»Hausbesetzungen sind wieder angebracht«

Frankfurt am Main bleibt trotz Mietpreisstopp zweitteuerste Stadt Deutschlands. Ex-Bürgermeister Peter Feldmann über alte und neue Strategien

Hinter der Altstadt ragen in Frankfurt am Main die Hochhaustürme der Bankenstadt in die Höhe.
Hinter der Altstadt ragen in Frankfurt am Main die Hochhaustürme der Bankenstadt in die Höhe.

Frankfurt am Main gilt oft als positives Beispiel für Wohnpolitik, so ist die Stadt erfolgreich bei der Verfolgung von Mietwucher. Sie sehen die Lage kritisch. Warum?

Ich höre derzeit aus den städtischen Gremien, dass eine zentrale Errungenschaft, der Mietpreisstopp, bei einer stadtnahen Wohnungsgesellschaft aufgegeben werden soll. Durch Kämpfe der Mieterinnen und Mieter und der Gewerkschaften war es gelungen, bei der größten stadtnahen Wohnbaugesellschaft, der AGB, durchzusetzen, dass die Miete nur um ein Prozent pro Jahr steigen darf. Für eine zweite Wohnbaugesellschaft, die Nassauische Heimstätte, gilt das ebenfalls, allerdings nur für Personen mit einem jährlichen Facharbeiterlohn bis zu 84 000 Euro. Eine Infragestellung öffnet Tür und Tor für Mietpreiswucher und ist ein schlechter Präzedenzfall für den privaten Sektor. Auch hier braucht es einen Mietpreisstopp für alle.

Die Nassauische Heimstätte plant, die Mieten ab 2025 um maximal zehn Prozent innerhalb von drei Jahren anzuheben …

Ich halte das für völlig unnötig und Teile der wirtschaftlichen Argumente für vorgeschoben. Man muss Mieterinnen und Mieter nicht immer weiter auspressen. In Frankfurt hatte der Wohnungsbestand der Stadt immer von alleine eine Wertsteigerung, durch den spekulativen Druck auf den seit Jahrzehnten aufgeheizten Wohnungsmarkt.

Die Wohnbaugesellschaft argumentiert mit gestiegenen Erhaltungs- und Sanierungskosten.

Ich sehe das so wie die Mieterinitiativen – jahrelang ist diesbezüglich nichts passiert, die Kosten sollen jetzt auf einen Schlag auf die Mieter umgelegt werden. Das wird zu einer weiteren gesellschaftlichen Spaltung führen. Stadt und Land müssen dafür sorgen, dass rechtzeitig Sanierungen stattfinden und finanziell dafür geradestehen. Wenn man bezahlbares Wohnen endlich als existenzielles Grundrecht sieht, wird man nicht umhinkommen, die Sanierungen zu subventionieren. Grund und Boden im Allgemeinbesitz ist außerdem immer eine gute Vermögensanlage für Städte und Gemeinden.

Interview

Sarah Yolanda Koss sprach mit Peter Feldmann über die Wohnsituation in der zweitteuersten Metropole Deutschlands. Feldmann ist parteiloser Politiker in Frankfurt am Main, 2023 wurde er nach zehn Jahren als SPD-Oberbürgermeister wegen Korruption verurteilt.

Sie sagen, Stadt und Land haben die Genossenschaften schleifen lassen. Aber Sie waren doch selbst bis vor zwei Jahren als SPD-Oberbürgermeister in der Verantwortung?

Man hat sich damals überwiegend auf den Neubau konzentriert. Dass man in den Stadtteilen zu wenig gemacht hat, stimmt und hätte unseren Planungsexperten früher auffallen müssen. Da kann ich die Verantwortung nicht wegschieben.

Trotz diverser Maßnahmen ist Frankfurt weiterhin die Stadt mit den zweithöchsten Wohnkosten in Deutschland …

Direkt nach München, ja. Aktuell suchen 30 000 Menschen in Frankfurt nach einer Wohnung. Leider kann man kommunalpolitisch nur die Preispolitik der stadteigenen und nahen Wohnbaugesellschaften beeinflussen. Gegen die privaten Investoren, die mit Wohnungen spekulieren und die Mieten in exorbitante Höhen treiben, hat man noch keine Handhabung. Dazu bräuchte es landes- und bundesgesetzliche Regelungen. Dennoch kann man auch in der Stadt schon jetzt viele Maßnahmen umsetzen, um mehr Wohnraum zu schaffen, wie Dachaufstockung, Erschließung vorhandener Baugebiete oder Umbau von Büroraum in Wohnraum. Diese Maßnahmen gehören zusammen.

Welche Strategien verfolgen die Mieterinitiativen in Frankfurt für die Umsetzung einer progressiven Wohnpolitik?

Neben dem angesprochenen Mietpreisstopp ist der spekulative Leerstand in der Stadt ein großes Thema. Dass in dieser angespannten Situation überhaupt Wohnungen leer stehen, um Gewinne zu machen, ist ein Skandal. Nicht umsonst gibt es die Möglichkeit der Vergesellschaftung in Paragraf 15 des Grundgesetzes. Grund und Boden können nicht dem Markt überlassen werden. Dazu bräuchte es ein bundesweit arbeitendes Bündnis.

Was würde so ein Bündnis für Vergesellschaftung konkret bedeuten?

Wo Wohneigentum nicht im Sinne der Menschen eingesetzt wird und spekulativen Leerstand provoziert, folglich Menschen abgezockt werden, muss staatlich eingegriffen werden. Bis zur Enteignung. In Berlin hat die Mehrheit der Menschen 2021 für die Enteignung großer Immobilienkonzerne gestimmt.

Der Volksentscheid zu Deutsche Wohnen und Co ist aber nicht umgesetzt worden. Müssen die Initiativen kreativer werden?

Ja, Hausbesetzungen wie in den 70er Jahren sind wieder angebracht. Insbesondere junge Menschen, die keine Plätze in Lehrlings- oder Studentenwohnheimen bekommen haben, sind stinksauer. Hier steigt die Bereitschaft für andere Protestformen, im Notfall auch Hausbesetzungen.

Als Bürgermeister haben Sie sich doch gegen Besetzungen ausgesprochen …

Langsam, ich habe damals sogar eine Magistratsvorlage mitunterschrieben, laut der Besetzungen bis zu 48 Stunden geduldet werden. Außerdem habe ich selbst an Besetzungen in Frankfurt und Marburg teilgenommen. Das ist in der Notsituation gerechtfertigt. Ein Dach über dem Kopf ist ein Grundrecht.

2018 haben Sie sich vorgenommen, bis 2024 10 000 Sozialwohnungen gebaut zu haben. Dazu kam es nicht, Sie wurden aufgrund von Korruptionsvorwürfen frühzeitig abgewählt ...

Politisch habe ich sicherlich auch Fehler gemacht, aber mich persönlich nie bereichert. Die Korruptionsvorwürfe waren hauptsächlich eine Kampagne der Immobilienbranche gegen mich, denen meine Sozialpolitik nicht gefiel. Meine politischen Ziele sind gleich geblieben: Für eine soziale Stadt für alle einzutreten und Menschen mit wenig Einkommen soziale Teilhabe zu gewähren, durch günstigen Wohnraum und kostenlose Kultur- und Bildungsangebote.

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