Affentheater

Das Berliner Ensemble sucht nach der Zukunft von Macbeth

Fabian Mair Mitterer als Titelheld in »Future Macbeth«
Fabian Mair Mitterer als Titelheld in »Future Macbeth«

Das Faszinierende am Werk des Genossen Shakespeare liegt in dessen Zeitlosigkeit. Ein Mann aus dem fernen 17. Jahrhundert erklärt dem Menschen der Gegenwart die Welt. Das Berliner Ensemble hat dennoch zu einer Inszenierung mit dem Titel »Future Macbeth« geladen, ganz so, als müsste reichlich Staub abgeklopft werden, um den Alten wieder bühnentauglich zu machen. Man hätte also ahnen können, dass mit diesem »Macbeth« einer vonseiten der Theatermacher erklärten Zukunft etwas nicht stimmen kann.

Wir befinden uns im Neuen Haus, einer Nebenspielstätte des Berliner Ensembles. Stas Zhyrkov zeigt hier eine Regiearbeit, für die eine Reihe von Studenten der nahe gelegenen Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch verpflichtet wurde. Der Autor dieses Abends heißt nicht William Shakespeare, sondern Pavlo Arie – und der hat dem guten Will einen neuen Anstrich verpasst. Aber zu wessen Gunsten?

Genosse Shakespeare

Wie es euch gefällt: Alle zwei Wochen schreibt Erik Zielke über große Tragödien, politisches Schmierentheater und die Narren aus Vergangenheit und Gegenwart. Inspiration findet er bei seinem Genossen aus Stratford-upon-Avon.

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In bittersüßer Ironie beginnt »Future Macbeth« mit einer kleinen Publikumsbeschimpfung. Theater ist, das lernen wir spätestens jetzt, das Unterhaltungsprogramm für die Privilegierten, die sonst keine Probleme haben. Ansonsten werden die menschlichen Abgründe herzhaft fortgelacht. Dann wird uns im Schnelldurchlauf der »Macbeth« nacherzählt, mit dem man, auch das ist deutlich zu spüren, eigentlich abgeschlossen hat.

Dennoch spielt man das Stück, gründlich aktualisiert und ein bisschen eingekürzt, entlang der shakespeareschen Dramaturgie nach. Ein paar Witze werden eingebaut. Fast jeder Darsteller steigt einmal planmäßig aus seiner Rolle aus, um dann streng nach Textbuch seinen Weg zurück in die Figur zu finden. Der Reize des Mitmachtheaters kann sich das Regieteam nicht erwehren. Das Ganze sieht also gar nicht so sehr nach »Future« aus, sondern ein bisschen nach postmodernen Theatermoden der Nullerjahre.

König Duncan, das blutige Opfer des Aufsteigers Macbeth, erklärt uns in einer Bühnentalkshow allerhand über das Wesen verschiedener Affenarten. »Infantizid bedeutet, dass das Alpha-Männchen, sobald es an die Macht gekommen ist, die Jungen seines Vorgängers tötet, die, also die, die von einem anderen Männchen stammen«, lernen wir. Politik wird verkürzt auf einen Zoobesuch. Wo früher Szenen entstanden, wird heute über Biologie referiert.

Shakespeare, der bekanntlich kein Affenforscher war, zeigt uns mit seinem gut 400 Jahre alten Stück die Dynamiken der Machtpolitik. Er führt uns das Kommen und das Gehen des politischen Personals vor – und das blutige Spiel hinter den Kulissen. Die Titelfigur verstrickt sich selbst in Machtgefüge, deren Opfer sie bald selbst zu werden droht. »Macbeth« ist keine Huldigung des Status quo, sondern dessen ungeschönte Analyse.

Arie und Zhyrkov machen uns die Analyse vergessen und finden zwischen Trash und Dauerironie ihre These: Die Gewalt ist dem Menschen in die DNA eingeschrieben. Der Mensch ist ein ewiger Affe. Wie es ist, wird es immer bleiben. Und wer genau daran glauben mag – braucht der eigentlich noch die Kunst und das Theater? Selten sah die Zukunft so rückwärtsgewandt aus.

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