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Das Schlechteste aus beiden Welten

Vonovia- und Deutsche Wohnen-Fusion vollzogen. Mieter*innen fürchten Teuerungen

Ein Vonovia-Van vor einem Haus des Wohnkonzerns in Berlin
Ein Vonovia-Van vor einem Haus des Wohnkonzerns in Berlin

»Mieter*innen lässt dieser nächste Schritt der Fusion von Deutsche Wohnen und Vonovia das Schlimmste befürchten«, so Isabella Rogner von der Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen. Am Freitag beschloss eine außerordentliche Versammlung des Wohnkonzerns Vonovia einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag. Dieser legt fest, dass Deutsche Wohnen nun offiziell unter der Leitung von Vonovia SE steht und seinen Jahresüberschuss an Vonovia abgibt. Vor der Zentrale des Wohnkonzerns in Bochum protestierten unterdessen Mieter*innenvereine gegen die Übernahme.

Mit dem Vertragsabschluss ändert sich prinzipiell nichts an dem Übernahmeprozess, den die beiden Wohnkonzerne bereits 2021 in Gang setzten. Er erlaube, wie es eine Vonovia-Sprecherin auf »nd«-Anfrage mitteilt, »eine einfachere Führungsstruktur«, erhöhe die Geschwindigkeit von Entscheidungen und stärke die Rechtssicherheit. »Das operative Geschäft ist bereits weitgehend integriert. Für die Mieterinnen und Mieter ändert sich also nichts«, so die Sprecherin.

Maximilian Fuhrmann, Koordinator große Wohungsunternehmen des Deutschen Mieterbunds, befürchtet dagegen das »Schlechteste aus beiden Welten« für Mieter*innen. »Im Zentrum des Konzerninteresses steht die Frage nach den höchsten Gewinnen. Das wird sich kaum zum Vorteil der Mieter auswirken«, so Fuhrmann im Gespräch mit »nd«.

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»Die Ausrichtung des Konzerns auf maximale Rendite wird sich weiter zuspitzen und die Methoden werden immer dreister«, sagt auch Rogner. Mieter*innen von Vonovia und DW beklagten zuletzt Mieterhöhungen aufgrund von »wohnwertsteigernden Maßnahmen«, wie ÖPNV-Anbindungen oder aufgrund von Installationen digitaler Rauchmelder oder den Wartungen von Brandschutztüren, deren Kosten auf Mieter*innen umgelegt wurden.

Auch stark gestiegene Heizkosten durch Wärme-Contracting, bei dem die Wohnkonzerne den Betrieb von Heizungen an Wärmelieferanten auslagern, machten zuletzt Schlagzeilen. Wohnkonzerne sparen so Betriebs- und Wartungskosten, Contracter orientieren sich in ihren Preisen aber unter anderem an der Börse, weswegen die Heizkosten vieler Mieter*innen in den vergangenen Jahren unverhältnismäßig anstiegen. Derlei Vorgehen könnten sich in den kommenden Jahren aus Gewinnmaximierungsgründen verstärken, so die Sorge von Mieter*innenvereinen und Mieterbund.

Steuervermeidungskonstrukte

Beobachter*innen nahmen ursprünglich an, dass die Übernahme von Deutsche Wohnen schrittweise und über einen längeren Zeitraum passieren würde – denn erstreckt sich diese über zehn Jahre, fällt keine Grunderwerbsteuer an. Diese umging Vonovia aber durch einen sogenannten »Share-Deal«. 2021 kaufte sie 87 Prozent der DW-Aktien auf, erst ab 90 Prozent der im Unternehmen gebündelten Immobilien ist eine Grunderwerbsteuer fällig.

Danach ging Vonovia ein Joint-Venture mit dem Finanzinvestor Apollo ein, veräußerte 20 Prozent der Aktien dorthin und hat nun, auch nach dem Kauf der restlichen Aktien offiziell nur 80 Prozent des Deutsche-Wohnen-Konzerns inne. Expert*innen sprechen in dem Zusammenhang von »organisierter Steuerumgehung«, ein Vonovia-Sprecher bestätigte gegenüber dem Handelsblatt, dass es sich hierbei um ein bewusstes Steuervermeidungskonstrukt handle. Zu »nd« sagt eine Vonovia-Sprecherin dazu: »Vonovia bewegt sich stets im gesetzlichen Rahmen, der für alle privatwirtschaftlichen oder kommunalen Unternehmen bei Anteilskäufen gilt.«

Je nach Bundesland beträgt die Grundsteuer zwischen 3,5 und 6,5 Prozent des Kaufpreises. Über die Höhe der Ersparnis wollte Vonovia gegenüber »nd« keine Auskunft geben. Allein die öffentliche Hand Berlins verliert jedoch eine Summe in Höhe etwa einer Milliarde Euro.

Die Ampel-Regierung hatte ursprünglich vorgesehen, Share-Deals zu unterbinden. Laut Recherchen des Saarländischen Rundfunks und der Plattform Correctiv sind aufgrund des Steuerschlupflochs bei mehr als einem Drittel aller großen Wohnungsverkäufe zwischen 1999 und 2019 keine Grunderwerbsteuern geflossen.

Die Mieten steigen indes bundesweit weiter, im Internet inserierte Angebotsmieten im Jahr 2023 sogar um 7,3 Prozent. Laut Angaben des Konzerns stiegen die Mieten von Vonovia im vergangenen Jahr um 2,2 Prozent, sein Marktanteil liegt bei zwei Prozent. »Langfristig bezahlbare Mieten können nur gesichert werden, wenn der Volksentscheid endlich umgesetzt wird und wir Vonovia und Co enteignen«, fordert Rogner dennoch.

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