Trump lässt grüßen

Ulrich Schneider über den Wahlkampf der Schwarz-Weiß-Maler und Harte-Sprüche-Klopfer

  • Ulrich Schneider
  • Lesedauer: 3 Min.
Ist nicht nur in der Sozialpolitik ein Hardliner: CDU-Generalsekretär und Merz-Vertrauter Carsten Linnemann
Ist nicht nur in der Sozialpolitik ein Hardliner: CDU-Generalsekretär und Merz-Vertrauter Carsten Linnemann

Es gibt eine gute und eine schlechte Nachricht zum gegenwärtigen Wahlkampf. Die gute: Er ist in fünf Wochen vorbei. Die schlechte: Er dauert noch fünf Wochen.

Es ist ein vergifteter, weil zu Teilen skrupellos geführter Wahlkampf. Dass man aufeinander eindrischt in solchen Zeiten, sind wir gewohnt. Auch dass gelegentlich mit Halbwahrheiten operiert wird und Argumente verdreht werden. Doch was wir in diesem Wahlkampf erleben, erreicht eine neue schmutzige Qualität: Es wird versucht, auf Kosten wehrloser Minderheiten zu punkten, Stimmung zu machen gegen Menschen, die im Bürgergeldbezug sind oder zu uns flüchten. Ob Wahlkämpfer von Union, FDP, AfD oder BSW: Es werden ganz offen oder auch ganz subtil haltlose Klischees befeuert von massenhaft faulen Sozialleistungsbeziehern, die lieber ihr Geld vom Jobcenter erhalten, als arbeiten zu gehen; von einer Stütze, die so hoch ist, dass sich Erwerbsarbeit ohnehin nicht mehr lohne und deshalb gekürzt gehört. Vor Schwarzarbeit in großem Umfang wird gewarnt und vor groß angelegtem Sozialleistungsmissbrauch, den es zu bekämpfen gelte.

Ganz gezielt und strategisch so geschickt wie verdorben wird ein Keil getrieben zwischen arbeitslose Bürgergeldbezieher und die ganz große Mehrheit »arbeitender Steuerzahler«. Flüchtlinge werden in diesem Wahlkampf nicht mehr in erster Linie als Menschen gesehen, die aus Not und Verzweiflung Zuflucht bei uns suchen, mit all ihrem Leid und ihrem schweren Schicksal. Flüchtlinge werden zur Bedrohung stilisiert, vor der es Deutschland zu schützen gilt, zu Personen, die – wenn möglich – abgeschoben gehören und vor denen wir unsere Grenzen verschließen müssen.

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Ob bei Langzeitarbeitslosen und ihren Familien oder bei Flüchtlingen: Nicht die Not wird vordringlich thematisiert, nicht die Hilfebedürftigkeit, sondern vermeintliche Gefahren, die von diesen Menschen für unsere Gesellschaft ausgehen – sei es, dass sie unsere Sozialkassen ausnutzen und unseren Haushalt zum Kollabieren bringen; sei es, dass sie die Leistungsmoral in diesem Lande untergraben oder auch schlicht unsere Straßen unsicher machen sollen.

Es wird Wahlkampf gegen unter uns lebende Bevölkerungsgruppen gemacht. Es wird stigmatisiert, diffamiert, diskreditiert und ausgegrenzt. Und es werden dabei Behauptungen in die Welt gesetzt ohne irgendeine Empirie. Da werden Hunderttausende Arbeitsverweigerer behauptet, obwohl die Statistik der Arbeitsverwaltung nur 19 000 solcher Fälle ausweist – 0,5 Prozent aller erwerbsfähigen Bürgergeldbezieher. Da wird behauptet, es gebe kaum noch einen Einkommensabstand zwischen Arbeitslosen und Erwerbstätigen, obwohl völlig unbestreitbar ist, dass mit Erwerbstätigkeit in jedem Fall spürbar mehr im Portemonnaie ist als ohne – wenn man von unseren Couponabschneidern mal absieht.

Mit martialischer Attitüde werden sodann die Forderungen rausgehauen, die, dieser Erzählung folgend, der breiten Masse gegenüber diesen »randständigen Minderheiten« wieder Gerechtigkeit widerfahren lassen sollen: Arbeitszwang, Kürzung von Leistungen auf null, Zurückweisung an unseren Grenzen, bei Kriminalität von Migranten sofortige Ausweisung oder auch, bei doppelter Staatsangehörigkeit, Entzug des deutschen Passes. Das Grundgesetz schert da auch nicht mehr. Es sind die Schwarz-Weiß-Maler, die Harte-Sprüche-Klopfer, die sich darauf verlassen können, in unserer Mediengesellschaft ihre Aufmerksamkeit zu finden. Trump lässt grüßen.

Ulrich Schneider war 25 Jahre lang Hauptgeschäftsführer des Wohlfahrtverbands Der Paritätische.

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