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Hitze: Patienten und Umwelt schützen
Nicht alle Krankenhäuser in Deutschland sind auf Hitzewellen schon gut vorbereitet
Deutsche Krankenhäuser sind noch nicht hitzeresistent: Bei höheren Sommertemperaturen wird es häufig nicht nur für Patienten ungemütlich, auch die Arbeit in OP oder Bettentrakt wird schnell anstrengend. Manchmal fehlt jegliche Abdunklungs- oder Kühltechnik. Wie hoch der Investitionsbedarf genau ist, weiß niemand, weder auf Länderebene noch bundesweit. Das mag zum einen damit zu tun haben, dass bei den Kliniken sowieso seit Jahren ein Investitionsstau der Auflösung harrt. Zum anderen wurde die Frage offenbar so noch nicht gestellt, obwohl Probleme mit zu heißen Räumen jeden Sommer auftreten. Zudem gibt es ein »green hospital«-Konzept, das Maßnahmen für Nachhaltigkeit, Ressourcenschonung und Klimawandel umfasst.
Allerdings scheint es etwa beim Umbau der Krankenhauslandschaft im Zuge der jetzt anstehenden Reform eine Art Luxusproblem zu sein, Klimawandelfolgen gleich mitzudenken. Der Nachholbedarf bei diesem Thema ist im deutschen Gesundheitswesen hoch. Aus diesem Grund ließ die Walter-Siegenthaler-Gesellschaft ein Sechs-Punkte-Papier mit Handlungsempfehlungen für den Klimaschutz ausarbeiten, das am Mittwoch von der Krankenkasse Barmer in Berlin vorgestellt wurde. Die Siegenthaler-Gesellschaft ist ein Verein zur Forschungsförderung auf dem Gebiet der Inneren Medizin. Die von ihr beauftragte Expertengruppe umfasst etliche Klinikdirektoren und Hochschulmediziner. Sie trugen in drei Anhörungen Probleme und Hürden für ein im Klimawandel resilientes Gesundheitswesen zusammen.
»Wir haben Heuschnupfen-Patienten im Februar und behandeln Zeckenbisse bis in den November.«
Beate Müller Allgemeinmedizinerin
Michael Hallek, Präsident der Siegenthaler-Gesellschaft und als Onkologe leitend am Universitätsklinikum Köln tätig, wirbt für konkrete Maßnahmen. Das beginne beim hitzeresistenten Bauen oder Nachrüsten der Gebäude, reiche von der Senkung des Papierverbrauchs bis zur Schulung älterer und mehrfach erkrankter Patienten zum Hitzeschutz. Für die letztgenannte Gruppe sei ein umfassendes Fürsorgekonzept der Kommunen wichtig, das Gesundheitswesen müsse sein »Silo« verlassen.
So gibt es bereits Hitzetelefone in einigen Gesundheitsämtern, über die Senioren sich vor nahenden Hitzewellen warnen lassen und auch Gesundheitstipps bekommen können. Im Zweifel werden – nach vorheriger Anmeldung – auch der Hausarzt oder Angehörige informiert. Ob das Ganze einen Bedarf deckt und funktioniert oder nicht, dazu sollte es eine Begleitforschung geben, fordert etwa Beate Müller. Die Allgemeinmedizinerin ist Institutsdirektorin an der Uni Köln und wirbt dafür, die begrenzten Ressourcen im Gesundheitswesen gezielt einzusetzen. Extra vergütete Klimasprechstunden in Hausarztpraxen hält sie für weniger sinnvoll, angebracht aber das Gespräch mit Patienten über passgenaue Präventionsmaßnahmen.
Klimawandel bedeutet nicht nur durchschnittlich höhere Temperaturen, sondern wirkt sich auch auf Krankheitserreger aus. »So haben wir Heuschnupfen-Patienten im Februar und behandeln Zeckenbisse bis in den November«, berichtet Müller. Fälle von Frühsommermeningitis (FSME), regional von Zecken übertragen, tauchen bereits im Vorfrühling auf. Das Gesundheitswesen kann dazu beitragen, dass sich diese Entwicklung nicht verschärft – unter anderem, weil es mehr Treibhausgase verursacht als der Luftverkehr. Unnötige Emissionen werden auch durch Asthmasprays verursacht, worauf der Arzt und Entertainer Eckart von Hirschhausen hinweist.
Zehn Millionen Menschen in Deutschland benutzen diese Sprays, bei der Hälfte davon kommen Versionen mit Treibgasen zum Einsatz, die deutlich schädlicher als CO2 sind. »Schweden setzt die Treibgas-Sprays nur bei 16 Prozent der Patienten ein«, so von Hirschhausen. Auf das Problem hatte kürzlich die Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit e.V. (Klug) aufmerksam gemacht. Wichtig bei einer neuen Empfehlung zum Thema ist die Tatsache, dass pulverbasierte Inhalatoren eine gleichbleibend hohe, zum Teil sogar bessere Versorgungsqualität bieten.
Noch längst nicht alle Medikamente werden nach Umweltwirkungen beurteilt, obwohl Schäden durch Schmerzmittel oder Hormone, die selbst über normal gereinigtes Abwasser in die Umwelt geraten, bekannt sind. Schmerzgels mit Diclofenac gehören zu den Verdächtigen: Nur etwa vier Prozent der Salbe werden über die Haut aufgenommen, der Rest gelangt ins Abwasser und kann über Fische in unserer Nahrungskette landen. Insofern gehören Emissionseinsparungen sowie Weiterbildung zu den Handlungsempfehlungen für Klimaschutz im Gesundheitssystem.
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