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Kater nach dem »Black Friday«
Die Verbraucherzentrale warnt vor fragwürdigen Angeboten am Kaufrauschtag
Die Uhr im Internet tickt. Sie zählt seit Monaten die Sekunden, Minuten, Stunden bis zum »Black Friday« an diesem Freitag. Einige Online-Plattformen und Einzelhandelsgeschäfte konnten es gar nicht erwarten und erklärten gleich die ganze Woche zur »Black Week«. Und dann folgt am kommenden Montag auch noch der »Cyber Monday«. Allen Anbietern gemeinsam ist: Sie versprechen tolle Angebote und starke Rabatte, um das Weihnachtsgeschäft anzukurbeln. Amazon macht Werbung mit bis zu 40 Prozent Rabatt, Otto verspricht mindestens 40 Prozent und die Modemarke Shein bis zu 70 Prozent. Einige stationäre Händler bieten ähnlich hohe Nachlässe.
Das Online-Preisvergleichsportal Guenstiger.de nahm die Angebote am »Schwarzen Freitag« 2023 mal unter die Lupe. Ergebnis: Verbraucher konnten am Aktionstag im Vergleich zum Vormonat durchschnittlich nur fünf Prozent sparen. Zu ähnlichen Ergebnissen gelangt der Konkurrent Idealo. Solche Durchschnittswerte müssen freilich nicht bedeuten, dass es keine echten Schnäppchen gibt. Üblicherweise sind dies jedoch Artikel, die aus dem Sortiment genommen werden sollen, weil im Weihnachtsgeschäft neue Modelle kurzentschlossene Kunden locken.
Die Verbraucherzentrale weist auf weitere Tricks der Geschäftsleute hin. So wird häufig ein Sonderpreis der unverbindlichen Preisempfehlung, kurz UVP, des Herstellers gegenübergestellt. Psychologisch ein »Ankereffekt«, mit dem Marketingabteilungen erfolgreich arbeiten: Menschen können schlecht Einschätzungen wie teuer oder billig treffend abgeben, sondern orientieren sich an der oft hoch angesetzten UVP, die kaum ein Händler mal verlangt. Angebliche Rabatte von 40 oder 70 Prozent schmelzen dann zu einer realen Ersparnis von 20 oder 10 Prozent zusammen.
Wer am »Black Friday« auf günstige Angebote hofft, sollte die Preise im Vorfeld beachten, raten Verbraucherschützer. Nur im Verhältnis zum üblichen Marktpreis lässt sich das angebliche Schnäppchen richtig einordnen. Preissuchmaschinen im Internet geben einen Überblick. Die Verbraucherzentrale empfiehlt aber, die Ergebnisse von mindestens zwei davon zu vergleichen und auch die Versandkosten zu berücksichtigen. Und: Die klassischen Einzelhändler vor Ort bieten oftmals günstigere Preise an.
Dennoch haben sich der »Black Friday« und »Cyber Monday«, die aus den USA kommen, längst auch in Deutschland etabliert. Für mehr als fünf Milliarden Euro haben hiesige Verbraucher im vergangenen Jahr an den beiden Aktionstagen allein online eingekauft. Dabei ist aber umstritten, ob sich dies unterm Strich für die Branche auszahlt: Was an »Black Friday« und »Cyber Monday« verkauft wird, fehlt an anderen Tagen beim Umsatz. Erfolgreich ist, wer Ladenhüter abstoßen oder durch erfolgreiche Werbekampagnen zusätzliche Marktanteile auf Kosten der Konkurrenz erobern kann.
Vor allem im Internet ist der Tag ein voller Erfolg für viele Händler. Der Konsum auf Online-Marktplätzen hat aber negative ökologische Folgen, mahnen Umwelt- und auch die Verbraucherschützer. Der steigende Paketversand führe zu einem hohen Verbrauch von Verpackungsmaterialien wie Pappe, Plastik und Füllstoffen, die meist im Müll landen. Als problematisch gelten auch Retouren, denn üblicherweise werden zurückgesandte Artikel nicht verkauft, sondern weggeworfen. Zudem belastet der Lieferverkehr der Zustellfirmen aktuell die Luft und langfristig das Klima. »In Zeiten von Klimakrise und Ressourcenknappheit setzen Aktionstage wie der ›Black Friday‹ mit ihren massenhaften Online-Bestellungen genau den falschen Impuls«, sagt Tristan Jorde von der Verbraucherzentrale Hamburg. Auch der Verein Fairtrade und die Deutsche Umwelthilfe kritisieren den »Konsum-Wahnsinn« auf Kosten von Umwelt und Menschen, etwa in den Textilfabriken Bangladeschs. Selbst wenn er durch Schnäppchen-Aktionen letztlich wohl doch nur zeitlich verlagert wird.
Als nachhaltige Alternative lädt der »Kauf-nix-Tag« am Sonnabend Verbraucher dazu ein, dem Konsumrausch bewusst zu entsagen. Der bislang lediglich in Nordamerika bekannte Aktionstag mit seinem wachstumskritischen Ansatz wird in Deutschland von Attac unterstützt. »Einfach mal innehalten und Konsum hinterfragen«, rät auch das Umweltbundesamt in Dessau-Roßlau. Andernfalls drohe Käufern eine »Nachkaufdissonanz«: Sie tritt ein, wenn die Kaufentscheidung nicht mit unseren Werten oder Einstellungen übereinstimmt.
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