Helios-Klinikum in Berlin: Eingliedern statt Ausrenken

Physio- und Ergotherapeuten gehen bei Helios-Tochter in Pankow in Warnstreik

Zwei HTO-Beschäftigte reißen eine symbolische Lohnmauer ein.
Zwei HTO-Beschäftigte reißen eine symbolische Lohnmauer ein.

Die Mauer ist zwar aus Papier und nicht aus Steinen, aber scheint doch stabil. »Lasst uns die Lohnmauer einreißen!«, ruft Verdi-Gewerkschaftssekretärin Gisela Neunhöffer ins Mikrofon. Sodann machen sich zwei Beschäftigte in gelben Warnwesten daran, die symbolische Mauer in Fetzen zu reißen, während Trillerpfeifen und Jubel erklingen.

Vor der Zentrale des Krankenhaus-Konzerns Helios an der Friedrichstraße in Mitte haben sich am Mittwochvormittag etwa 30 Beschäftigte des Helios-Klinikums im Pankower Ortsteil Buch versammelt: Ergo-, Physio- und Kreativtherapeuten sowie Logopäden. Seit zwei Tagen befinden sie sich im Warnstreik. »Ihr müsst unter Scheißbedingungen arbeiten«, ruft Jana Seppelt, Verdi-Landesfachbereichsleiterin, ihnen zu. Daher sei man heute vor die Unternehmenszentrale gezogen, um den Forderungen im Tarifstreit Nachdruck zu verleihen.

Die 54 Therapeuten am Klinikum Buch sind nicht direkt bei Helios angestellt, sondern bei einer Tochterfirma, der Helios Therapie Ost (HTO). Dort müssen sie ohne eigenen Tarifvertrag zu wesentlich schlechteren Bedingungen arbeiten als Beschäftigte der Stammgesellschaft.

Die Löhne liegen bei der HTO deutlich niedriger als für Beschäftigte im Helios-Haustarifvertrag. »Je nach Gehaltsstufe und Berufserfahrung kann der Unterschied mehrere Hundert Euro, in der Spitze bis zu 1500 Euro betragen«, sagt Verdi-Gewerkschaftssekretärin Neunhöffer gegenüber »nd«. Zudem müssten die HTO-Therapeuten mehr arbeiten: Ihre wöchentliche Arbeitszeit betrage 40 Stunden gegenüber den tariflich vereinbarten 38,5 Stunden. Eine Jahressonderzahlung (Weihnachtsgeld) gebe es im Gegensatz zu anderen Helios-Beschäftigten nicht, auch die Zuschläge für Wochenendarbeit fielen bei der HTO wesentlich geringer aus.

Für Neunhöffer zusätzlich empörend: Nur die Beschäftigten in Buch wurden 2013 in die Tochtergesellschaft ausgegliedert, während Therapeuten am Standort Zehlendorf etwa ganz selbstverständlich nach Tarif bezahlt würden. »Sie werden wie Beschäftigte zweiter Klasse behandelt«, sagt Neunhöffer. Verdi will in den Verhandlungen durchsetzen, dass die Therapeuten in Buch wieder in den Helios-Tarifvertrag zurückkehren können oder zumindest einen gleichwertigen eigenen Tarifvertrag bekommen.

Maria Chennamaneni kennt die Verhältnisse in Buch aus erster Hand. Seit 1980 arbeitet sie als Physiotherapeutin in der Helios-Klinik – zu dieser Zeit noch als Städtisches Klinikum Buch bekannt. »Es wird immer schlimmer«, sagt sie. Weil die Arbeitsbedingungen in Buch so schlecht seien, wechselten immer häufiger Therapeuten zu anderen Kliniken oder in Privatpraxen. Knapp 30 Therapeuten hätten die Helios-Klinik in den vergangenen Jahren verlassen, ohne ersetzt zu werden.

Für die verbliebenen Therapeuten steige die Arbeitslast immer weiter. Das habe auch Konsequenzen für die Versorgung der Patienten. »Manche Patienten sehen wir gar nicht mehr«, sagt Chennamaneni. Der Heilungsprozess verzögere sich so in vielen Fällen – was wiederum die Arbeitsbelastung noch weiter erhöhe.

Eine erste Verhandlungsrunde zwischen Verdi und Helios-Geschäftsführung Anfang Januar verlief ergebnislos. Die Arbeitgeber hätten kein Angebot vorlegt, berichtet Gewerkschafterin Neunhöffer. Eine Helios-Sprecherin erklärt auf Anfrage, dass man Bereitschaft signalisiere, »die Verhandlungen mit dem ernsthaften Willen einer Einigung fortzuführen«.

Das kann allerdings dauern: Die nächste Verhandlungsrunde ist für den 12. März terminiert. Für Neunhöffer ist das Verzögerungstaktik. »Die Leute sollen am langen Arm verhungern«, sagt sie. Verdi wolle am liebsten schon vor März weiterverhandeln. Parallel wird auch der Helios-Haustarifvertrag neu verhandelt.

»Wir sind bereit für einen unbefristeten Streik, wenn die Verhandlungen scheitern«, sagt Physiotherapeutin Chennamaneni. Sie ist optimistisch, dass die Therapeuten am Ende in den Hausvertrag eingegliedert werden: »David und Goliath ist am Ende auch gut ausgegangen.«

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