Bundesregierung schwächt gewaltfreie Akteure

Finanzierung für israelische und palästinensische Menschenrechtsgruppen gestoppt

Ein Schlüssel ist das Symbol von Palästinenser*innen für das Rückkehrrecht in ihre Heimat. Die Bundesregierung will eine Organisation, die darüber spricht, nicht weiter unterstützen.
Ein Schlüssel ist das Symbol von Palästinenser*innen für das Rückkehrrecht in ihre Heimat. Die Bundesregierung will eine Organisation, die darüber spricht, nicht weiter unterstützen.

Die deutsche Regierung ist nach den Angriffen palästinensischer Gruppen auf Israel am 7. Oktober 2023 und Israels anschließenden Krieg in Gaza bei der Finanzierung von Projekten in der Region viel restriktiver geworden. Eine Recherche der Deutschen Welle (DW) dokumentiert, wie dies mit Zochrot und New Profile nun auch zwei bekannte israelische Träger trifft, die von der wendländischen Bildungs- und Begegnungsstätte Kurve Wustrow unterstützt werden. Sie gehören zu 15 Organisationen aus Israel und den besetzten Gebieten in Palästina, die nach Informationen der DW eine deutsche Regierungsfinanzierung verloren haben.

Der Sender stützt die Recherche auf Dutzende von zivilgesellschaftlichen Quellen und sieht die Definanzierung als »Teil eines größeren Musters«, bei dem Bundesmittel für Nichtregierungsorganisationen gestrichen werden, wenn diese sich gegen Israels Politik wenden. Das Außenministerium weist dies zurück und erklärt, es finanziere weiterhin »zahlreiche NGOs in Israel und den palästinensischen Gebieten, die die israelische Besatzungspolitik kritisieren«.

New Profile ist eine Bewegung, die in Israel Menschen unterstützt, die den Militärdienst aus Gewissensgründen verweigern. Die Betroffenen müssen regelmäßig ins Gefängnis. Zochrot, das auf Hebräisch »Erinnern« bedeutet, widmet sich der Aufarbeitung der Nakba – der Vertreibung von Palästinenser*innen nach der Staatsgründung Israels 1948. Die Organisation fordert unter anderem das Rückkehrrecht für Flüchtlinge und ihre nachgeborenen Angehörigen. Dies lehnt die israelische Regierung entschieden ab – wie auch die Nakba von rechten Kreisen geleugnet wird.

Es bleibt unklar, welche Gründe zum Förderstopp für New Profile und Zochrot führten. Beide Organisationen haben erklärt, dass sie sich klar gegen Antisemitismus aussprechen und das Existenzrecht Israels nicht infrage stellen. Naheliegend ist, dass sie aus Sicht der damaligen Ampel-Koalition trotzdem die uneingeschränkte deutsche Unterstützung für Israels Krieg in Gaza unterlaufen haben. Die Direktorin von Zochrot, Rachel Beitarie, beschrieb, dass ihr deutsche Beamt*innen gesagt hätten, aufgrund der deutschen Geschichte sei es wichtig, Israel zu unterstützen.

Der Verlust der deutschen Förderung ist für die Organisationen schmerzhaft: Zochrot berichtet, dass etwa ein Viertel des Jahresbudgets wegfiel, New Profile verlor sogar rund die Hälfte ihrer Finanzierung.

Die Kurve Wustrow unterstützt neben Partnern in Nahost auch antimilitaristische Gruppen und Organisationen in Myanmar, Nepal, Sri Lanka, dem Sudan und in der Ukraine. Es sei das erste Mal überhaupt, dass die Bundesregierung eines ihrer laufenden Projekte mitten in der Laufzeit beendet, erklärte der Direktor von Kurve Wustrow, John Preuss, gegenüber »nd«. Warum die Kriegsdienstverweigerung als eine legitime gewaltfreie Aktion von New Profile nicht mehr unterstützt werden soll, kann er sich nicht erklären. Das Hauptthema von Zochrot ist die Rückkehr von palästinensischen Vertriebenen; als völkerrechtlich verbrieftes Recht und Knackpunkt friedlicher Lösungen sollte auch dies öffentlich diskutiert werden dürfen, sagt Preuss.

Zukünftig müssen sich ausländische Projektpartner an derartige Entscheidungen der Bundesregierung gewöhnen. Der Bundestag hat im vergangenen November die Resolution »Nie wieder ist jetzt: Jüdisches Leben in Deutschland schützen, bewahren und stärken« verabschiedet, die öffentliche Zuschüsse an die Einhaltung der umstrittenen IHRA-Definition von Antisemitismus knüpft.

Davor warnen nun mehrere Organisationen, die sich weltweit für gewaltfreien Widerstand einsetzen, in einer Petition. Unter ihnen sind neben der Kurve Wustrow das Forum Ziviler Friedensdienst, Medico International, der Weltfriedensdienst und Oxfam Deutschland. Deutschland habe in der Geschichte des Holocaust begründet eine besondere Verantwortung, Menschenrechte wie das Recht auf Kriegsdienstverweigerung und das Völkerrecht zu verteidigen, heißt es in der Petition. »Wenn die deutsche Bundesregierung stattdessen die Förderung der Zivilgesellschaft in Palästina und Israel, die sich für jene Rechte einsetzt, einschränkt, riskiert sie nicht nur ihre Glaubwürdigkeit, sondern trägt auch dazu bei, friedliche und gerechte Lösungen in Palästina und Israel zu untergraben.«

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