- Gesund leben
- Amalgam
Zahnfüllungen weiter zuzahlungsfrei
Ab 1. Januar ist Amalgam in der EU verboten. Selbstklebende Materialien dienen als Ersatz
Haltbar, preiswert, leicht zu verarbeiten: Zahnfüllungen aus Amalgam haben klare Vorteile. Dennoch ist der Stoff wegen seines giftigen Quecksilberanteils seit vielen Jahren umstritten. Jetzt darf er gar nicht mehr verwendet werden: Ab 1. Januar ist Amalgam in der EU für neue Füllungen verboten. Nur in speziellen, gut begründeten Fällen sind bis 2029 Ausnahmen möglich.
Durch die Maßnahme will die Union die Quecksilberbelastung der Umwelt reduzieren. Das Schwermetall wird nämlich zum Beispiel dann freigesetzt, wenn bei Feuerbestattungen dentales Amalgam verbrannt wird. Zuletzt wurden in der EU noch rund 40 Tonnen Quecksilber pro Jahr für Zahn-Amalgam verbraucht.
Komposite: Verbundmaterialien, die aus Glas-, Keramik-, Quarz- und Kunststoffteilchen bestehen. Die Füllungen werden mit speziellem Kleber befestigt. Sie fallen nicht auf und halten Belastungen gut stand.
Bulk-Fill-Komposite: Der Materialmix lässt sich in größeren Portionen in den geschädigten Zahn geben. Zusätzlicher Kleber ist aber nötig.
Glasionomer-Zemente: Das Material wird aus Glaspulver und Flüssigkeit angemischt und haftet direkt. Allerdings sind die Füllungen weniger bruchfest als Komposite. Sie eignen sich vor allem für Defekte an Seitenzähnen oder Zahnhälsen.
Selbstadhäsive Komposit-Hybride: Diese speziellen Komposite enthalten Zusätze, durch die sie direkt an den Zahn binden. Die Materialien haften zwar nicht so gut wie herkömmliche Kunststoffe, sind aber sehr kaustabil. Teils wurden sie noch nicht über längere Zeiträume erforscht. ast
Für die meisten Patienten bringt das Verbot keine großen Änderungen. Kassenversicherte haben laut GKV-Spitzenverband auch weiter Anspruch auf zuzahlungsfreie Zahnfüllungen. »Es wurde ohnehin nur noch wenig Amalgam verwendet«, sagt der Münchner Zahnarzt Jens Kober von der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Bayern. Unter anderem ist der Stoff aus ästhetischen Gründen wenig beliebt: Die grau-silbrigen Füllungen sind so auffällig, dass sie allenfalls für versteckt liegende Löcher an Seitenzähnen verwendet wurden.
Laut Kassenzahnärztlicher Bundesvereinigung (KZBV) waren zuletzt nur etwa zwei Prozent aller Füllungen Amalgam-Füllungen. Allerdings gibt es einen beachtlichen Ost-West-Unterschied: In den sogenannten neuen Bundesländern waren es 2022 knapp 6 Prozent, in den alten dagegen nur 1,6 Prozent. Wie groß die regionalen Unterschiede bei der Amalgam-Versorgung sind, macht auch der Barmer-Zahnreport deutlich. Vor allem Süden und Osten weichen stark voneinander ab: Während 2023 in Baden-Württemberg für nur 1,2 Prozent aller Seitenzahnfüllungen Amalgam verwendet wurde, waren es in Mecklenburg-Vorpommern über 11 Prozent.
Wer noch Amalgam-Füllungen hat, kann diese behalten. Solange sie intakt sind, sollten sie nicht herausgebohrt werden. Das könnte nicht nur dem Zahn schaden, sondern dabei entweichen auch – wie beim Legen einer Amalgam-Füllung – kurzzeitig Quecksilberdämpfe. Ansonsten ist das Metall in der Füllung fest gebunden, wie es beim Krebsinformationsdienst des Deutschen Krebsforschungszentrums heißt. Die Mengen des Stoffs, die man über Zahnfüllungen aufnehme, sei unbedenklich für den Menschen – auch wenn die Belastung mit zunehmender Zahl und Größe der Füllungen steige.
