Werbung

Kein Dienst auf Bundeswehr-Tram in München

Drei bayerische Straßenbahnfahrer wenden sich gegen Militärwerbung

  • Rudolf Stumberger
  • Lesedauer: 3 Min.
Kein Einstieg unter dieser Farbe: Drei Münchner Fahrer wollen nur auf bundeswehrfreien Bahnen Dienst tun und nennen dafür gute Gründe.
Kein Einstieg unter dieser Farbe: Drei Münchner Fahrer wollen nur auf bundeswehrfreien Bahnen Dienst tun und nennen dafür gute Gründe.

Sie soll noch bis zum Sommer dieses Jahres durch München fahren: Eine mit Flecktarn beklebte Straßenbahn, die Werbung für die Bundeswehr macht. Das ist nicht jedermanns Geschmack, es habe bereits einige Beschwerden gegeben, so die Münchner Verkehrsgesellschaft. Seit vergangenen Freitag gibt es diese auch vonseiten der Trambahnfahrer: Drei von ihnen haben erklärt, sie wollen die oliv-grünen Straßenbahnen nicht lenken und berufen sich dabei auf die im Grundgesetz garantierte Freiheit des Gewissens. Einer der drei Straßenbahnfahrer ist Michael Niebler, der mit dem »nd« über seinen Protest gesprochen hat.

Für Niebler sind es »dumme Sprüche«, die die Tarn-Tram als Werbung herumfährt. »Grünzeug ist auch gesund«, sei da zu lesen, aber das Soldatentum habe mit dem Töten zu tun, und dem Getötetwerden. Auch der Spruch »Mach, was wirklich zählt«, sei eine Herabwürdigung von anderen Berufen, anscheinend zähle zum Beispiel das Trambahnfahren nicht, argwöhnt Niebler.

nd.Kompakt – unser täglicher Newsletter

Unser täglicher Newsletter nd.Kompakt bringt Ordnung in den Nachrichtenwahnsinn. Sie erhalten jeden Tag einen Überblick zu den spannendsten Geschichten aus der Redaktion. Hier das kostenlose Abo holen.

Der 52-Jährige hat zwei Kinder im Alter von knapp über 20 Jahren und sagt über deren Generation: »Das ist die Zielgruppe, die mit dieser Werbung angesprochen wird.« Er selbst hat seinerzeit mit 19 Jahren nach seiner Lehre als Schreiner den Kriegsdienst verweigert und will heute nicht, dass seine Kinder zur Bundeswehr gehen. Und er kritisiert, dass dort auch Minderjährige aufgenommen werden. Niebler hat sich bereits vor zwei Jahren auf einer Betriebsversammlung gegen die Werbung für die Bundeswehr ausgesprochen. Auch damals fuhr eine derart beklebte Trambahn durch die bayerische Landeshauptstadt – und verschwand später wieder.

Der jetzige Protest der Straßenbahnfahrer geht weiter als damals: Zusammen mit zwei Kollegen hat sich Michael Niebler in einem Schreiben an seinen Arbeitgeber – die Münchner Verkehrsgesellschaft – gewandt und darin angekündigt, nicht für die Bundeswehr-Tram zur Verfügung zu stehen. Seine Weigerung gründet er auf Paragraf 4 Absatz 1 des Grundgesetzes, der die Glaubens- und Gewissensfreiheit garantiert.

Niebler verweist auch auf ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts von 1989, das eine derartige »Gewissensnot« anerkannt habe. Die Forderung der drei Trambahnfahrer sei auch nicht »unbillig« in dem Sinn, dass der Arbeitgeber damit überfordert würde, denn bei 140 Trambahnen im Einsatz könnten die Dienstpläne so gestaltet werden, dass die drei nicht auf jener mit Bundeswehrwerbung Dienst tun müssten.

Einmal ist Trambahnfahrer Niebler auf der Bundeswehr-Tram gefahren, und das soll nicht mehr vorkommen. »Ich weiß ja nicht, welche Straßenbahn bei Dienstbeginn auf mich wartet. Das könnte auch die Bundeswehr-Tram sein.« Wenn das so wäre, würde er die Leitstelle anrufen und mitteilen, dass er diesen Wagen nicht fahren würde. Man könnte so einen Ersatzfahrer holen, was freilich zu einer Verzögerung führen kann. Durch diese Lösung seien aber das »Direktionsrecht« des Arbeitgebers gewahrt und die Gewissensnot der Angestellten berücksichtigt.

Neben dem Schreiben an den Arbeitgeber ist die Dreier-Gruppe auch an den Betriebsrat herangetreten mit der Forderung, sie bei ihrem Anliegen zu unterstützen. Und sie haben eine Petition an den Bundestag auf den Weg gebracht, darin die Forderung: »Die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) darf sich nicht länger zum Rekrutierungsinstrument der Bundeswehr machen!« Bislang haben 2200 Personen die Petition unterzeichnet.

Wie reagieren die Kollegen auf die Forderung der drei? »Auf Betriebsversammlungen habe ich schon Beifall bekommen, es wurde geklatscht«, berichtet Niebler, der seit 2016 als Trambahnfahrer arbeitet. Und wann beginnt heute sein Dienst? »Von 17 Uhr bis nachts um zwei«, so der Trambahnfahrer. Und wenn dann die Bundeswehr-Tram daherkommt? Dann würde er fahren, sagt er, weil ja noch nicht die Woche verstrichen ist, die sie dem Arbeitgeber als Frist für eine Antwort gesetzt haben.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.