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Cornelia Koppetsch: Upps! – die Soziologieshow
Was ist meins, was ist deins? Die Darmstädter Professorin Cornelia Koppetsch hat wieder Plagiatsprobleme
Das Institut für Soziologie an der Technischen Universität Darmstadt war einmal sehr links. Bis Anfang der Nullerjahre war man davon überzeugt, dass die Frankfurter Schule in die Nachbarstadt Darmstadt umgezogen sei. Alle dort lehrenden Professoren hatten bei Horkheimer/Adorno studiert, promoviert oder für sie als Assistenten gearbeitet.
Von den linkssozialistischen Professoren wie Manfred Teschner, Joachim Bergmann oder Helmut Dahmer war beim Onlineauftritt des Instituts keine Rede, als es 2022 seine Geschichte darstellte, man hatte sie sozusagen vergessen. Auch wenn nach ihnen vom Institut außer vom mittlerweile emeritierten Eliteforscher Michael Hartmann keinerlei nennenswerte politische Impulse mehr ausgingen. Oder vielleicht gerade deshalb. Mittlerweile wurde diese geschichtsferne Vergangenheitsdarstellung wieder einkassiert.
Bundesweite Aufmerksamkeit erreichte das Institut nur durch die Eklats, die ihm von Cornelia Koppetsch beschert wurden. Sie ist dort seit 2009 Professorin und hat seitdem auch schon einiges vergessen wollen oder müssen. Ende der Zehnerjahre galt sie als große AfD-Erklärerin und Bestsellerautorin. Für sie war der Gratis-Moralismus einer von ihr als »kosmopolitisch« identifizierten Mittelschicht mitverantwortlich für die Erfolge der Rechten, die dagegen ihre Propaganda richten würden. Sahra Wagenknecht sah es ähnlich. In ihrem selbstgerechten Erfolgsbuch »Die Selbstgerechten« bezog sie sich 2021 auch auf Koppetsch, obwohl deren Image da schon lädiert war. Sie hatte 2019 den Bayerischen Buchpreis erhalten sollen, bekam aber stattdessen jede Menge Ärger, als enthüllt wurde, dass sie plagiert hatte. Unter anderem den als gesellschaftlichen Topdiagnostiker überschätzten Soziologen Andreas Reckwitz. Zwei ihrer Bücher wurden vom Markt genommen.
Danach wurde bekannt, dass ihr Freund ein Berliner AfD-Lokal-Politiker ist. Er stand vor Gericht, weil er zwei afrodeutsche Frauen in einem Cafe rassistisch attackiert hatte. Koppetsch musste als Zeugin aussagen, da sie mit ihm gemeinsam im Cafe gewesen war.
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Nun hat die Universität Lüneburg Koppetsch die Habilitation – die Voraussetzung zum Professorinsein – entzogen, wiederum wegen »einer nicht fachgerechten Trennung zwischen eigenen und fremden Formulierungen und Gedanken«. Deshalb hat die TU Darmstadt die einstige Star-Soziologin von ihrer Tätigkeit als Professorin entbunden. Das erinnert an den Fall der CDU-Politikerin Annette Schavan. Nachdem ihr 2013 von der Universität Düsseldorf wegen Plagiats der Doktortitel aberkannt worden war, stand die amtierende Bildungsministerin auf einmal ohne wissenschaftlichen Abschluss da und musste zurücktreten. Doch Bundeskanzlerin Merkel verschaffte ihr einen schönen Posten als Botschafterin beim Vatikan.
Als Cornelia Koppetsch 2006 in Lüneburg mit einer Arbeit über »Das Ethos der Kreativen« habilitierte, war im Privatfernsehen die Sendung »Upps! – Die Pannenshow« sehr erfolgreich. Das ist nicht das Motto kritischer Wissenschaft.
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