Verfassungstreue-Check auf der Kippe

Sinneswandel bei der SPD. Die Wagenknecht-Partei zeigt sich zufrieden

  • Matthias Krauß
  • Lesedauer: 3 Min.
Wer Polizeibeamter werden will, auf den hat Verfassungsschutzchef Jörg Müller ein Auge.
Wer Polizeibeamter werden will, auf den hat Verfassungsschutzchef Jörg Müller ein Auge.

Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) steht als neuer Koalitionspartner der SPD in Brandenburg der Regelanfrage beim Verfassungsschutz für angehende Staatsdiener kritisch gegenüber. Die SPD rudert aber schon selbst zurück. Beide wollen den sogenannten Verfassungstreue-Check im Frühjahr überprüfen.

Für die SPD bedeutet es eine Abkehr von einem zentralen Thema der vergangenen Legislaturperiode. Gemeinsam mit den damaligen Koalitionspartnern CDU und Grüne hatte sie den Verfassungstreue-Check für Bewerber im Staatsdienst auf den Weg gebracht. Seit September müssen alle Beamtenanwärter damit leben, dass beim Verfassungsschutz angefragt wird, wie treu sie zum Grundgesetz stehen.

Am Dienstag bekräftigte BSW-Fraktionschef Niels-Olaf Lüders die Skepsis seiner Fraktion: »Für uns ist das ein Riesenproblem.« Er sprach von willkürlichen Entscheidungen. Dem sei »Tür und Tor« geöffnet. Lüders bezeichnete es als unverhältnismäßig, jeden Bewerber ohne den geringsten Verdacht einer solchen Überprüfung zu unterziehen. »Natürlich wollen auch wir keine Radikalen im Staatsdienst«, beteuerte Lüders fort. Doch könne es nicht sein, dass aus Verdachtsfällen so schnell scheinbar erwiesene Fälle werden und den Bewerbern nur noch der umständliche Weg der Gegenklage offen bleibe. Dies stelle »den Rechtsstaat auf den Kopf«.

»Natürlich wollen auch wir keine Radikalen im Staatsdienst.«

Niels-Olaf Lüders BSW-Fraktionschef

Laut Lüders reichen die bisherigen Instrumente zur Abwehr verfassungsfeindlicher Bewerber vollkommen aus. Er lobte die SPD für ihre Kooperationsbereitschaft und dafür, dass die im Koalitionsvertrag vereinbarte Überprüfung des Gesetzes gleich so schnell kommt. Ursprünglich sei das Vorhaben für Ende 2027 vorgesehen gewesen, doch »haben wir es vorgezogen«. Da es dem BSW um die geistigen, moralischen und rechtlichen Grundlagen gehe, sei es gar nicht so wichtig, wie viele Bewerber inzwischen von der geltenden Regelung betroffen waren. »Uns geht es um eine wissenschaftliche Beurteilung.« Lüders zufolge laufen die Vorbereitungen. »Ich rechne damit, dass es im Frühjahr in die vollen geht.«

SPD-Fraktionschef Björn Lüthmann bestätigte am Dienstag, dass sich die SPD bereiterklärte, den Verfassungstreue-Check zeitnah zu überprüfen. Schon vor wenigen Tagen kündigte die neue Innenministerin Katrin Lange (SPD) von sich aus an, aktiv zu werden. Sie sagte: »Wir hatten vorher schon alle Möglichkeiten, Extremisten wirksam aus dem öffentlichen Dienst zu entfernen. Ich war schon einmal Innenstaatssekretärin, ich kann das beurteilen.« Im Grundsatz sei man sich einig: »Verfassungsfeinde gehören nicht in den Staatsdienst.«

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Offen ist, ob der unter dem alten Innenminister Michael Stübgen (CDU) eingeführte Check nur angepasst oder ganz abgeschafft wird. Nach Angaben des Innenministeriums ist die Regelung bundesweit einmalig. Vor dem Amtseid gibt es für angehende Beamte eine Regelanfrage beim Verfassungsschutz, ob sie mit Bestrebungen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung aufgefallen sind. Angehende Richter und Staatsanwälte sind von der Anfrage ausgenommen.

Auch die seit der Landtagswahl vom 22. September nicht mehr im Landtag vertretene Linke hatte den Verfassungstreue-Check kritisch gesehen. »Mein Vertrauen in den Verfassungsschutz geht gegen null«, hatte Linksfraktionschef Sebastian Walter gesagt. Das Potsdamer Moses-Mendelsohn-Zentrum Potsdam hatte vor einem Jahr festgestellt, dass 28 Prozent der brandenburgischen Beamten den politischen Zielen der AfD zustimmen.

BSW-Fraktionshcef Lüders verwies am Dienstag auf schlechte Erfahrungen, die in der Bundesrepublik mit dem 1972 in Kraft getretenen Radikalenerlass gesammelt wurden. Der wurde als Instrument gegen Neonazis eingeführt, traf dann aber vor allem Linke. 1995 gab der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte einer niedersächsischen Lehrerin recht, die infolge des Radikalenerlasses aus dem Schuldienst entfernt worden war. Ihr war angekreidet worden, der Deutschen Kommunistischen Partei anzugehören. Sie wurde rehabilitiert und musste wieder eingestellt werden.

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