Kirchenasyl in Bremen: Innenbehörde und Kirchen nähern sich an

Kirchen sagten zu, das Kirchenasyl nicht zu missbrauchen. Im Gegenzug versprach Innensenator Mäurer das Sonderprivileg der Kirchen zu achten

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Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) spricht bei einer Veranstaltung.
Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) spricht bei einer Veranstaltung.

Im Konflikt um die Gewährung von Kirchenasyl in Bremen haben sich Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) und die evangelischen Kirchenleitungen in Bremen und Niedersachsen aufeinander zubewegt. Wie die Bremer Innenbehörde und die Bremische evangelische Kirche nach einem Gespräch mitteilten, sagten die Kirchenleitungen zu, »mit dem Instrument des Kirchenasyls besonders achtsam umzugehen«. Der Innensenator sicherte demnach im Gegenzug zu, dass die Behörden die Institution des Kirchenasyls »ausnahmslos« respektieren würden.

Abschiebungen aus bestehendem Kirchenasyl in Bremen würden »angesichts des konstruktiven Gesprächs« zunächst bis 25. Januar nicht vollstreckt, teilte die Bremer Innenbehörde weiter mit. Das gelte auch für Fälle, in denen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) im Rahmen des sogenannten Dossierverfahrens nach einer neuerlichen Prüfung ablehnend entschieden habe.

Kritik an dem Übereinkommen von Innensenator und evangelischer Kirche kommt vom Bremer Flüchtlingsrat. »Die sogenannte Einigung kam der autoritären Verkündung eines Urteils gleich«, so Nazanin Ghafouri. »Von einer ›Einigung‹ kann schon deshalb keine Rede sein, weil der Innensenator nur zugestanden hat, wozu er ohnehin gezwungen war: eine vorübergehende Aussetzung von gewaltsamen Abschiebungen aus dem Kirchenasyl, die offensichtlich gegenüber der Stadtgesellschaft nicht durchsetzbar waren.«

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Darüber hinaus monierte der Flüchtlingsrat, dass die autonomen Kirchengemeinden nicht zu dem Gespräch eingeladen waren, nun aber die vereinbarten Zugeständnisse umsetzen sollen. Auch die Einigung, keinen Geflüchteten aus anderen Bundesländern Kirchenasyl zu gewähren, ist für den Flüchtlingsrat Bremen nicht nachvollziehbar: »Damit würde den Gemeinden verboten, einander länderübergreifend auszuhelfen und Schutzsuchenden entsprechend Schutz zu gewähren«, heißt es in einer Pressemitteilung. Und weiter: »Diese sinnfreie Beschränkung scheint für einen länderübergreifenden Kirchenverband (Bremerhaven gehört dort zu Niedersachen) nahezu lächerlich.«

Der Konflikt war Anfang Dezember nach der gescheiterten Abschiebung eines Somaliers aus einem Kirchenasyl in einer Bremer Kirchengemeinde eskaliert. Die Behörden wollten den Mann im Rahmen des europäischen Dublin-Verfahrens aufgrund eines ablehnenden Bamf-Bescheids nach Finnland zurücküberstellen. Nach Angaben der Bremer Innenbehörde wurde dies allerdings durch »bis zu 100 teilweise vermummte Personen« in den Wohnräumen der Kirche verhindert.

Bremer Geflüchteteninitiativen sowie Parteivertreter der gemeinsam mit der SPD regierenden Grünen und Linken kritisierten dies als »Kampfansage an das Kirchenasyl« sowie »Zäsur«. Die Grüne Jugend in Bremen forderte Mäurer zum Rücktritt auf. Im Gegenzug verteidigten Mäurer und Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) das Vorgehen der Ausländerbehörden. Sie kritisierten dabei auch eine nach ihren Angaben insgesamt hohe Kirchenasylzahl in Bremen.

»Das Kirchenasyl muss auf Einzelfälle beschränkt bleiben, in denen aus humanitären Gründen von der Durchsetzung geltenden Rechts abgesehen werden kann«, erklärte Bovenschulte. »Angesichts der auch im bundesweiten Vergleich außergewöhnlich hohen Fallzahlen bestehen berechtigte Zweifel, ob sich das Bremer Kirchenasyl derzeit tatsächlich auf solche Einzelfälle beschränkt.«

Im aktuellen Streitfall gab das Verwaltungsgericht Bremen inzwischen einem Eilantrag des Somaliers statt. Es verpflichtete das Bamf dazu, bis zu einem rechtskräftigen Abschluss des von dem Mann angestrengten aufenthaltsrechtlichen Klageverfahrens von allen »aufenthaltsbeendenden Maßnahmen« abzusehen. Dass er sich in ein Kirchenasyl begeben habe, sei keine Flucht. Er sei erreichbar.

Bei dem Gespräch mit Mäurer am Donnerstag sicherten die Kirchenleitungen nach gemeinsamen Angaben auch zu, »Gespräche mit den Kirchengemeinden über die Zahlen und den Umgang mit Kirchenasyl« zu führen. Dessen Gewährung solle »der Ausnahmefall bleiben«, um das Instrument für die Zukunft zu erhalten. Länderübergreifendes Kirchenasyl werde es nicht mehr geben. Bremer Gemeinden werden demnach nur noch Menschen aufnehmen, die auch zuvor in Bremen gewohnt haben.

Kirchenasyl ist ein vom Staat aufgrund christlich-humanitärer Traditionen geduldetes Sonderprivileg, um geflüchtete Menschen in Härtefallkonstellationen zeitweise vor Abschiebungen zu bewahren. Ziel ist, eine neue Prüfung des Falls durch die Ausländerbehörden zu erreichen und Zeit für die Ausschöpfung rechtlicher Mittel zu gewinnen. Laut Bremer Innenbehörde einigten sich die christlichen Kirchen mit dem Bamf im Jahr 2015 grundsätzlich über Abläufe.

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