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Heidi Reichinnek: Sozialismus mit Hashtag
Spitzenkandidatin Heidi Reichinnek war auf Wahlkampftour in Düsseldorf
Blickt man ins Gesicht von Heidi Reichinnek, sieht man Freude, Begeisterung, Motivation – und keine Spur von Zweifeln. Die Spitzenkandidatin der Partei Die Linke für die bevorstehende Bundestagswahl versprüht Zuversicht. Dass die Partei eventuell an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern könnte, daran denkt die 36-Jährige »gar nicht«. »Wir werden nicht kleinzukriegen sein«, sagt sie gegenüber »nd«.
Die Ko-Vorsitzende der Linke-Gruppe im Bundestag war am Freitagnachmittag in Düsseldorf zu Besuch. Im einstigen Arbeiter- und heutigen »Multikulti-Stadtteil« Rath, wie ihn eingefleischte Einwohner gegenüber »nd« beschreiben. Reichinnek beantwortet so ziemlich jede Frage, lacht und spricht aktiv Leute an.
Am liebsten macht die aus dem sachsen-anhaltischen Merseburg stammende Politikerin aber Selfies und Kurzvideos – eines ihrer Markenzeichen – mit den zahlreich erschienenen jungen Menschen am eisigen Freitagnachmittag. »Ich kenne Heidi von Tiktok. Ich finde klasse, wie sie die großen Themen an junge Leute adressiert«, sagt die 19-jährige Nadia. Kopfnicken von ihren Freundinnen.
Auch weil sie dank ihrer starken Medienpräsenz in den sozialen Medien viele junge Wähler erreicht und so für eine Modernisierung der Partei zu stehen scheint, ist sie vor einigen Wochen an der Seite von dem erfahrenen »Oldie« Jan van Aken zur Spitzenkandidatin vom Bundesvorstand nominiert worden. Mit ihren politischen und mitunter provokanten Kurzvideos erzielt Reichinnek nach eigenen Angaben eine der höchsten Reichweiten von Politikern auf dem Videoportal Tiktok.
Reichinnek trat vor zehn Jahren in Die Linke ein und steht für den viel zitierten Aufbruch, den es in den vergangenen Monaten in der Partei gegeben haben soll. Allein in Nordrhein-Westfalen, wo Die Linke traditionell große Probleme hat, gibt es so viele Eintritte in die Partei und so viele Mitglieder wie noch nie.
Entsprechend gut ist die Stimmung momentan im Landesvorstand und an der Basis. »Das merke ich auch bei meinen vielen Gesprächen in Wuppertal, Bochum, Köln und jetzt hier in Düsseldorf«, sagt Reichinnek, die seit 2021 als Abgeordnete im Deutschen Bundestag sitzt.
»Die richtig wohlhabenden und vermögenden Menschen werden in Deutschland viel zu wenig besteuert.«
Heidi Reichinnek Die Linke
Trotz dieser Prominenz ist ihr Name in Düsseldorf, spricht man mit Passanten rund um den Hülsmeyerplatz, bislang nicht vielen ein Begriff. Wohl aber Sahra Wagenknecht – oder Gregor Gysi. Das will sie ändern. »Mein Ziel ist der Wiedereinzug und dass wir eine eigene, schlagkräftige Fraktion nach den Wahlen bilden«, sagt Reichinnek.
Um dieses Ziel zu erreichen, kämpft sie für bezahlbare Mieten und Preise an den Supermarktkassen, höhere Renten und Steuersenkungen. Eines ihrer Hauptanliegen ist es, Einkommen unter 6500 Euro brutto pro Monat steuerlich zu entlasten. »Die richtig wohlhabenden und vermögenden Menschen werden in Deutschland viel zu wenig besteuert«, argumentiert die Politikerin, die in Osnabrück ihren Wahlkreis hat. Diese Menschen sollten sich »endlich auch gerecht an der Finanzierung der Gesellschaft« beteiligen. »Wenn wir von einer Vermögensteuer reden, denken zu viele, sie seien davon betroffen – sind sie mit 2000 Euro netto aber nicht. Das muss man immer wieder deutlich machen.«
Keinesfalls sei es alter Wein in neuen Schläuchen, wenn sie sich wie viele ihrer Vorgänger für eine Vermögens- und Erbschaftssteuer einsetze. Klassische Umverteilung eben, die angesichts der starken und immer deutlicher werdenden finanziellen und ökonomischen Ungleichheit im Land dringender denn je erscheint.
Auf dem Parteitag in Halle im Oktober sagte Reichinnek, Die Linke müsse mehr vor Ort in den Kreisverbänden und Gewerkschaften tätig werden. Das nimmt man ihr ab, wenn man sie in Düsseldorf agieren sieht. Sie ist nah am Bürger, hört interessiert zu. Damit wirbt schließlich auch ihre Partei. Abwehrhaltung gebe es immer weniger ihr persönlich gegenüber, was früher auch mal anders gewesen sei, sagt sie.
Der Kreisverband Düsseldorf ist voll des Lobes. »So viel Begeisterung bei jungen Leuten haben wir in Düsseldorf für eine linke Spitzenkandidatin noch nicht erlebt.« Dass sie in NRW gut ankommt, bestätigt der Landesvorstand. »Heidi Reichinnek wirkt sehr positiv in den sozialen Netzwerken auf gerade jüngere Menschen. Es ist gut, dass Die Linke somit unterschiedliche Milieus ansprechen kann. Durch den kurzen Wahlkampf wird es nicht gelingen, viele prominente Parteigesichter vor Ort zu haben«, sagt Landessprecher Sascha H. Wagner.
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