Einstecktuch in Flecktarn

Das Sondervermögen Bundeswehr gehört massiv aufgestockt: Die Truppe braucht neue Kampfanzüge. Es geht immerhin um die Rettung der Demokratie

Das wäre immerhin traditionsbewusst, und Brombeer ist gerade sehr in.
Das wäre immerhin traditionsbewusst, und Brombeer ist gerade sehr in.

In Goethes »Wahlverwandtschaften«, erschienen 1809, heißt es: »Männer sollten von Jugend auf Uniform tragen, weil sie sich gewöhnen müssen, zusammen zu handeln, sich unter ihresgleichen zu verlieren, in Masse zu gehorchen.« Anders gesagt: Uniformen sind wichtig, weil sie ihre Träger entindividualisieren, sie zusammenschweißen zu einem gleichgesinnten, autoritätsfixierten Männerhaufen. Und das ist ja genau das, was wir gegenwärtig in Deutschland am dringendsten brauchen: autoritätsfixierte Männerhaufen. Was täten wir ohne sie? Wer sonst würde uns regieren, uns die Richtung weisen, uns schützen, uns verteidigen, unsere Frauen auf Linie bringen, unsere alkoholproduzierende Wirtschaft aufrechterhalten?

Noch wichtiger aber als jene Fragen ist diese: Sieht der unverzichtbarste dieser Haufen, unsere Bundeswehrsoldaten, bei all dem auch fesch und schneidig genug aus? Nein. Da hat uns der Franzmann mit den schicken capriblauen Blousons und den possierlichen lichtblauen hutschachtelförmigen Legionärskappen (inklusive roten Zierbändchen!), die seine Soldaten sonntags tragen, längst den Rang abgelaufen!

Mal wieder typisch Modemuffelnation Deutschland: kein Sinn für Eleganz, kein Sensorium für Schönheit. Wie der Durchschnittsbürger, der in seiner zur Alltagsuniform gewordenen Casual-Wear-Deppenkleidung täglich durch Einkaufszentren latscht (Motto: Pufferjacke, Jogginghose, Turnschuhe, fertig), tragen auch unsere tapferen Soldaten, wenn sie an Wochenenden stolz mit Bierflasche durch Deutschlands Fußgängerzonen paradieren oder ehrenamtlich vor Bordellen Wache halten, mausgraue Drillichkluft am Leib, in der sie aussehen wie aus dem vorigen Jahrhundert übrig gebliebene Postbeamte. Das darf nicht sein.

Die gute Kolumne

Thomas Blum ist grundsätzlich nicht einverstanden mit der herrschenden sogenannten Realität. Vorerst wird er sie nicht ändern können, aber er kann sie zurechtweisen, sie ermahnen oder ihr, wenn es nötig wird, auch mal eins überziehen. Damit das Schlechte den Rückzug antritt. Wir sind mit seinem Kampf gegen die Realität solidarisch. Daher erscheint fortan montags an dieser Stelle »Die gute Kolumne«. Nur die beste Qualität für die besten Leser*innen! Die gesammelten Texte sind zu finden unter: dasnd.de/diegute

Dem Verteidigungsministerium zufolge soll zwar demnächst endlich »zeitgemäße Dienst- und Ausgehbekleidung« für unsere Truppe angeschafft werden, doch ich befürchte Schlimmes. Der bislang dafür vorgesehene läppische Betrag von 825 Millionen Euro deutet darauf hin, dass man die Bekleidungsfrage nicht im Mindesten ernst nimmt. Oder es sind hier Personen am Werk, die unter extremem Realitätsverlust leiden. Die veranschlagte Summe ist lächerlich, bedenkt man, dass bei einer Zahl von mehr als 200 000 Soldaten für eine einzige Ausgehuniform ein Kleckerbetrag von circa 4000 Euro zur Verfügung stünde. Da kann man ja gleich bei Rudis Reste-Rampe oder im Aldi eine Großbestellung aufgeben und bekommt entsprechenden Textilmüll geliefert. Nur: Anziehen will das kein Mensch mit Geschmack und Verstand. Was glaubt denn das Verteidigungsministerium, was man für dieses Klimpergeld bekommt? Eine Wagenladung voll schlecht und schief von ungeschickten Kinderhänden zusammengenähter Polyacryl-Lappen aus indischen Sweatshops! Jedenfalls keine stilvolle Uniform, nichts Haltbares und Schmuckes, das selbst dann noch glänzend aussieht, wenn mal ein paar geflickte Einschusslöcher drin sind.

Statt also erneut irgendwelche unansehnlichen Kunstfaserplünnen zu bestellen, in denen unsere Vaterlandsverteidiger wie von einem farbenblinden Finanzbuchhalter eingekleidete Pfadfinder aussehen, könnte man beispielsweise das soeben 100 Jahre alt gewordene traditionsreiche Modehaus Hugo Boss mit Design und Schnitt beauftragen: Immerhin hat das Unternehmen viele Jahre Erfahrung mit dem Entwurf und der Herstellung ebenso stylisher wie haltbarer Uniformen in Braun, das hierzulande als Trendfarbe in den 1930er und 40er Jahren schwer angesagt war.

Jedes Kind weiß heute: Wenn man schon keinen höheren Beruf gelernt hat, dann sollte man wenigstens an angemessener Kleidung nicht sparen. Mancher vergisst: Eine gute Qualitätsuniform muss auch dann noch gepflegt aussehen und korrekt und sicher sitzen, wenn nach dem zwölften Bier der Oberkörper sich nicht mehr in einer akkuraten Geraden befindet oder ein bisschen Erbrochenes am Kragen klebt. Eine todschicke und dennoch bei Bedarf unkompliziert zu reinigende Montur ist wichtig, denn der Feldjäger ist auch stolzer Repräsentant unserer modernen Demokratie.

Reden wir also Klartext: Ein einigermaßen tragbares Tom-Ford-Sakko, für das man sich in der Öffentlichkeit nicht schämen muss, geringfügig umdesignt zur Ausgehuniformjacke, kostet mindestens 6000 Euro. Eine dazu passende Hermès-Herrentasche in Feldgrau dürfte etwa 6500 Euro das Stück kosten. Und selbst wenn wir bei der Krawatte im mittleren Preissegment verbleiben – eine akzeptable Dries-van-Noten-Seidenkrawatte gibt es schon für 130 Euro –, sind wir bei 12 630 Euro, und da hat der Soldat noch immer keine Hose, Schuhe und Unterwäsche an und noch keine dekorative Kopfbedeckung!

Ich bin mir nicht sicher, ob in einer besseren Zukunft zu einer halbwegs anständigen Ausgehuniform nicht auch ein Einstecktuch (Flecktarn), ein Seidenschal und ein Paar diamantenbesetzte Buccellati-Manschettenknöpfe gehören sollten. Sicher ist jedenfalls: Mindestens 50 000 pro Mann, Pi mal Daumen, müsste man dann schon ausgeben, wenn man kein peinlicher Sparkommissar sein will.

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