Die Fleischbeschau kostet über Gebühr

Maul- und Klauenseuche eingedämmt, Bauern dennoch weiter in großer Not

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 5 Min.
Auf einem Feld der Agrargenossenschaft Vorspreewald in Spree-Neiße wird Mais gehäckselt.
Auf einem Feld der Agrargenossenschaft Vorspreewald in Spree-Neiße wird Mais gehäckselt.

Als am Morgen des 10. Januar klar war, dass in einer Herde Wasserbüffel in Hönow die Maul- und Klauenseuche ausgebrochen ist, habe das brandenburgische Agrarministerium »gleich auf Krisenmodus umgestellt«. Das sagt Ministerin Hanka Mittelstädt (SPD) am Mittwoch im Landtag.

In der Folge schlossen in Berlin der Tierpark und der Zoo für Besucher, in Brandenburg der Wildpark Schorfheide und die Naturlandschaft Döberitzer Heide. 1988 war die Maul- und Klauenseuche das letzte Mal in Deutschland aufgetreten, und es ging nun die Angst um, dass sie sich von Hönow aus verbreitet. Das wäre für die Landwirte eine Katastrophe gewesen.

Doch nach jetzigem Stand hat es nur die eine Herde mit 15 Wasserbüffeln getroffen. Alle anderen Proben waren bislang negativ, und die Einschränkungen werden schon gelockert. Das Verbot von Tiertransporten ist wieder aufgehoben. Entwarnung kann aber noch nicht gegeben werden.

»Hoffen wir, dass dieser Kelch an unseren Bauern vorübergeht«, sagt der Landtagsabgeordnete Gunnar Lehmann (BSW). »Für eine fundierte Bewertung ist es sicherlich noch zu früh«, gesteht der SPD-Abgeordnete Johannes Funke. Doch ihn freut, dass die Behörden schnell und gut reagiert haben. »Genau so muss Krisenmanagement aussehen«, lobt Funke. Die schon bestellten Impfdosen versteht er als »Staatsreserve, die hoffentlich nie zum Einsatz kommen muss«.

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Auch wenn die Seuche tatsächlich so schnell eingedämmt werden konnte, bleiben dennoch Sorgen um den Verkauf von Rind- und Schweinefleisch. Einige Staaten hatten umgehend Einfuhrverbote verhängt. Selbst wenn sie aufgehoben werden: Ein mulmiges Gefühl bleibt bei den Verbrauchern. Das behindert den Absatz. Dennoch herrscht erst einmal Erleichterung. Entsprechend lau plätschert die Debatte vor sich hin. Ein bisschen Schwung kommt nur hinein, wenn es um die insgesamt schwierige Lage der Landwirte geht.

BSW-Politiker Lehmann erinnert an die Proteste vor einem Jahr. Seinerzeit kippten wütende Bauern Mist auf Straßen und blockierten mit ihren Traktoren den Verkehr. Auslöser war die Ankündigung des damaligen Bundesfinanzministers Christian Lindner (FDP), die Beihilfe für den Agrardiesel abzuschaffen. Aber das sei nur der Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen brachte, urteilt der Abgeordnete Lehmann. »Die Ursache lag tiefer.«

Und doch beim Agrardiesel gekürzt

Für die Bauern sei es mit den Jahren immer schwerer geworden, sagt der Landtagsabgeordnete Gordon Hoffmann (CDU). Es habe kaum einen Trecker gegeben, auf den Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) nicht geklettert sei, um zu erzählen, dass die beabsichtigte Kürzung beim Agrardiesel falsch sei. Aber dann hätten doch alle neun SPD-Bundestagsabgeordneten aus Brandenburg dafür gestimmt, bedauert Hoffmann.

Der Landtag beschließt auf Antrag der Koalitionsparteien SPD und BSW, die Maul- und Klauenseuche konsequent zu bekämpfen. Das löst ein wenig Heiterkeit aus, weil doch die Fachleute ihre Arbeit so oder so machen und nicht aufhören würden, wenn die Politiker keinen solchen Beschluss fassen. Beschlossen wird mit dem Antrag übrigens auch, den Grad der Selbstversorgung Brandenburgs mit Nahrungsmitteln zu erhöhen.

Satt sein ist nicht selbstverständlich

»Satt zu sein, ist eben keine Selbstverständlichkeit, auch in unserer Zeit nicht«, meint der SPD-Abgeordnete Funke. Er weiß, dass die Hungernden dieser Welt gerade in ländlichen Gegenden leben. Die Europäer mussten, seit die Folgen des Zweiten Weltkriegs überstanden sind, nicht mehr hungern. Der gemeinsame Agrarmarkt sei eine historische Errungenschaft. Er mache die rund 450 Millionen Einwohner der EU-Staaten satt, beteuert Funke.

Ein Austritt aus der EU, wie er der AfD vorschwebe, würde auch Brandenburgs Bauern Probleme bereiten, da sie Getreide, Fleisch, Milch und Käse beispielsweise auch in die Niederlande, nach Italien und Polen verkaufen. Diese Darstellung erzürnt AfD-Fraktionschef Hans-Christoph Berndt. Ihm zufolge leiden die Bauern unter den »engstirnigen« Auflagen der EU-Bürokraten.

Die Bürokratie sieht indes auch Funke als Problem. Der Landwirt könne nicht immer nur im Büro sitzen und Formulare ausfüllen. »Das kann so nicht weitergehen«, schimpft der SPD-Abgeordnete. »Der Bauer hat aufs Feld zu gehen.«

Der Landtag lehnt dann noch einen Vorstoß der AfD ab, nach bayerischem Vorbild die Gebühren für die Fleischbeschau in kleinen Schlachtereien zu deckeln. Die Gebühren sind zuletzt erheblich gestiegen. Dem Vernehmen nach erwägen deswegen zehn kleine Landschlachtereien aus dem Kreis Elbe-Elster, den Betrieb einzustellen. Als klein werden solche Betriebe angesehen, die nicht mehr als 1000 sogenannte Großvieheinheiten im Jahr schlachten. Eine Einheit entspricht 500 Kilogramm. So viel wiegt ein ausgewachsenes Rind.

Der AfD wird von den anderen Parteien bescheinigt, dass die Initiative nicht ganz falsch und das Thema ernst zu nehmen sei. Die CDU stimmt sogar vergeblich dafür, den Antrag nicht gleich abzulehnen, sondern zur Beratung in den Agrarausschuss zu überweisen. Agrarministerin Mittelstädt verspricht immerhin, einen Termin in Elbe-Elster zu machen und sich dort zu informieren, was unternommen werden kann. Den Antrag der AfD in der vorliegenden Form zu beschließen, würde aber ein »Bürokratiemonster« erschaffen. Und die AfD ist doch gegen Bürokratie.

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