Kürzungen in Potsdam: Bye-bye Biosphäre

Für die Tropenhalle am Potsdamer Buga-Park hat wohl das letzte Stündlein geschlagen – in der Stadtkasse klaffen Löcher

  • Matthias Krauß
  • Lesedauer: 5 Min.
Die womöglich letzte Orchideenausstellung ist vom 12. Februar bis zum 30. März zu sehen.
Die womöglich letzte Orchideenausstellung ist vom 12. Februar bis zum 30. März zu sehen.

Sie ragt heraus wie eine wuchtige Burg aus besseren Tagen. Die Potsdamer Biosphären-Halle am Buga-Park ist ein gewaltiges Betonzeugnis einer Zeit, in der »das Wünschen noch geholfen hat«, um das Märchenbild zu bemühen. In dieser Zeit aber lebt auch das wohlhabende Potsdam nicht mehr. Seit 25 Jahren ist das gewaltige Gebäude immer mal wieder auf der Liste der eher fragwürdigen Stadtausgaben. Nun aber scheint es mit dem Schließungsbeschluss ernst zu werden. Die am meisten begüterte Stadt Brandenburgs kann und will sich diese Ausgaben nicht mehr leisten.

Ja, Mitarbeiter und Freunde des Vorgangs haben eine Online-Petition gestartet, um der Stadtpolitik in letzter Minute diesen Streichvorgang noch auszureden. Mit »Sichert die Zukunft der Biosphäre Potsdam« ist eine private Petition überschrieben, die sich für den Erhalt der Tropenhalle einsetzt. Der Oberbürgermeister und die Stadtverordneten Potsdams werden aufgefordert, »die Biosphäre Potsdam als einzigartigen Lern- und Erlebnisort zu erhalten«. Weiter heißt es: »Gemeinsam können wir für den Erhalt dieses besonderen Ortes kämpfen und sicherstellen, dass die Biosphäre auch für kommende Generationen ein Ort des Staunens, Lernens und Handelns bleibt.«

Schon der Baukörper entspricht dem Namen nur bedingt, denn »Bio« ist bei diesem gewaltigen Bau aus Beton und Glas nicht allzu viel. Sicher würde man heute ganz andere Baumaterialien einsetzen, um ein solches Gebäude zu errichten. Die Biosphären-Halle war 2001 ein Highlight der Potsdamer Bundesgartenschau. Mit dem unübersehbaren Großgebäude wollte die Stadt Aufbruch und Aussichten nach Jahren des Missmuts beschwören. Ein Jahr lang lud die Halle zu wechselnden Ausstellungen ein. Von hier hatte man einen wunderbaren Blick auf das benachbarte große Buga-Gelände. Als das bundesweite Gartenfest vorüber war, schienen die Verantwortlichen erst mal darüber nachzudenken, was man in der Stadt mit dieser Bauhülle und dem Neu-Park eigentlich später anfangen wolle. Kommen die Touristen nicht doch nur der historischen Schlösser und Gärten wegen nach Potsdam? Reicht nicht das gut ausgestattete städtische Naturkunde-Museum, um den Bereich Fauna und Flora abzudecken? Vom Abriss der Halle wurde in den vielen Jahren seither nicht nur einmal gesprochen. Doch die Kontinuität der SPD-Oberbürgermeister hat am Ende immer für den Erhalt und die Entwicklung der Halle zum Ausstellungs- und Veranstaltungsort gesorgt. Zumal sich Potsdam als die »Perle« immer mehr herausputzte und die Ansiedlung wohlbestallter Steuerzahler eine Einkommenssituation schuf, die den Weiterbetrieb der Biosphäre erlaubte.

»Wir wollen möglichst keine städtischen Einrichtungen schließen – bis auf die Biosphäre.«

Mike Schubert (SPD)
Oberbürgermeister der Stadt Potsdam

Das heutige Angebot ist ein attraktives. Feiern im tropischen »Ambiente« sind ebenso möglich wie Hochzeiten und Tanzstunden-Abschlussbälle. Auch die Volkssolidarität lud zu ihrer Jahresfeier in die Halle ein, nicht zuletzt, weil ein Seniorenabend im Dauerprogramm steht. Im Tropengarten der Biosphäre herrscht ein ganzjährig warmes sowie feuchtes Klima mit Temperaturen zwischen 23 und 27 Grad Celsius. »Somit ist der Tropengarten ein idealer Lebensraum für unsere exotischen Tiere und Pflanzen«, heißt es auf der Website.

