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Kuba übergibt Reisfelder an Vietnam

Mithilfe eines Partners soll die kriselnde Landwirtschaft wieder in Schwung gebracht werden

  • Andreas Knobloch, Havanna
  • Lesedauer: 4 Min.
Reisanbau hat in Vietnam eine lange Tradition, auch auf Terassenfeldern wie hier im Nordwesten des Landes.
Reisanbau hat in Vietnam eine lange Tradition, auch auf Terassenfeldern wie hier im Nordwesten des Landes.

Erstmals hat die kubanische Regierung einem ausländischen Unternehmen Ackerland zur eigenständigen Bewirtschaftung überlassen. Wie die Tageszeitung »Granma« berichtet, erhielt ein vietnamesisches Unternehmen Flächen eines staatlichen Agrarbetriebs für den Reisanbau.

Die Felder gehören zur Farm Cubanacán der Empresa Agroindustrial de Granos de Los Palacios im Südosten der Provinz Pinar del Río, einem »Vorzeigebetrieb«, so das Blatt. Die Farm, auf der Saatgut produziert wird, verfügt über die besten Bewässerungssysteme und mit technischen Systemen ausgestattete Flächen, begründet der stellvertretende Direktor Jorge Félix Chamizo die Einstufung des Agrarbetriebs. Das Land wird dem vietnamesischen Unternehmen vorerst für drei Jahre überlassen. Dessen Namen oder Details zu den finanziellen Konditionen der Vereinbarung nennt die Zeitung nicht.

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In den zurückliegenden Monaten mussten laut Chamizo diverse Arbeiten durchgeführt werden, um die Flächen wieder nutzbar zu machen. Er räumt ein, dass mangelnde Fürsorge dazu geführt hat, dass viele Felder und Kanäle von Unkraut überwuchert wurden. Dies ist sinnbildlich für den Zustand der kubanischen Landwirtschaft, die von der Wirtschaftskrise besonders schwer betroffen ist. Es mangelt an Düngemitteln, Sprit oder Ersatzteilen, das technische Gerät ist – sofern vorhanden – oft veraltet oder defekt, das starre System der staatlichen Abgabequoten bietet wenig Anreiz zur Produktion. Hinzu kommen Umweltfaktoren wie Versalzung der Böden, Dürre oder Wirbelstürme. Landwirtschaftsminister Ydael Pérez Brito erklärte im Oktober, Kubas Landwirte arbeiteten mit nur zehn Prozent des benötigten Treibstoffs. Das in Zahlungsschwierigkeiten steckende Land hat in den vergangenen fünf Jahren auch nur einen Bruchteil der benötigten Mengen an Düngemitteln und Tierfutter kaufen können. Hinzu kommen gestiegene Transportkosten. Ende 2024 verwüsteten zudem zwei schwere Hurrikans im Osten und Westen des Landes Tausende Hektar Anbaufläche. Die Produktion vieler landwirtschaftlicher Produkte ist eingebrochen – Kuba importiert rund vier Fünftel seiner Lebensmittel.

Die Regierung versucht seit einigen Jahren mit verschiedenen Maßnahmen in der Landwirtschaft, die Lebensmittelproduktion zu steigern und die Importabhängigkeit zu verringern, doch der Erfolg ist überschaubar. Nach im Mai 2024 veröffentlichten Daten der Statistikbehörde ONEI ist Kubas Reisproduktion in den vergangenen sechs Jahren um 90 Prozent eingebrochen – auf 27 900 Tonnen. Um den Verbrauch im Land zu decken, mussten die Importe ausgeweitet werden. Reis ist eines der Grundnahrungsmittel Kubas.

Mit vietnamesischer Hilfe soll der Reisanbau nun nachhaltig angekurbelt werden. Das Land ist Kubas größter Investor und zweitgrößter Handelspartner in Asien. Die Zusammenarbeit im Reissektor zwischen beiden Ländern ist nichts Neues, aber dieses Projekt hat eine neue Dimension: »Die Übergabe von Ackerland ist etwas noch nie Dagewesenes in Kuba«, sagt Chamizo.

In einer Testphase mit vietnamesischen Fachleuten wurden in Los Palacios zunächst 16 Hektar versuchsweise bepflanzt, um die Mechanismen und Vorgehensweisen aufeinander abzustimmen. Die Erkenntnisse sollen nun in großem Maßstab umgesetzt werden. Erklärtes Ziel ist es, bis Mitte 2025 die ersten 1000 Hektar Reis zu pflanzen. Später soll die Fläche auf 5000 Hektar ausgeweitet werden. Begleitet wird das Pilotprojekt von Maßnahmen zur Förderung ausländischer Investitionen. »Eine davon ist, dass das vietnamesische Unternehmen die benötigten kubanischen Arbeitskräfte direkt einstellen wird«, sagt Chamizo. Normalerweise läuft das in Kuba über eine staatliche Beschäftigungsagentur, was ausländische Investoren auf der Insel seit Jahren kritisieren. Überdies wird das vietnamesische Unternehmen seine eigenen Fachkräfte mitbringen sowie Düngemittel, Herbizide, Pestizide und andere Ressourcen bereitstellen. Hingegen liefert die Empresa Agroindustrial de Granos die benötigten Maschinen.

Eine weitere Besonderheit des Projekts ist die Verwendung von in Vietnam gezüchteten hybriden Reissorten. Dadurch werde der Bedarf an Saatgut von 150 Kilogramm pro Hektar auf nur 30 reduziert, erklärt Chamizo. Im ersten Jahr sollen Erträge von sieben Tonnen pro Hektar erzielt werden, ab dem zweiten Jahr werden acht Tonnen angepeilt. Dies übertrifft die geplanten Erträge von 1,7 Tonnen auf den Flächen des kubanischen Betriebs um ein Vielfaches. Chamizo hält Vergleiche jedoch für nicht angebracht: So sei aufgrund der komplexen wirtschaftlichen Situation Kuba in Los Palacios seit vier Jahren kein Grunddünger mehr verwendet worden, die Böden seien entsprechend ausgelaugt. Mit den richtigen Mitteln sei ein Ertrag von sieben oder acht Tonnen daher realistisch.

Bei Erfolg könnte das Projekt Schule machen. Für Chamizo gibt es da keine zwei Meinungen: »Das muss funktionieren, sí o sí«.

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