Berliner Mietergemeinschaft auf die Probe gestellt

Antonio Leonhardt (Linke) ist Notvorstand in der zweitgrößten Mieterorganisation der Hauptstadt

Zusammenstehen in kalten Zeiten: Mieterorganisationen braucht es bei steigenden Mieten und Zwangsräumungen mehr denn je.
Zusammenstehen in kalten Zeiten: Mieterorganisationen braucht es bei steigenden Mieten und Zwangsräumungen mehr denn je.

In Zeiten steigender Mietern und Zwangsräumungen sind starke Organisationen für die Interessen von Mieter*innen wichtig. Die Berliner Mietergemeinschaft (BMG) ist die zweitgrößte Organisation dieser Art in der Hauptstadt. Sie umfasst 3000 Mitglieder und gibt das Monatsmagazin »Mieterecho« heraus. Neben hilfreichen Tipps zur Betriebskostenabrechnung bietet die BMG juristische Beratungen bei Mietproblemen in den unterschiedlichen Stadtteilen an. Bezirksgruppen der BMG organisieren Veranstaltungen zum Milieuschutz oder zur Wohnungspolitik in verschiedenen europäischen Ländern.

Seit Ende November ist Antonio Leonhardt, der wohnungspolitische Sprecher der Linken in der Bezirksverordnetenversammlung Lichtenbergs, Teil des Vereins – und zwar als Notvorstand.

Eine Pressemitteilung der BMG informiert, dass das Kammergericht Berlin per Beschluss den Rechtsanwalt Antonio Leonhardt in die Funktion des Notvorstands der BMG eingesetzt hat. Demnach wurde festgestellt, dass der bisherige Vorstand nicht die erforderliche Zahl von Mitgliedern aufwies und das einzige Vorstandsmitglied nicht wirksam zum Mitglied des Vorstands gewählt worden war. Eine Gruppe von BMG-Mitgliedern hatte zuvor erfolgreich Klage eingereicht. Leonhardt betont gegenüber »nd«, dass er keineswegs beabsichtige, inhaltlich die Politik der BMG zu bestimmen.

»Meine unmittelbare Aufgabe ist die Organisation von Delegiertenwahlen in allen Berliner Bezirken und die Wahl eines neuen Vorstands«, sagt er. Für Leonhardt ist allerdings auch klar, dass es ein ambitioniertes Vorhaben ist, das Zeit braucht. »Ich hoffe, dass bis zum Spätsommer 2025 alle Wahlveranstaltungen stattgefunden haben und ein satzungsgemäß gewählter, neuer Vorstand mit seiner Arbeit loslegen kann«, sagt der Notvorstand. Das hänge aber wesentlich von der Bereitschaft der Mitglieder ab, sich aktiv im Verein einzubringen.

Denn die Satzung der BMG ist extrem basisdemokratisch angelegt. Sie sieht vor, dass jedes einzelne Vereinsmitglied mitbestimmen kann. Nicht die Delegiertenversammlung, sondern die Mitgliederversammlung ist das entscheidende Organ.

Jene Satzung wurde in den 1980er Jahren geschrieben, als sich die BMG in Westberlin als linke Alternative zu dem eher sozialdemokratisch ausgerichteten Berliner Mieterverein präsentierte. In der BMG arbeiteten damals Mitglieder der kleinen, aber nicht einflusslosen Sozialistischen Einheitspartei Westberlin mit. Auch für viele parteiunabhängige Linke war die BMG eine attraktive Mieter*innenorganisation, die sich für Aktivist*innen der damals in Westberlin starken Besetzer*innenbewegung geöffnet hatte.

Großen Zulauf bekam die BMG Ende der 1980er Jahre im Kampf gegen die seit Kriegsende geltende Mietpreisbremse. Am 25. Juni 1987 beschloss der Bundestag das »Gesetz über die dauerhafte soziale Verbesserung der Wohnungssituation in Berlin«, wie die Aufhebung der Mietpreisbremse genannt wurde. Dagegen formierte sich eine große Mieter*innenbewegung, die in allen Stadtbezirken über Monate hinweg Debatten in der Öffentlichkeit bestimmte.

»In der BMG verändert sich gerade vieles. Es ist daher ein guter Zeitpunkt in den Verein einzutreten und aktiv zu werden.«

Antonio Leonhardt Notvorstand der BMG

Die basisdemokratische Satzung der BMG ist aus dem Geist dieses mietenpolitischen Aufbruchs vor fast 40 Jahren verfasst. Jetzt muss sich die Satzung in der Praxis bewähren. Denn nur auf ihrer Grundlage kann ein neuer Vorstand gewählt werden. Antonio Leonhardt zeigt sich gegenüber »nd« zuversichtlich: »In der BMG verändert sich gerade vieles. Es ist daher ein guter Zeitpunkt, in den Verein einzutreten und aktiv zu werden.« Die Rechtsberatung und der Mietrechtsschutz werden laut Leonhardt unverändert fortgeführt und die Vereinszeitschrift »Mieterecho« erscheint im gewohnten Rhythmus.

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