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Northvolt: Wackelnde Traumfabrik
In Schleswig-Holstein wachsen Zweifel an der geplanten Batteriezellfertigung von Northvolt
Überschwänglich feierte man in Schleswig-Holstein vor gut zwei Jahren die Zusage für den Bau einer milliardenschweren Batteriezellenfabrik in Heide (Landkreis Dithmarschen). Auch die Bundesregierung klopfte sich ob dieses Coups auf ihre Schultern. 139 andere Standort-Konkurrenten aus ganz Europa konnte die strukturschwache Region zwischen Steinburg und Nordfriesland ausstechen. 3000 Stellen sollen durch die größte Industrieansiedlung seit Jahrzehnten im nördlichsten Bundesland geschaffen werden – 8000 Stellengesuche sind bereits eingegangen. Doch nun könnte die angekündigte Gigafabrik zu einem Megaflopp werden, denn das umgarnte Unternehmen Northvolt aus Schweden hat finanzielle Probleme.
5,8 Milliarden Dollar Schulden hat der Batteriehersteller zu stemmen. Um Zeit zu gewinnen, haben die Schweden nun in den USA Gläubigerschutz nach Chapter 11 des US-Insolvenzrechtsgesetzes beantragt. Das soll es ermöglichen, die Geschäfte eigenständig weiterzuführen und sich neues Kapital für eine Sanierung zu besorgen. Ob das gelingt, ist zweifelhaft angesichts der Negativschlagzeilen über das erst vor acht Jahren gegründete Unternehmen, für das es dank des Höhenflugs der Elektromobilität zunächst nur bergauf ging.
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So wie sich der Markt in Europa in einer Flaute befindet, steckt Northvolt jetzt im Krisenmodus. Hinzu kommen bekannt gewordene Unfälle mit giftigen Chemikalien am heimischen Fertigungsort Skelleftea, die Defizite beim Arbeitsschutz offenbaren. Dazu gesellen sich Fabrikationsfehler und stornierte Aufträge, darunter einer von BMW in Höhe von zwei Milliarden Euro. Nun sollen 1600 Stellen an drei Standorten in Schweden gestrichen werden. Die aktuellen Northvolt-Turbulenzen gipfelten vergangenen Freitag im Rücktritt von Konzernchef Peter Carlsson, einem ehemaligen Tesla-Manager.
Auch die Euphorie im deutschen Norden ist mittlerweile verflogen und Zweifeln gewichen. Droht die geplante Ansiedlung nun noch zu platzen?
Dort, wo in diesem März Bundeskanzler Olaf Scholz und Wirtschaftsminister Robert Habeck noch per Wurf mit der regionaltypischen Boßelkugel den Baubeginn zelebrierten, ist bisher noch nichts erkennbar, was einmal einem Fabrikgebäude ähneln könnte. 110 Hektar umfasst das große Areal. Northvolt-Deutschland-Chef Christofer Haux erklärte, der Start der Zellmontage an der Westküste in Schleswig-Holstein verschiebe sich lediglich um ein Jahr von 2026 auf 2027. Bei den Planungen werde man keine Abstriche machen. Und zu anderen Bedenken äußerte Haux: »Northvolt Germany hat bisher noch keine Fördergelder in Anspruch genommen und will dies auch bis zum Abschluss der Chapter-11-Sanierung nicht.«
Auf solche Aussagen achtet Schleswig-Holsteins Landespolitik besonders genau. Nach dem Engagement bei der HSH Nordbank, bei dem im Zuge der Finanzkrise große Mengen Steuergeld verbrannt wurden, will man vorsichtiger agieren. Seit nunmehr einem Jahr liegt der Förderbescheid für die Schweden vor: Northvolt wird mit rund 700 Millionen Euro subventioniert, wovon das Land 137 Millionen übernimmt. Noch hat man in Kiel nicht geklärt, ob die fraktionsübergreifend einstimmig bewilligten Fördermittel aus dem laufenden Haushalt gedeckt werden sollen, aus einem Sondervermögen oder einem Notkredit wegen des Ukraine-Krieges. Die Zulässigkeit letzterer Möglichkeit wird auf Betreiben der oppositionellen SPD und FDP aber gerade durch das Landesverfassungsgericht geprüft.
Über eine Wandelanleihe hat man in Abstimmung mit dem Haushaltsausschuss des Bundestages Northvolt den Zugriff auf 600 Millionen Euro von der Kreditanstalt für Wiederaufbau zugesagt. Besonderheit: Die Rückzahlung kann auch in Form gezeichneter Aktien erfolgen, deren Wertverlust im aktuellen Fall denkbar ist. Für 300 Millionen Euro hat das Land Schleswig-Holstein die Bürgschaft übernommen. Die FDP kommuniziert als erste Partei offen, dass sie bei dem Northvolt-Deal mit Verlusten rechnet.
Unklar ist auch, welche Rolle Volkswagen als größter Northvolt-Aktionär mit mehr als 20 Prozent Anteil spielen wird. Ursprünglich wollte VW seine Stromer-Flotte mit Batterien aus Dithmarschen bestücken. Hohe Abschreibungen auf die Northvolt-Anteile würden zu den aktuellen Problemen von Europas größtem Autobauer passen. Als ein erster Rettungsanker für Northvolt gilt allerdings dies: ein 100-Millionen-Euro-Darlehen des schwedischen Lkw-Herstellers Scania, einem Tochterunternehmen von Volkswagen.
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