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Nach Sturz von Assad: AfD und FPÖ sehen Zeit für Abschiebungen
Das Ende des syrischen Bürgerkriegs ist für Parteien wie AfD, FPÖ und BSW eine Gelegenheit für Remigrationsforderungen
Für den Erfolg der AfD gehört der syrische Bürgerkrieg zu den Grundlagen. Rückblick: 2015, die AfD ist tief zerstritten. 2013 hat die Partei es nicht in den Bundestag geschafft. Der Euro, Schulden und die Wirtschaftskrise haben als Themen ausgedient. Die Partei ist gespalten, beim Parteitag im Sommer 2015 wird der Gründungsvorsitzende Bernd Lucke beinahe aus der Halle gejagt. Die AfD schwört sich auf einen rechteren Kurs ein. Kurz danach schließt Bundeskanzlerin Angela Merkel die Grenzen nicht. Die AfD begibt sich in die Position der zentralen Antimigrationspartei in Deutschland. Geflüchtete aus Syrien geraten immer wieder in ihr Visier.
Eine Strategie ist dabei, das vom Bürgerkrieg gebeutelte Land als sicher darzustellen. Dafür reiste eine Gruppe um den nordrhein-westfälischen Landtagsabgeordneten Christian Blex im Frühjahr 2018 extra nach Damaskus. Dort traf man vor einem großen Porträtfoto von Baschar al-Assad den syrischen Großmufti Ahmed Badr al-Din Hassan, einen Unterstützer des Regimes. Das Ergebnis der Reise: Social-Media-Beiträge der AfD, in denen Syrien als sicher dargestellt wurde und in denen Regime-Anhänger Syrer*innen zur Rückkehr aus Deutschland aufrufen konnten.
Teile der AfD beließen es nicht bei solchen Aufrufen. Sie äußerten offen ihre Sympathie für den syrischen Diktator. Eine deutsche Tradition: Nazis halfen der Familie Assad, den Folterapparat aufzubauen. Ein AfD-Politiker, der seine Sympathie für Assad ganz besonders zur Schau stellt, ist Hans-Thomas Tillschneider. In den sozialen Medien postete der Landtagsabgeordnete aus Sachsen-Anhalt in der Vergangenheit Solidaritätsgrafiken für Assad. Nach dem Sturz des Diktators veröffentlichte er im extrem rechten Magazin »Freilich« einen Gastbeitrag.
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Dort analysiert Tillschneider die Vorgänge in Syrien. Seine Analyse ist simpel: Der Westen steckt hinter dem Umsturz. Geheimdienste der Türkei und der USA hätten die syrische Regierung und den Sicherheitsapparat »monatelang, wenn nicht jahrelang mit dem Ziel einer solchen Aktion infiltriert«, so Tillschneider. Der ganze Umsturz wird so zum orchestrierten Staatsstreich. Das nächste Ziel des Westens ist für Tillschneider der Iran. Die offene Frage sei nur, ob dort eine »Farbenrevolution« inszeniert werde oder ob es einen militärischen Angriff gebe.
So viel Geopolitik muten die meisten AfD-Politiker*innen ihren Unterstützer*innen nicht zu. Stattdessen verbreiten sie über ihre Kanäle die einfach Botschaft, der Krieg sei vorbei, für Syrer*innen könne jetzt eine Abschiebeoffensive gestartet werden. Das große Vorbild dabei ist die österreichische FPÖ. Deren Vorsitzender Herbert Kickl hatte vergangene Woche eine »Schwerpunktaktion Remigration« gefordert. Syrer*innen müsse der Schutzstatus aberkannt, ihre Abschiebung eingeleitet und keine neuen Asylanträge dürften aufgenommen werden, so die Forderung des extrem rechten Politikers. Der konservative Innenminister Gerhard Karner reagierte prompt und erklärte, man werde ein »geordnetes Rückführungs- und Abschiebeprogramm« vorbereiten.
Eine andere Erzählung, die von Rechten wie Kickl, der AfD-Vorsitzenden Alice Weidel, aber auch der BSW-Namensgeberin Sahra Wagenknecht verbreitet wird: Wer sich in Deutschland oder Österreich über den Sturz Assads freut, der sei zumindest Befürworter von Islamisten. Weidel schrieb auf der Plattform X: »Wer in Deutschland das ›freie Syrien‹ feiert, bei dem liegt augenscheinlich kein Fluchtgrund mehr vor. Er sollte umgehend nach Syrien zurückkehren.« Wagenknecht erklärte gegenüber dem »Stern«: »Von den Syrern, die hierzulande die Machtübernahme durch Islamisten bejubeln, erwarte ich, dass sie möglichst bald in ihr Heimatland zurückkehren.« Gleichzeitig warnte Wagenknecht davor, dass eine neue »Fluchtwelle« entstehen könnte, wenn sich Syrien zur »islamischen Republik entwickelt«.
Eine Warnung wiederum, die auch von der AfD verbreitet wird. Tomasz Froelich, Europaabgeordneter der Partei, schreibt in sozialen Medien, eigentlich wäre nun die Zeit für Abschiebungen. Wahrscheinlicher sei aber, dass nun unter anderem Assad-treue Syrer*innen ins Land kämen. »Dann haben wir syrischen Bürgerkrieg, nur eben in Deutschland«, so die düstere Prognose des extrem rechten Politikers.
Hoffnungen, wie sie etwa der österreichische Sozialwissenschaftler Gerald Knaus äußert, dass eine mögliche Rückkehr von Syrer*innen aus Deutschland und Österreich migrationsfeindlichen Parteien den Zulauf entziehen könnte, dürften sich vorerst nicht erfüllen. Die Parteien haben auf absehbare Zeit genug Angsterzählungen und sind in der Lage, ihre Remigrationsforderungen beliebig auszubauen. Die Forderung, Syrer*innen den Schutzstatus zu entziehen und abzuschieben, ist nur der erste Schritt.
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