Faeser warnt vor Nato-Bündnisfall

Russland könnte mit »hybriden Bedrohungen« Nato-Szenario auslösen

Das »Kommando Cyber- und Informationsraum« am Bundeswehrstandort Rheinbach. Im Falle von Cyberangriffen oberhalb der Schwelle eines bewaffneten Angriffs wäre es für die Verteidigung zuständig.
Das »Kommando Cyber- und Informationsraum« am Bundeswehrstandort Rheinbach. Im Falle von Cyberangriffen oberhalb der Schwelle eines bewaffneten Angriffs wäre es für die Verteidigung zuständig.

Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser warnt nun vor Desinformationskampagnen, Sabotageakten und Cyberattacken aus Russland. Diese seien »staatlich gesteuert«, sagte die SPD-Politikerin am Wochenende dem »Handelsblatt« und fügte hinzu, dass dahinter Russlands Präsident Wladimir Putin stehe, der keine Skrupel mehr kenne. Auf die Frage, ob das Risiko bestehe, dass sich die Frage der Beistandspflicht gemäß Artikel 5 des Nordatlantikvertrags stelle, erklärte Faeser: »Ich hoffe nicht, dass die Schwelle zum Nato-Bündnisfall überschritten wird. Wir müssen weiter entschieden, aber zugleich besonnen handeln.« Sie betonte, dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) stets so gehandelt habe, um Deutschland vor einem solchen Szenario zu bewahren.

»Aber wir sehen natürlich, dass die hybride Bedrohungslage zunimmt. Deswegen müssen wir uns auch ganz anders aufstellen und schützen«, sagte Faeser dem »Handelsblatt« außerdem. Das von ihr auf den Weg gebrachte sogenannte Kritis-Dachgesetz zum besseren Schutz kritischer Infrastruktur etwa in den Bereichen Energie, Transport, Verkehr und Telekommunikation wird nach Lage der Dinge aber nicht mehr vor der Neuwahl des Bundestages beschlossen werden, da die rot-grüne Bundesregierung nach dem »D-Day« der FDP keine Mehrheit mehr im Bundestag hat.

Faeser berichtete, dass die Sicherheitsbehörden eine »deutliche Zunahme« russischer Sabotageaktivitäten festgestellt hätten. »Einige Sabotagen« seien bereits verhindert worden. Vor der Europawahl hätten deutsche und andere europäische Sicherheitsbehörden zudem eine massive russische Einfluss- und Lügenkampagne aufgedeckt. Für die kommende Bundestagswahl würden Schutzmaßnahmen ergriffen, und das Bundesamt für Verfassungsschutz habe hierzu eine Taskforce eingerichtet, so Faeser. Der Inlandsgeheimdienst hatte am Freitag erklärt, dass Russland angesichts des Angriffskriegs gegen die Ukraine das wohl größte Interesse daran habe, die Wahl in seinem Sinne zu beeinflussen. Bereits zwei Tage zuvor hatte BND-Chef Bruno Kahl davor gewarnt, dass Russland hinsichtlich hybrider Bedrohungen »mit allen Mitteln, ohne rechtliche Beschränkungen, ohne jeglichen Skrupel« vorgehe.

Die Frage möglicher internationaler Beistandsverpflichtungen im Falle von Cyberattacken wurde erstmals in der EU-Übung »EU CyCLES« unter französischem Vorsitz vor zwei Jahren thematisiert. In diesem Szenario griff ein fiktiver autoritärer Staat namens »Blauland« mit massiven Cyberangriffen an, die erhebliche physische Schäden und Opfer verursachten. Dabei wurde geprüft, wie Artikel 42 Absatz 7 des EU-Vertrags auch im Cyberspace einen militärischen Bündnisfall auslösen könnte. Teil der Übung war zudem die Aktivierung der sogenannten Solidaritätsklausel gemäß Artikel 222 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, die eine gegenseitige Unterstützung im Falle eines Terroranschlags oder einer Katastrophe vorsieht.

Die meisten EU-Staaten (außer Österreich, Irland und Malta) sind Vollmitglieder der Nato. Sollte ein Cyberangriff das in Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen verankerte Recht auf Selbstverteidigung auslösen, könnte dies zusätzlich den Nato-Bündnisfall aktivieren. Dies würde den Mitgliedstaaten erlauben, auf eine digitale Attacke auch mit konventionellen Waffen militärisch zu reagieren – eine Option, die die Nato 2014 auf ihrem Gipfel in Wales beschlossen hat.

Auch in diesem und im nächsten Jahr führen die EU-Strukturen weitere Cyberübungen durch. Die Aktivierung von Beistandsklauseln sei darin derzeit nicht vorgesehen, antwortete der ungarische Ratsvorsitz vor zwei Wochen auf eine Anfrage der EU-Abgeordneten Özlem Demirel. Mit Agenturen

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