Kottbusser Tor: Wohnungen in Landeshand machen Mietern Probleme

Am Kottbusser Tor in Kreuzberg haben auch nach der Rekommunalisierung der Wohnungen Mieter Probleme

Rekommunalisierte Wohnhäuser am Kottbusser Tor – hohe Nebenkosten und Sanierungsstau machen Mieter*innen Sorgen.
Rekommunalisierte Wohnhäuser am Kottbusser Tor – hohe Nebenkosten und Sanierungsstau machen Mieter*innen Sorgen.

Als zum Jahreswechsel 2021/22 das landeseigene Wohnungsunternehmen Howoge rund 15 000 Wohnungen von Deutsche Wohnen und Vonovia übernahm, wurde das als Rekommunalisierung von Wohnraum gefeiert. »Bezahlbaren Wohnraum langfristig zu sichern und zu erhalten, ist unser gesellschaftlicher Auftrag«, erklärte damals der Geschäftsführer der Howoge Ulrich Schiller. Ende gut, alles gut also? Ein Teil der Wohnungen befindet sich am Kottbusser Tor. Die in der Initiative »Kotti & Co« organisierten Mieter*innen sehen noch immer einige Probleme.

»Das erste Problem ist das älteste: Der soziale Wohnungsbau«, sagt Matthias Clausen von der Initiative im Gespräch mit »nd«. Auch in den Beständen am Kottbusser Tor laufen in den kommenden Jahren die Sozialbindungen aus. Das heißt, dass Mietpreis- und Belegungsbindungen für die jeweiligen Wohnungen nicht mehr greifen. »Das ist keine dauerhafte Lösung«, so Clausen. Fallen Wohnungen aus der Sozialbindung, kann nicht nur die Miete erhöht werden. Mieter*innen können dann auch nicht mehr den berlinweit möglichen Mietzuschuss für Sozialwohnungen bei der Investitionsbank Berlin beantragen. Dieser Zuschuss soll es Mieter*innen in Sozialwohnungen ermöglichen, ihre Kosten für die Warmmiete, also inklusive Heizkosten, »auf ein angemessenes Maß« zu senken.

Für Mieter*innen in den Wohnungsbeständen am Kottbusser Tor ist das ein doppeltes Problem. »Wir haben unglaublich hohe Betriebskosten«, erklärt Clausen. »Das hat natürlich einerseits mit den objektiv gestiegenen Energiekosten zu tun«, so Clausen. Aber am Kottbusser seien sie teilweise doppelt so hoch wie der Berliner Durchschnitt. Denn die Heizungsanlagen werden mit dem berühmt-berüchtigten Geschäftsmodell »Contracting« betrieben.

Bei diesem Heizungsmodell wird die Heizungsanlage nicht vom Vermieter betrieben, sondern von einem externen Anbieter. Für Vermieter kann das eine lohnende Sache sein, Wartung und Instandhaltung der Heizung werden ausgelagert. Mieter*innen zahlen dann nicht für Heizmittel wie etwa Gas oder Öl. Was die Mieter*innen am Ende zahlen, wird durch eine komplizierte Formel bestimmt, in der der Börsenpreis für Gas der bestimmende Faktor ist. »Das outgesourcte Wärme-Contracting bedeutet, dass ein Unternehmen seinen eigenen Schnitt macht.«

Die Folgen sind teuer: Eine Linke-Anfrage hatte ergeben, dass 2022 Mieter*innen der Howoge im Schnitt 0,91 Euro pro Quadratmeter für Heizung und Warmwasser zahlten. In per Contracting betriebenen Anlagen war dieser Wert mit bis zu 3,10 Euro pro Quadratmeter wesentlich höher. Die Howoge hat diese Verträge mit dem Kauf der Wohnungen übernommen. Bereits im Oktober erklärte das landeseigene Unternehmen, man arbeite intensiv daran, das Contracting nicht zu verlängern.

»Wir hatten Hoffnung, dass mit der Übernahme durch die landeseigenen Wohnungsunternehmen endlich was passiert.«

Matthias Clausen Initiative Kotti & Co

»Dass die Warmmiete so hoch ist, liegt aber auch an dem Zustand, in dem die Gebäude hier sind«, sagt Clausen. Der Voreigentümer Deutsche Wohnen habe so gut wie gar nichts an den Häusern gemacht, so der Mietenaktivist. »Wir hatten Hoffnung, dass mit der Übernahme durch die landeseigenen Wohnungsunternehmen endlich was passiert«. Diese Hoffnung habe sich nicht erfüllt. Laut Clausen kämpfen die Mieter*innen im Winter mit ausfallenden Heizungen und kaputten Aufzügen. »Daran hat sich nichts geändert.« Clausen berichtet von einem Mitglied von »Kotti & Co«. Die Mieterin konnte für einen Monat nicht zu Treffen kommen, weil der Aufzug in ihrem Gebäude nicht funktionierte.

Hat die Übernahme durch die Landeseigenen also keine Verbesserungen für die Mieter*innen gebracht? Clausen überlegt einen Moment. Zwar gebe es Mieter*innenbeiräte, die die Kommunikation mit dem Vermieter verbessert hätten, aber materiell sei das meiste gleich geblieben. »Es gibt aber diese Apokalypse-Nachrichten nicht«, sagt Clausen, »Wir sind hier erst mal sicher«. Modernisierungskündigungen mit entsprechenden Mietforderungen oder Verwertungs- und Eigenbedarfskündigungen, damit rechne man nicht.

Laura Lüth war lange Teil eines der Mieter*innenbeiräte beim Kottbusser Tor. Viele dieser Räte gab es schon vor der Rekommunalisierung. Am Kottbusser Tor haben Mieter*innenräte mehr Kompetenzen und Mitspracherechte als in anderen Anlagen. »Diese sind bei den Landeseigenen erkämpft worden. Bei der Deutschen Wohnen wäre das nie möglich gewesen«, so Lüth. »Es gibt die Möglichkeit, als Mieter*in demokratisch etwas zu verändern.« Aber die Howoge kommuniziere auch weiterhin viel zu wenig. Immerhin würde langsam aber sicher die Instandsetzung der Gebäude losgehen. »Deutsche Wohnen hätte das in 50 Jahren nicht gemacht«, ist sie sich sicher. Trotz aller Probleme bewertet sie die Übernahme durch die Howoge grundsätzlich positiv: »Dass die Häuser überhaupt rekommunalisiert wurden, haben wir jahrelang gefordert und erkämpft. Das ist unser Erfolg.«

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