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Fehlende Sozialwohnungen: Einzelfall Europacity

215 vertraglich verinbarte Sozialwohnungen wurden in der Europacity nicht gebaut,. Der Berliner Senat will klagen

Ein fast blauer Himmel ist über einem neuen Wohnhaus in der Europacity zu sehen
Ein fast blauer Himmel ist über einem neuen Wohnhaus in der Europacity zu sehen

Hat sich der Senat über den Tisch ziehen lassen? Oder waren es politische Fehlentscheidungen? Der Skandal rund um 215 »verschwundene« Sozialwohnungen in der Europacity am Hauptbahnhof beschäftigt die Verwaltung weiter. Die Aufarbeitung verläuft aber gemächlich. Eine angekündigte Klage wurde noch nicht eingereicht. Das zuständige Anwaltsbüro sei noch in der Prüfung, teilt Bausenator Christian Gaebler (SPD) am Montag in der Sitzung des Stadtentwicklungsausschusses im Abgeordnetenhaus mit. »Das ist aber rechtlich kein Problem, weil es keine Verjährungstatbestände gibt«, so der Senator weiter.

Im Sommer 2024 hatten Recherchen des »Tagesspiegels« gezeigt, dass in der Europacity ursprünglich in einem städtebaulichen Rahmenvertrag vereinbarte 215 Sozialwohnungen nicht entstanden sind. Statt günstiger Wohnungen für Mieter*innen mit Wohnberechtigungsschein werden vom Anbieter Habyt teure möblierte Wohnungen vermietet. Und das sogar legal. Die geplante Klage hat nur mittelbar mit den verschwundenen Sozialwohnungen zu tun. Sie soll sich dagegen richten, dass das Grundstück ohne Zustimmung des Landes Berlin an einen neuen Eigentümer übertragen wurde.

Im 2011 geschlossenen Rahmenvertrag war der damalige Eigentümer noch verpflichtet worden, Fördermittel in Anspruch zu nehmen, um Sozialwohnungen zu bauen. Diese Verpflichtung wurde aber 2021 in einer Nachtragsvereinbarung aus dem städtebaulichen Vertrag gestrichen. »Wir mussten in Rücksprache mit Juristen die Verpflichtung rausnehmen«, sagt die Leiterin der Wohnungsbauleitstelle Grit Schade. Die Senatsverwaltung war der Auffassung gewesen, dass die Verpflichtung in einem Klageverfahren keinen Bestand gehabt hätte, erläutert Gaebler.

Dass sich ein solcher Fehler wiederholt, ist unwahrscheinlich. Im 2014 eingeführten Modell der kooperativen Baulandentwicklung werden Vertragspartner*innen dazu verpflichtet, einen Anteil von mindestens 30 Prozent Sozialwohnungen zu schaffen und nicht nur Förderung in Anspruch zu nehmen. Man habe Projekte aus dieser Zeit überprüft und festgestellt, dass es keine Fälle gebe, in denen eine ähnliche Situation eintreten könnte, so Gaebler. »Wir gehen davon aus, dass sich ein solcher Fall nicht wiederholen kann.«

Senat und Regierungsfraktion wollen deswegen in die Zukunft blicken. »Politisch ist das Ganze natürlich ärgerlich, und man muss dafür Sorge tragen, dass sich das nicht wiederholt«, sagt Senator Gaebler. Der baupolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Matthias Kollatz, schlägt in die gleiche Kerbe: »Wichtig ist, dass sich Fehler nicht wiederholen und dass Schaden minimiert wird.« Sein CDU-Kollege Ersin Nas pflichtet ihm bei, sagt aber auch, dass es wichtig sei, rechtlich gegen den Eigentümer vorzugehen.

Die Aufarbeitung, wie genau es zu diesem Fehler kommen konnte, stockt. »Im Grunde weiß der Senat immer noch nicht, wer politisch entschieden hat«, kritisiert Katrin Schmidberger (Grüne), baupolitische Sprecherin ihrer Fraktion. Viele ihrer Fragen, etwa warum die Hausspitze erst spät von dem Vorgang erfahren hatte, bleiben unbeantwortet. Senator Gaebler versichert, dass es ihm auch darum gehe, das aufzuklären. »Wir spielen nicht auf Zeit«, so der Senator.

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