Werbung

Chanukkah: Öl und Feuer

Wo ist eigentlich das Land, in das die Zeit, mindestens schon einige Jahrtausende gegangen sind?

Auch am Brandenburger Tor ist traditionell der Chanuka-Leuchter entzündet: ein Zeichen gegen Antisemitismus.
Auch am Brandenburger Tor ist traditionell der Chanuka-Leuchter entzündet: ein Zeichen gegen Antisemitismus.

Chanukkah ist das Lichterfest und das Fest der Freude und des Lobes und des Dankes – und überhaupt fällt es fast mit Weihnachten zusammen, sowohl zeitlich als auch terminlich. Deshalb sagt man auch »Weihnukka«, obwohl ich eigentlich »Chanachten« vorziehen würde, erstens, weil es klingt, als ob es um eine Channa ginge, und das auch noch in der Nacht, was der Vorstellung durchaus angenehm sein könnte, auch wenn das natürlich nicht sonderlich weihevoll anmutet, während zweitens Chanukkah umgekehrt an sich schon »Weihe« bedeutet, weshalb »Weihnukkah« eigentlich so viel heißen würde wie »Weiheihe«, was drittens noch viel hässlicher klingt als »Chanachten«. Daher würde ich »Chanachten« vorziehen, aber auf mich hört ja wieder keiner, ganz so wie auf das H am Ende von Chanukkah, auf das niemand hört, weil es nicht zu hören ist. Auch das hat Chanukkah mit Weihnachten gemeinsam, dass man das H nicht hört.

Daher würde ich »Chanachten« vorziehen, aber auf mich hört ja wieder keiner, ganz so wie auf das H am Ende von Chanukkah, auf das niemand hört, weil es nicht zu hören ist, selbst wenn es mitgeschrieben – und erst recht, wenn es ausgelassen wird. Auch das hat Chanukkah mit Weihnachten gemeinsam, dass man das H nicht hört.

Ezzes von Estis

Alexander Estis, freischaffender Jude ohne festen Wohnsitz, schreibt in dieser Kolumne so viel Schmonzes, dass Ihnen die Pejes wachsen.

Und deshalb ist es kein Wunder, wenn Chanukkah fast mit Weihnachten zusammenfällt, besonders dieses Jahr. Nicht einmal einen eigenen Termin will man uns jetzt also gönnen. Doch ich will kein Öl ins Feuer gießen; Feuer gibt es ohnehin schon genug, aber Öl nicht. Und genau darin bestand das Problem in der Geschichte von Chanukkah.

Ja, damals, zur Zeit der Seleukiden, bestand das Problem genau darin. Also zunächst bestand das Problem genau in den Seleukiden, und darin besteht das Problem nach wie vor, erstens, weil das ein kompliziertes Wort ist, das niemand kennt – und selbst wer es kennt, weiß nicht recht, ob die Seleukiden jetzt Griechen, Makedonier, Syrer oder Hellenen waren oder am Ende sogar Diadochen. Immerhin weiß man aber, dass sie ein Problem waren, weshalb die Makkabäer sie bekämpften, und das mit Erfolg. Fürderhin bestand das Problem dann in den Makkabäern.

Dazwischen aber, und genau dies ist die Geschichte von Chanukkah, bestand das Problem darin, dass es nach dem Sieg der Makkabäer nicht genug Öl gab, um die Menorah zu entzünden, selbst wenn man das H weggelassen hätte, weil man es nicht hört, und nur die Menora angezündet hätte. Denn das Öl reichte nur für einen Tag. Doch ein großes Wunder geschah dort – und das Öl für einen Tag reichte plötzlich für acht. Da dachten sich unsere Vorväter (also diejenigen von ihnen, die nicht während des Aufstandes und zusätzlich nicht auf den Kopf gefallen waren): Wenn das mit dem Öl so läuft wie geschmiert, wenn wir also schon so ein Wunder haben, dann können wir statt eines siebenarmigen auch gleich einen achtarmigen Leuchter nehmen oder, wer weiß, vielleicht sogar einen neunarmigen. Paar Lichter mehr, paar Lichter weniger – das sollte für ein vernünftiges Wunder schon keinen großen Unterschied machen. Deshalb nutzt man an Chanukkah seither einen neunarmigen Leuchter, und dieser heißt Chanukkia.

Nachdem seither ein paar Jahrtausende ins Land gegangen sind (das Land würde ich gern einmal besuchen, wohin all die Jahre gehen), stellt sich nun natürlich die Frage: Mit welchem Öl soll man die Chanukkia heute anzünden? Darauf gibt der Talmud eine nicht mehr und nicht minder klare Antwort als auf alles andere: Man darf in der Chanukkia jedes Öl verbrennen, »ausgenommen Verbrenn-Öl«.

Und wann entzündet man das Licht an der Chanukkia? Darauf gibt der Talmud eine sogar noch klarere Antwort: »Man darf es nicht zu früh und nicht zu spät anzünden.«

nd.DieWoche – unser wöchentlicher Newsletter

Mit unserem wöchentlichen Newsletter nd.DieWoche schauen Sie auf die wichtigsten Themen der Woche und lesen die Highlights unserer Samstagsausgabe bereits am Freitag. Hier das kostenlose Abo holen.

Und nach welchem System entzündet man das Licht an der Chanukkia? Darauf gibt der Talmud eine beinah schon ganz klare Antwort: »Es wurde gelehrt: Rabh sagt, man dürfe bei der Chanukkia nicht ein Licht an dem anderen anzünden; Schemuel sagt, man dürfe anzünden.« Das ist so klar, wie das Licht des Naphtha-Öls, von dem mir leider unklar ist, ob man es in der Chanukkia brennen darf oder nicht.

Aber eines ist mir klar: Die Lehre von Chanukkah ist, dass man kein Öl ins Feuer gießen soll – denn es könnte sein, dass es ohnehin noch für acht Tage reicht. Aber auf mich will ja wieder keiner hören, genauso wie auf das P in Chanukkah.

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.