Als Alternative zu Amalgam-Füllungen, bei denen Patienten nichts zuzahlen mussten, stehen verschiedene Materialien zur Verfügung. Welche sich am besten eignen, hängt auch davon ab, wie groß das Loch ist, wo es sitzt und wie hoch das Risiko für neue Karies ist. Kassenpatienten sollen weiterhin ausreichend versorgt werden, ohne dass ihnen Mehrkosten entstehen – das jedenfalls ist der Anspruch von GKV und KZBV. »Idealerweise wird von Fall zu Fall entschieden, welche Füllung am besten geeignet ist«, sagt Gesa Schölgens von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen.
Im Seitenzahnbereich können Zahnärzte statt Amalgam selbstadhäsive Materialien nutzen, also Stoffe, die von allein kleben. Dazu gehören Glasionomer-Zemente, die aus Glaspulvern angemischt werden. »Diese Materialien haben wir schon viele Jahre in der Versorgung«, sagt Kober. Sie seien kaustabil und hielten mindestens zwei Jahre lang. Kommen solche Füllungen nicht infrage, zahlen die Krankenkassen in Ausnahmefällen auch Bulk-Fill-Komposite. Das sind Kunststoff-Gemische, die in größeren Portionen aufgetragen werden, was den Aufwand im Vergleich zu anderen Kompositen verringert. Allerdings ist zum Befestigen ein zusätzlicher Kleber nötig.
Derzeit werden laut Kober am häufigsten zuzahlungspflichtige Kompositfüllungen (Kunststofffüllungen) verarbeitet. »Da haben wir die meisten Erfahrungen«, berichtet der Zahnarzt. Die Füllung punktet demnach mit hoher Haltbarkeit und Ästhetik: Weil sie in mehreren Schichten aushärtet, passt sie sich besonders gut an. Zudem kann das Material gut an die jeweilige Zahnfarbe angeglichen werden. Allerdings ist das Verfahren aufwendig, da schichtweise gearbeitet wird. Außerdem muss eine Art Kleber aufgetragen werden, damit das Komposit am Zahn haftet. Wegen dieses Mehraufwands ist die Füllung auch teurer.
Oft wurde Amalgam als besonders langlebiges Material gelobt. Wie gut Alternativfüllungen hier mithalten können, ist unklar. So geht die Patientenvertretung im Gemeinsamen Bundesausschuss davon aus, dass selbstklebende Materialien deutlich kürzer halten als Amalgam und Komposit. Wer sich eine zuzahlungspflichtige Kunststofffüllung nicht leisten kann, bleibe auf der Strecke. »Menschen mit wenig Geld sind ab 2025 damit konfrontiert, dass ihre Füllungen früher kaputtgehen und erneuert werden müssen«, kritisiert die Patientenvertretung.
Bei der Verbraucherzentrale sieht man das anders: »Wenn man die Studienlage betrachtet, kann man in puncto Haltbarkeit keine großen Unterschiede zwischen den alternativen Füllmaterialien feststellen«, sagt Gesa Schölgens. Patientinnen müssten nicht befürchten, mit »Billigmaterial« abgespeist zu werden, wenn sie eine zuzahlungsfreie Füllung wählen. »Was die Kasse zahlt, ist wissenschaftlich geprüft. Man braucht nicht unbedingt Zusatzleistungen.« Daher rät sie, deren Angebot explizit nachzufragen. »Wir haben die Befürchtung, dass aufgrund der Neuregelungen zu Zusatzleistungen gedrängt werden könnte«, sagt sie.
Bei größeren Defekten kommen Einlagefüllungen (Inlays), Teilkronen und Kronen infrage, die individuell im Labor angefertigt werden. Sie sind besonders haltbar, aber mit teils hohen Zuzahlungen verbunden. Meist bestehen sie aus Goldlegierungen oder Keramik. »Die funktionellste Füllung, die es gibt, ist die Goldversorgung«, schwärmt Kober. »Sie kann lebenslang halten.« Aus ästhetischen Gründen ist Gold heute aber weniger gefragt, dafür hat Keramik einen Aufschwung erlebt. »Keramik ist unschlagbar, was die Ästhetik anbetrifft.«
Am besten sei es dennoch, erst gar keine Löcher zu bekommen. Hier ist die Zahnmedizin auf einem guten Weg: Dank Aufklärung und besserer Mundhygiene ist Karies kontinuierlich auf dem Rückzug. Betrug die Zahl der Füllungen 1991 noch etwa 85 Millionen, waren es 2023 laut KZBV gerade 44,5 Millionen.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.