Wohnpolitik: Wenn der Staat Zitronen reicht

Die wohnpolitische Bilanz der Ampel fällt schlecht aus. Ein bundesweites Bündnis will Druck für einen Mietendeckel machen

Die wohnpolitische Bilanz der Ampel lässt vor allem im Mietrecht zu wünschen übrig. Ein bundesweites Wohnbündnis will sich nicht auspressen lassen.
Die wohnpolitische Bilanz der Ampel lässt vor allem im Mietrecht zu wünschen übrig. Ein bundesweites Wohnbündnis will sich nicht auspressen lassen.

Maura kam als Studentin nach Hamburg und zog in ein Gebäude des Wohnkonzerns Vonovia. Spätestens nach zwei Wasserrohrbrüchen hatte sie den Eindruck: »Der Wohnkonzern kümmert sich um Schadensbegrenzung, nicht um Sanierung«. Es brauche andere Mietverhältnisse, schloss sie und begann, sich zu organisieren. Wie Maura geht es zurzeit vielen in deutschen Metropolen. »Wohnen ist die soziale Frage unserer Zeit«, zeigt sich Lara Eckstein, Sprecherin des bundesweiten Bündnisses »Offensiv für Wohnraum« gegenüber »nd« überzeugt. Die Ampel habe, so Eckstein, in der Wohnfrage versagt. Das Bündnis fordere deswegen am Donnerstag einen bundesweiten Mietendeckel.

Um Bilanz zu ziehen und anstehende Herausforderungen der Wohn- und Baubranche zu diskutieren, hätte Ende dieser Woche der Wohngipfel mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Mauras Heimatstadt Hamburg stattfinden sollen. Scholz sagte seine Teilnahme jedoch kurzfristig ab – »mit Blick auf die verkürzte Legislaturperiode«, wie ein Regierungssprecher »nd« mitteilt. Stattdessen trifft sich Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) am Donnerstag in Berlin mit dem »Bündnis bezahlbarer Wohnraum«. Aus dem Pressebüro der Bundesregierung heiß es gegenüber »nd« vorab, es sei »klar«, das Bündnis habe »hervorragende Arbeit geleistet und eine große Zahl an wichtigen Maßnahmen auf den Weg gebracht, um den Wohnungsbau in Deutschland voranzubringen«.

Ein Blick auf die Zahlen: 2023 verfehlte die Ampel-Regierung ihr Ziel, 100 000 neue Sozialwohnungen zu bauen um mehr als die Hälfte, deren Anzahl nimmt seit den 90er Jahren stetig ab. Die oft als Spitze der Wohnkrise deklarierte Zahl der wohnungslosen Menschen steigt laut Statistischem Bundesamt weiter. Das hänge, so die Behörde, mit der verbesserten Datenlage zusammen. Doch auch die Dunkelziffer könnte deutlich höher liegen, Wohnungslosigkeit ist schwer messbar.

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Über die Hälfte der Menschen in Deutschland leben laut Mieterbund inzwischen zur Miete, über ein Drittel davon ist von den Mietkosten überlastet – das heißt, sie müssen mehr als 40 Prozent ihres verfügbaren Einkommens dafür ausgeben. Die Mietpreise in Metropolen erreichen in jedem Quartal neue Höhen. Die Verlängerung der Mietpreisbremse, durch die Mieten höchstens zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen dürfen, blieb aus.

Die Mietpreisbremse könne auf dem Mini-Wohngipfel »natürlich auch Thema sein«, heißt es auf »nd«-Nachfrage aus dem Bundesbauministerium (BMWSB). »Federführend für das Thema zuständig« sei jedoch das ehemalige FDP-Justizministerium. Darin liege der Grund dafür, dass in den vergangenen Jahren mietrechtlich »quasi gar nichts gelaufen« sei, wie es der Mietrechtsanwalt Benjamin Raabe gegenüber »nd« einschätzt. »Dies ist offenbar am Widerstand der FDP gescheitert, die beiden anderen haben schlecht verhandelt.« Mit den beiden anderen meint Raabe SPD und Grüne, die sich für die Mietpreisbremse einsetzten. »Wir müssen sie so zügig wie nur möglich verlängern«, heißt es dazu jetzt noch aus dem SPD-geführten BMWSB.

»Die Bilanz der Ampel im Mieterschutz fällt erheblich schlechter aus als die der Vorgängerregierungen.«

Benjamin Raabe Fachanwalt für Mietrecht

Auch andere Versprechen aus dem Koalitionsvertrag wie die Senkung der Kappungsgrenzen für Mietsteigerungen oder die Verschärfung des Mietwucherparagrafen wurden nicht umgesetzt. »Damit fällt die Bilanz der Ampel, was den Mieterschutz betrifft, erheblich schlechter aus als die der beiden Vorgängerregierungen«, schlussfolgert Raabe. Als mieten- und wohnpolitischer Fortschritt gilt dagegen die Wiederbelebung der Wohngemeinnützigkeit. Sie fiel jedoch weit hinter die ursprünglichen Entwürfe zurück.

Ein Mietendeckel, wie ihn das Bündnis Offensiv für Wohnraum fordert, sei sinnvoll, so Raabe weiter. Je nach Initiative beinhaltet dieser unterschiedliche Forderungen. »Im Normalfall geht es um einen Mietenstopp von sechs Jahren, Mietobergrenzen je nach Wohnlagen und eine Absenkung der überhöhten Mieten«, erklärt Eckstein. Die konkrete Ausgestaltung auszuarbeiten, sei Aufgabe der Politik. Auf lange Sicht hoffe sie, dass sich alle Parteien des Themas annehmen würden. Bisher ist Gruppe Die Linke im Bundestag am Bündnis beteiligt.

»Ein Mietendeckel ist kein Allheilmittel«, stellt Tom Küven vom Verein Obdachlose mit Zukunft in Köln, ebenfalls Teil des Bündnisses, fest. Aber: Er könnte zumindest eine Verschlimmerung der aktuellen Zustände verhindern. »Bezahlbare Mieten schützen vor Obdachlosigkeit – sind also eine wirkungsvolle Präventionsmaßnahme«, ergänzt Stefan Schneider von der Selbstvertretung Wohnungslosen-Stiftung »nd«. »Auch, um aus der Obdachlosigkeit wieder herauszukommen.«

Auf dem Bündnistreffen im Bauministerium sehen sich die Obdach- und Wohnugslosenvertretungen nicht ausreichend repräsentiert. Dort sei zwar die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG W) als Interessenverband der Wohnungslosenhilfe anwesend, ihre Interessen und jene wohnungsloser Menschen seien jedoch »nicht identisch«, so Schneider. Die BAG W befindet sich am Donnerstag in einer Doppelrolle – sie ist durch Bündnispartner*innen auch bei den Protesten vertreten. Eine Sprecherin teilt »nd« mit, sie verstehe »den Unmut der Initiativen sehr gut«. Im Wohnministerium will sich die BAG W für stärkere Regulierungen des Mietmarkts, einen besseren Kündigungsschutz, den Erhalt des sozialen Wohnungsbestands und mehr Engagement bei Vermeidung von Wohnungslosigkeit einsetzen.

Offensiv für Wohnraum sieht diesen Donnerstag als Auftakt für eine bundesweite Kampagne für den Mietendeckel, die die Themensetzung im Bundestagswahlkampf mitbestimmen soll. Daran will sich auch Maura in Hamburg beteiligen. »Für wirksamen Mieterschutz braucht es eine Regelung auf Bundesebene«, ist sie überzeugt.

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