in Serie produziert. Oreschnik fliegt Putin zufolge mit Hyperschallgeschwindigkeit und soll deshalb unerreichbar für Flugabwehrsysteme sein.
Wegen des Einsatzes der neuartigen russischen Mittelstreckenrakete wird an diesem Dienstag in Brüssel auch der Nato-Ukraine-Rat tagen.
Das Berliner Treffen der fünf Verteidigungsminister am Montag ist indes auch Teil der seit Jahren laufenden Koordinierungsprozesse bei der Aufrüstung Europas über die EU-Grenzen hinaus. Dies hob die Forschungsgruppenleiterin für Sicherheitspolitik der Stiftung Wissenschaft und Politik, Claudia Major, am Montag im Deutschlandfunk hervor. Die Nato sei und bleibe das in konkreten Bedrohungslagen wichtigste Bündnis, sagte die Regierungsberaterin und stellte die Bedeutung von Nato-Staaten wie der Türkei und Norwegen heraus, die nicht Mitglieder der EU sind. Demgegenüber bestehe die Bedeutung der EU vor allem in der Koordination von Aufträgen an die europäische Rüstungsindustrie.
Nach dem Treffen mit Frankreichs Verteidigungsminister Lecornu am 6. November in Paris hatte Pistorius gemahnt: »Wir müssen unsere Souveränität und Geschlossenheit stärken und Egoismen zurückstellen.« Die »Freiheit aller Europäer« hänge »davon ab, wie wir in der Lage und willens sind, sie zu verteidigen«. Angesichts dessen, dass sich die USA künftig voraussichtlich weniger um die konventionelle Verteidigung Europas kümmern werden, dürfe Europa sich »keine Fähigkeitslücke erlauben«, so Pistorius. »Es geht um die Verteidigungsfähigkeit und Kriegstüchtigkeit unserer Streitkräfte.«
Lecornu betonte die Notwendigkeit, die europäische Verteidigungsindustrie zu stärken und Europa weiter aufzurüsten. Die Abschreckung werde durch Schiffe, Flugzeuge und Truppen erreicht. Dazu müssten die französische und deutsche Verteidigungsindustrie stärker verzahnt werden.
Mit Großbritannien hatte die Bundesrepublik kürzlich eine neue Verteidigungsvereinbarung geschlossen. Pistorius und sein Kollege Healey unterzeichneten die »Trinity House Vereinbarung« am 23. Oktober in London. In dem Abkommen werden konkrete Rüstungsprojekte »in allen Dimensionen«, also zu Land, zur Luft und auf See sowie im Weltraum und in der Cyberkriegführung aufgelistet. Weiter wird eine engere Zusammenarbeit beider Länder im Rahmen der Nato-Präsenz im Baltikum festgeschrieben. Der am Freitag beendete Besuch des britischen Flugzeugträgers »HMS Queen Elizabeth« in Hamburg ist nach Angaben der Deutschen Marine ein »sichtbares Zeichen der Umsetzung der Trinity House Vereinbarung«.
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