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Bezahlkarte: Symbolpolitik auf dem Rücken der Schwächsten
Die Bargeldbeschränkung der Bezahlkarte wurde von mehreren Gerichten als rechtswidrig eingestuft, trotzdem wird die Einführung durchgezogen
Mehrere Sozialgerichte haben bereits verfassungsrechtliche Bedenken insbesondere gegen die Bargeldbeschränkung bei der Bezahlkarte geltend gemacht. So urteilte das Sozialgericht Nürnberg Ende Juli, die Ausgabe der Bezahlkarte »ohne Ermessensausübung« und ohne Berücksichtigung des jeweiligen Einzelfalls sei rechtswidrig, ebenso die pauschale Begrenzung der Bargeldverfügbarkeit. Das Gericht wies die Stadt Schwabach in einem Eilverfahren an, den beiden klagenden Frauen ihre monatlichen Unterstützungsleistungen künftig wieder auf ihr Konto zu überweisen.
Die Frauen führten vor Gericht an, dass es mit der Karte nicht möglich sei, etwa günstig im Internet oder im benachbarten Nürnberg einzukaufen. Sie könnten auch nicht ohne weiteres Vereinen beitreten, weil die Überweisung der Mitgliedsbeiträge erst genehmigt werden müsse. Zuvor hatte ebenfalls im Juli das Sozialgericht Hamburg entschieden, dass die Bargeldobergrenze von 50 Euro zumindest für Geflüchtete mit Kindern und Schwangere rechtswidrig sei.
Das ficht die Landesregierungen aber nicht an. Sie wollen die flächendeckende Einführung des Zahlungsmittels – mit dem man bargeldlos zahlen kann, aber vielfach nur im ausstellenden Bundesland und nicht in jedem Geschäft – durchziehen. Das bekräftigten sie auf einem Treffen im Oktober.
Am Mittwoch forderten die von CDU und CSU geführten Länder zu Beginn der Innenministerkonferenz im brandenburgischen Rheinsberg weitere Verschärfungen in der Asylpolitik. »An allererster Stelle steht dabei, dass wir Asylbewerber an den deutschen Binnengrenzen in der jetzigen Situation konsequent zurückweisen sollten«, sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann. Der CSU-Politiker ist derzeit Sprecher der Unions-Innenminister und weiß, dass dergleichen mit den Nachbarländern schwerlich machbar wäre und dem EU-Rechtsrahmen widerspricht.
Die Unionsseite poche ferner darauf, die Liste der sicheren Herkunftsstaaten auszuweiten und Sozialstandards insbesondere für abgelehnte Asylbewerber abzusenken. Mit Forderungen nach Absenkung der Leistungen tat sich auch Sachsen-Anhalts Innenministerin Tamara Zieschang hervor. Sie werde jede Initiative unterstützen, die es ermögliche, diese für Personen zu kürzen, deren Ausreisepflicht »rechtskräftig und damit vollziehbar« sei, die dieser aber »aus von ihnen zu vertretenden Gründen nicht nachkommen«, sagte die CDU-Politikerin dem MDR.
Der Bundestag hatte im Rahmen des »Asyl- und Sicherheitspakets« der Ampel-Koalition eine Leistungsabsenkung für nach den Dublin-Regeln der EU »vollziehbar ausreisepflichtige« Personen bereits ermöglicht. Die Unions-geführten Länder wollen darüberhinausgehen, verraten aber noch nicht, wie sie sich das vorstellen. Derzeit liegt der Höchstsatz an Leistungen für alleinstehende Asylbewerber bei 460 Euro monatlich gegenüber 560 Euro für Bürgergeldbezieher. Zum 1. Januar sinkt der Wert auf 441 Euro.
Die Bezahlkarte ist in Sachsen-Anhalt zum 20. November an den Start gegangen. Ministerin Zieschang nannte die Karte einen »Baustein neben anderen, um irreguläre Migration zu reduzieren«. Der Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalts wies einmal mehr darauf hin, dass es dafür keinerlei Belege gibt. »Die Diskriminierungskarte ist und bleibt symbolpolitische Ausgrenzung von Geflüchteten«, kritisierte dessen Sprecherin Martina Fuchs. Es gebe weder über Auslandsüberweisungen noch zu angeblichem Missbrauch der Sozialleistungen belastbare Zahlen oder Hinweise.
Fuchs betonte zudem, das von der Landesregierung zur Einführung der Karte vorgebrachte Argument der Entbürokratisierung sei unglaubwürdig, solange sie »auf der anderen Seite weiterhin daran festhält, keine elektronische Gesundheitskarte für Geflüchtete einzuführen«. Die würde »tatsächlich den Verwaltungsaufwand verringern und zudem den Geflüchteten mühselige Gänge zum Sozialamt ersparen«.
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