In Terrarien, Aquarien, Volieren sowie frei in der Halle tummeln sich unzählige tierische Exoten, mehr als 140 Arten. Besucher können den Fütterungen beiwohnen von: Schönhörnchen, Leguanen, Weißbüscheläffchen, Vögeln, Schmetterlingen, Chamäleons, Fischen. Zur Biosphäre Potsdam gehören die 5000 Quadratmeter große Tropenhalle mit mehr als 20 000 exotischen Pflanzen. Ferner das Restaurant Urwaldblick, das Café Tropencamp sowie ein Eventbereich in Form einer Orangerie. Sonderausstellungen, Führungen, Workshops und Events wie die After Work Lounge, der Regionalmarkt und das Klassik-Konzert runden das Angebot ab.

Doch die Verhältnisse – sie blieben nicht so. Auch das reiche Potsdam muss sich nach der Decke strecken. Die gestiegenen Gehälter für die rund 2500 Stadt-Beschäftigten schlagen ebenso zu Buche wie die Erhöhung der Wasserpreise und der Heizkosten. »So schwierig war es ewig nicht, wie es im Moment ist«, sagte Potsdams Kämmerer Burkhard Exner (SPD) mit Blick auf anstehende Kürzungen vor den Stadtverordneten Ende vergangenen Jahres. Die Stadtregierung hat dieser Tage angesichts eines Haushaltslochs von rund 50 Millionen Euro eine Streichliste von 180 Posten verkündet. Kaum etwas bleibt verschont: Weder Parkgebühren noch Jugendklubs noch Sportstätten: Der Rotstift feiert sein Fest. Laut Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) wird die Streichliste Unruhe und Schmerz auslösen. »Wir wollen möglichst keine städtischen Einrichtungen schließen – bis auf die Biosphäre«, sagte Schubert in ebenjener stundenlangen Stadtverordnetenversammlung weiter. Das gilt als der finale Urteilsspruch. Bislang habe sich die Landeshauptstadt Potsdam mehr leisten können als die meisten anderen Städte in Brandenburg, beteuerte das Stadtoberhaupt. Vieles davon werde wahrscheinlich »bei uns auch nicht mehr gehen«. Er verwies auf rote Zahlen in vielen deutschen Städten. In diesem Jahr wird sich nach Angaben der kommunalen Spitzenverbände das Defizit der deutschen Kommunen voraussichtlich auf eine Rekordhöhe von 13,2 Milliarden Euro verdoppeln.

Neben der Schließung der Biosphäre und Kürzungen bei Zuschüssen im Kultur- und Jugendbereich stehen auch mögliche neue Abgaben zur Diskussion – etwa Eintrittsgelder für die Potsdamer Parks, eine mögliche Verpackungssteuer und eine sogenannte City Tax. Für den Haushaltsentwurf, der eigentlich Ende Dezember vorgelegt werden sollte, hat Kämmerer Exner im Stadtparlament aber beantragt, noch ein paar Wochen Zeit zu bekommen. Dem haben die Stadtverordneten mehrheitlich zugestimmt. Offen bleibt, ob Exner den neuen Jahreshaushalt noch vor der Bundestagswahl vorlegen wird, weil möglicherweise diese »Stunde der Wahrheit« keinen positiven Effekt auf das Wahlergebnis der SPD in Potsdam haben könnte. Leon Troche, der im Sommer von der SPD zur CDU-Fraktion gewechselt war, tadelte die Streichliste: »Giftliste trifft es, ehrlich gesagt, besser.«

»Gehen Sie auf eine Entdeckungsreise durch die Tropenerlebniswelt der Biosphäre Potsdam und erleben Sie den Regenwald mit seiner Vielfalt an Pflanzen und Tieren«, steht noch auf der Internet-Präsenz der Biosphäre. Wohl nicht mehr allzu lange. Wie es aussieht, wird man sich allmählich beeilen müssen, wenn man dieses Erlebnis noch genießen will.

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