Wutbühne Weserstadion: Schiedsrichter Petersen als Feindbild

Der Sieg des SV Werder Bremen gegen Mainz bietet reichlich Diskussionsstoff

  • Frank Hellmann, Bremen
  • Lesedauer: 4 Min.
Im Mittelpunkt: Schiedsrichter Martin Petersen bestimmte das Geschehen beim Spiel zwischen Bremen und Mainz.
Im Mittelpunkt: Schiedsrichter Martin Petersen bestimmte das Geschehen beim Spiel zwischen Bremen und Mainz.

Hoffnungsvoll hatte der Abend im Weserstadion begonnen, als Hubertus Hess-Grunewald den 20. Bundesliga-Spieltag mit einer Rede gegen das Vergessen eröffnete. Der Präsident des SV Werder Bremen erinnerte zuerst an die unrühmliche Rolle des bald 126 Jahre alten Sportvereins und den Fußball in der Nazi-Zeit, um sodann die Brücke in die Gegenwart zu schlagen. Es sei für ihn ein Widerspruch, Werder gut zu finden »und die AfD zu wählen«. Nach dem Applaus für seinen Appell an mehr Gemeinsinn in der Gesellschaft war am Ende der Begegnung zwischen Bremen und dem FSV Mainz 05 (1:0) auch das Weserstadion von einem guten Miteinander so weit entfernt wie der Deutsche Bundestag an einem politisch historischen Freitag.

Entgleisung und Selbstanklage

Zwei Gelb-Rote Karten gegen Niklas Stark und Marco Friedl in der Nachspielzeit hatten die Spielstätte an der Weser in eine Wutbühne verwandelt, in der sogar Ole Werner seine gute Kinderstube vergaß. Eine verbale Entgleisung gegenüber Schiedsrichter Martin Petersen brachte dem Trainer von Werder Bremen die Rote Karte nach dem Abpfiff ein. Damit fehlen den Bremern am kommenden Freitag beim FC Bayern zwei Innenverteidiger und der Chefcoach.

Werner sah sein Fehlverhalten sofort ein. »Was ich gesagt habe, ist nicht wahnsinnig böse, aber es ist zu Recht eine Rote Karte. Dafür kann ich mich nur entschuldigen«, meinte der 36-Jährige und legte in seiner Selbstanklage nach, dass er seiner Rolle nicht gerecht geworden sei: »Es hat sich in den letzten Wochen ein bisschen was angestaut zum Thema. Aber es ist trotzdem eine Sechs minus. Das darf mir nicht passieren. Es geht gar nicht.«

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Für eine derart schonungslose Selbstreflexion gebührt dem bodenständigen Fußballlehrer Lob. Schiedsrichter Petersen betrachtete die Angelegenheit damit für erledigt: »Es sind Worte gefallen, die nicht in Ordnung sind. Er kam in die Kabine, hat sich bei mir entschuldigt.« Werners Eingeständnis könnte sich beim DFB-Sportgericht strafmildernd auswirken, zumal der Werder-Coach kein Wiederholungstäter ist. Im Gegensatz zum Mainzer Kollegen, der sich wegen zu heftiger Beschwerde nach einer Eckballentscheidung die vierte Gelbe Karte und bereits die zweite Innenraumsperre in diesem Jahr einhandelte. Auch der impulsive Däne zeigte sich einsichtig. »Das ist eine totale Katastrophe. Natürlich ist das mein Fehler«, erklärte der 49-Jährige.

Harte Kritik am Schiedsrichter

Für die Werder-Fans war allerdings Petersen der Schuldige der Eskalation – dem Schiedsrichter war trotz Kartenflut die Kontrolle entglitten. Nach Schlusspfiff hallten »Schieber, Schieber«-Rufen von den Rängen. Dazu kamen Tiraden der Bremer Profis im Kabinengang. »Interviewt doch den Schiedsrichter!«, riefen einige aufgebracht aus, die aus Selbstschutz nicht mit Medienvertretern sprechen wollten.

Bremens Siegtorschütze Leonardo Bittencourt stellte sich den Fragen – und holte sogleich zu einem Rundumschlag gegen das Schiedsrichtergespann aus: »Die haben eine Arroganz an den Tag gelegt. Hut ab. Das muss man erst mal so hinbekommen, ohne Not solche Rote Karten zu verteilen. Ich weiß nicht, was sie gefrühstückt haben.« Das könne nicht der Weg sein, führte der 31-Jährige aus. Werder sei aus seiner Sicht »keine Mannschaft, die viel lamentiert: Mit uns kann man sich vernünftig unterhalten.« Dem auf dem Platz selbst gerne zu Theatralik neigenden Mittelfeldmann missfiel die gesamte Attitüde, wenn Schiedsrichter sich als »unantastbar« ausgeben würden.

Feindbild und Folgen

Doch anfassen sollte man die Unparteiischen eben nicht. So überzogen vielleicht die Hinausstellung gegen Abwehrspieler Stark wirkte, der bei einem Einwurf mit dem Weiterreichen des Balles an einen Mitspieler an der Uhr gedreht haben soll, so nachvollziehbar war der Platzverweis gegen den bereits verwarnten Kapitän Friedl. »Der Spieler Friedl läuft mir hinterher und toucht mir mehrfach auf den Rücken, das fand ich schon unangemessen«, erläuterte Referee Petersen seine Sicht. Ergo zückte der Immobilienkaufmann aus dem Schwabenland Ampelkarte Nummer zwei – und avancierte zum Feindbild Nummer eins am Osterdeich, wo sich die Gemüter nur langsam beruhigten.

Die Sperren gegen Stark und Friedl, der wegen einer Innenbandzerrung nun ohnehin »bis auf Weiteres« ausfällt, Blessuren bei Bittencourt und Anthony Jung als drittem Glied der Dreierkette machen es Werder für den Nord-Süd-Klassiker beim FC Bayern schwer. Werner war schon wieder komplett bei sich, als er die Folgen sachlich zusammenfasste: »Die Ausfälle sind sehr, sehr ärgerlich. Das wird von der Größe der Aufgabe noch mal mehr.« Zumal der Mann, der selbst trotz eines Aussetzers Größe gezeigt hatte, in München nur auf der Tribüne statt auf der Trainerbank sitzen wird.

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