• Politik
  • Sogenannte Einnerungskultur

»Der Tierfreund hielt in seinem Amtszimmer Vögel«

Ex-Regierungssprecher Felix von Eckardt schrieb vor 1945 NS-Propagandafilme. Das Bundespresseamt sträubt sich, daran zu erinnern

Der ehemalige BRD-Regierungssprecher Felix von Eckardt (Mitte) wurde vom Dienst in der Wehrmacht befreit, weil er mit einer anderen Waffe nützlicher für die Nazis war: Propaganda.
Der ehemalige BRD-Regierungssprecher Felix von Eckardt (Mitte) wurde vom Dienst in der Wehrmacht befreit, weil er mit einer anderen Waffe nützlicher für die Nazis war: Propaganda.

»Der Tierfreund hielt in seinem Amtszimmer Vögel und Zierfische«. Dieser schöne Satz reichte bis vor kurzem aus Sicht des Bundespresseamtes aus, um über den ehemaligen Regierungssprecher Felix von Eckardt zu informieren. Darüber ein nettes Schwarzweiß-Bild, das ihn mit einem kleinen Vogel auf der Schulter in seinem Büro im Bundeskanzleramt zeigt.

Über den »Tierfreund« gibt es aber eigentlich noch ein paar andere nennenswerte Fakten. Während des Zweiten Weltkriegs schrieb von Eckardt zahlreiche NS-Propagandafilme und wurde dafür sogar vom Frontdienst in der Wehrmacht befreit. Auf Nachfrage des »nd«, warum auf der Website des Bundespresseamtes nichts über die Nazi-Vergangenheit des zweitlängsten Regierungssprechers der Bundesrepublik zu finden ist, tauschte das BPA Teile des Beitrages und das nette Vogelbild aus und fügte eine Anmerkung hinzu, die allerdings nicht weniger verharmlosend ist.

Jetzt heißt es dort, »einige der Regierungssprecher der frühen Bundesrepublik haben bereits unter dem Nationalsozialismus gelebt, gearbeitet oder auch in der Wehrmacht gekämpft.« Felix von Eckardt beispielsweise habe Drehbücher für Filme in dieser Zeit geschrieben. Nur schrieb von Eckardt nicht irgendwelche »Filme in dieser Zeit«. Seine Werke wie »Panzerkreuzer Sebastopol«, »Kopf hoch Johannes« oder »Menschen im Sturm« dienten explizit dazu, Unterstützung für Hitlers Krieg zu generieren. Für das Bismarck-Epos »Die Entlassung« erhielt er 1942 sogar von Joseph Göbbels’ Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda (RMVP) die Auszeichnung »Film der Nation«.

Nach dem Krieg avancierte von Eckardt nach einem kurzen Abstecher in den Journalismus dann zum »Auge, Ohr und Sprachrohr« Konrad Adenauers. Von 1952 bis 1955 und dann wieder von 1956 bis 1962 leitete er als Regierungssprecher das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung. »Stets eloquent und schlagfertig und meistens auch gut informiert, verstand er es, die Erfolge der Politik Adenauers herauszustellen«, heißt es in einem Porträt von Eckardts auf der Website der Konrad-Adenauer-Stiftung. 1955 und 1962 erhielt er das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland.

Warum fällt es dem Bundespresseamt so schwer, die explizite NS-Vergangenheit des Hauses offenzulegen? In einem weiteren Statment des BPA heißt es dazu gegenüber »nd«: »Die Frühphase des Bundespresseamts ist unter dem Titel «Das Bundespresseamt zwischen NS-Vergangenheit und demokratischer Eigenwerbung» Gegenstand eines Kooperationsprojekts des Leibniz-Zentrums für Zeithistorische Forschung Potsdam (ZZF) und des Instituts für Zeitgeschichte München – Berlin (IfZ).« Die Darstellung der Regierungssprecher werde nach Veröffentlichung der Studie mit Blick auf relevante neue Erkenntnisse gegebenenfalls angepasst.

Die Absicht ist löblich, allerdings sind die Informationen längst da. Die 500-seitige Studie »Kontaktzone Bonn« der Historiker*innen Heiner Stahl und Angela Schwarz befasst sich sehr detailliert mit den personellen und strategischen Überschneidungen zwischen dem Reichspropagandaministerium und dem Bundespresseamt. Die NS-Behaftung verschiedener Regierungssprecher ist dort umfänglich thematisiert. Die Forschung wurde sogar von der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien finanziert. Falls das den Mitarbeitenden zu viel Lesestoff ist, würden sie auch bei Wikipedia zur braunen Geschichte von Eckardts fündig werden.

Von Eckardts NS-Propagandavergangenheit ist weder Zufall noch ein Einzelfall in den Kommunikationsinstitutionen der Bundesrepublik. Doch genau das wird im Hinweis des Bundespresseamts verschleiert. Wie »Kontaktzone Bonn« aufzeigt, machten zahlreiche Personen aus den NS-Propagandaeinrichtungen – Auswärtiges Amt, RVMP und Wehrmacht – in der Bundesregierung Karriere genau wegen ihres Wissens- und Erfahrungsschatzes im Bereich Propaganda.

Bis heute stellt es das Bundespresseamt etwa auf seiner Website so dar, als hätte es einen harten Schnitt zwischen RMVP und dem BPA gegeben. »Nach Erfahrungen mit dem berüchtigten Reichspropagandaministerium des totalitären Nazi-Regimes orientierte sich die erste Bundesregierung beim Aufbau des Bundespresseamtes an Organisationsformen der Weimarer Republik.«

Ein weiterer BRD-Regierungssprecher mit NS-Propagandahintergrund ist Günther Diehl, der nach 1967 unter dem Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger das Bundespresseamt für vier Jahre leitete. Auch von ihm gibt es ein Bild auf der Website des BPA – über seine Nazivergangenheit steht dort nichts. Dabei arbeitete Diehl 1941 als Kulturreferent in der Zweigstelle der deutschen Botschaft im besetzten Frankreich. Ihm oblag nicht nur die gesamte Propaganda, sondern auch die politische Berichterstattung. Diehl hatte sich zu dieser Zeit mehrfach freiwillig zur Waffen-SS gemeldet. Sein Vorgesetzter in der Rundfunkpolitischen Abteilung der AA-Zentrale in Berlin, SS-Standartenführer Gerd Rühle, verhinderte, dass er eingezogen wurde, da Diehl »ein hervorragender Nationalsozialist und ein tadelloser Charakter« sei.

Ob diese Informationen nach Abschluss der neuen Studie auf der Website des BPA auftauchen, bleibt abzuwarten. Natürlich stünde es den Mitarbeitenden des Amtes, sofern sie nicht warten wollten, frei, diesen Artikel schon jetzt auf der Website zu verlinken.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.