Systemfrage Bürgergeld

Sarah Yolanda Koss über die Demagogie in der Debatte um die Sozialleistung

Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder auf Mission gegen das Bürgergeld
Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder auf Mission gegen das Bürgergeld

Über die Zukunft zu reden, ist der beste Vorwand, sich vor der Gegenwart zu drücken, soll Mark Twain einmal gesagt haben. Nun, in Gesprächen mit Mitarbeiter*innen von Erwerbsloseninitiativen geht es derzeit kaum noch um den Status quo im Bürgergeld. Sie malen stattdessen albtraumhafte Zukunftsszenarien des drohenden »Systems Merz-Linnemann« an die Wand.

Denn CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann will Sozialleistungen für arbeitsfähige Menschen ohne Anstellung grundsätzlich abschaffen. Dass der Staat das laut Bundesverfassungsgericht gar nicht darf, scheint ihm irrelevant. Den CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz wiederum erinnert das Bürgergeld zu sehr an das Grundeinkommen. Dass die Sozialleistung mit ihren Voraussetzungen und Sanktionen alles andere als bedingungslos ist: ebenfalls egal.

Jetzt reitet auch noch Kreuzritter Markus Söder vom Watzmann herab und fordert eine Bürgergeldreform als Bedingung für eine Mindergroße Koalition mit der SPD. Und verbreitet noch ein paar zusätzliche Unwahrheiten (die Bürgergeldausgaben seien so hoch wie der Verteidigungsetat, schön wär’s).

Was die schwarzen Funktionäre versuchen, ist, die Debatte so weit wie möglich nach rechts zu verschieben. Darüber darf nicht vergessen werden, dass bereits der Status quo ein jämmerlicher ist. Die Nullrunde im Herbst, obwohl die Bezüge längst nicht mehr ausreichten, der neue Höchststand bei der Einkommensungleichheit oder die Pläne zu mehr Sanktionen im Wachstumspaket sprechen für sich. In den nächsten Monaten wird es deshalb auf progressiver Seite darum gehen, sich gar nicht erst auf den CDU-Handel einzulassen, sondern zu betonen: Bürgergeld-Reform, ja. Aber für ein System »Echter Sozialstaat«.

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.