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Wenn der Ziegenkopf im Auto stinkt

Regisseurin und Autorin Julia Finkernagel macht im Podcast »Ostwärts« Reiselust vom Sofa aus erlebbar

  • Susanne Gietl
  • Lesedauer: 4 Min.
Ob georgisches Weintasting oder Hausboot in den Masuren, Julia Finkernagel entdeckt den Osten.
Ob georgisches Weintasting oder Hausboot in den Masuren, Julia Finkernagel entdeckt den Osten.

Einmal nach Georgien und zurück und das in nur 40 Minuten oder darf’s doch die Mongolei sein? Im beschwingten und auch mal beschwipsten Podcast »Ostwärts – Reisen zwischen Fernweh und Fettnäpfchen« trinkt sich Julia Finkernagel quer durch Georgien, schlägt ihre Mini-Jurte in der Mongolei auf, um dort nach schamanischen Regeln zu schlafen oder sie besucht einen Bergsee in Montenegro, in dem Feen wohnen sollen. Das alles ist wahnsinnig unterhaltsam, aber auch lehrreich aufgezeichnet. Die Fragen über die Reisen »gen Osten« stellt Nikolas Golsch, dem die Reporterin gut gelaunt alles erklärt, am Ende überreicht sie ihm ein Souvenir aus dem jeweiligen Land, das sie zum Beispiel an Ort und Stelle verspeisen.

Finkernagel, die sich stets von einer einheimischen Begleitung Bräuche und Fettnäpfchen erklären lässt, probiert nicht nur kulinarisch vieles aus. Selbst Wasser, das nach faulen Eiern schmeckt, schlürft sie. Warum, wird man im Podcast erfahren. Und auch, wie man gesittet nach georgischer Art Wein beim georgischen Festessen (Supra) trinkt. Denn dort gibt es einen trinkfesten Tischmeister, den Tamada, der sich Trinkspruch für Trinkspruch für alles bedankt, was ihm so einfällt. Trinkt er, dürfen alle anderen das Glas zum Mund führen.

Die Folge, passenderweise »Bootcamp für die Leber« genannt, ist durchaus recht weinselig, und doch nimmt man mehr mit als lustige Trinkgeschichten. Gestartet ist Finkernagel in Tbilisi, von da aus ging’s zum Schwarzen Meer und zum Kleinen Kaukasus. Die meisten Ziele erreiche man innerhalb von einem Tag, so die Reporterin. Für sie habe Georgien etwas Paradiesisches, passend dazu packt sie eine Legende aus, warum Georgien sowohl Berge als auch Meer und fruchtbare Ebenen besitzt. Und das auf einer Fläche von Bayern!

Man merkt, dass Finkernagel, die ihr Leben als Managerin gegen das Leben als reisende Reporterin getauscht hat, immer auf der Suche ist, nach dem, was ein Land auszeichnet. In Georgien sind es alte Werte und Traditionen. Obwohl sie nicht gut zu Pferde ist, reitet Finkernagel mitsamt Ranger und Bergführer quer durch einen Nationalpark. Fällt sie in einen Schmelzwasserfluss, sieht sie darin Reporterinnenglück.

»Es fährt nur eine Zicke mit und das bin ich.«

Julia Finkernagel

In den jeweiligen Ländern bleibt Finkernagel ein paar Wochen. Die jeweiligen Gastgeber oder Gastgeberinnen sucht sich die Podcasterin per Telefonat oder einem Videocall aus, manche sieht sie vor Ort zum ersten Mal. Luvsan Munchtemuulen kurz Temuulen, in Ulaanbaatar, der Hauptstadt der Mongolei, zum Beispiel. Er lebt in Anwesenheit von Finkernagel den Macho aus, aber das versteht sie erst, als sie seine Frau kennenlernt. Temuulen spannt sie gleich im Haushalt ein, wo sie lernt, warum man immer rechtsherum rühren muss, warum Tee kochen 20 Minuten dauert und warum sie zwar Frauenaufgaben ausführen muss, aber doch in der Männerecke sitzen darf.

Das Essen sei auf dem Niveau von einer »Studentenküche« mit viel Teigwaren. Die Ziege, die Finkernagel zu Ehren geschlachtet wurde, probiert Finkernagel nur widerwillig. Als ihr dann noch der Ziegenkopf mitgegeben wird, der langsam im Fußraum des Autos vor sich hinschmort, ist klar: »Es fährt nur eine Zicke mit und das bin ich.« Aber, rudert Finkernagel zurück: Wenn man mäkelig sei, dann könne man sich über das Essen des Landes aufregen, aber sie schwärmt von der Natur, dem Land und der Kultur, die ganz anders sei. Selbst Lächeln gilt in der Mongolei als unhöflich. Denn wer lächelt, zeigt seine Zähne.

Finkernagel besucht eine 25-jährige Schamanin, die trommelnd in Trance die Stimme eines alten Mannes annimmt, der in einer uralten Sprache spricht. Als die Journalistin nach ihrem nächsten Reiseziel fragt, gibt ihr die Stimme ein Rätsel auf: »Südosten sieht sie, aber glaubt an Südwesten.« Das Rätsel wird wohl für immer ungeklärt bleiben.

Wen so richtig die Reiselust gepackt hat, der kann »Ostwärts« auch als Doku-Reihe in der ARD-Mediathek ansehen.

Verfügbar in der ARD-Audiothek und auf allen gängigen Podcast-Plattformen

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