Neue Apfelsorten für Allergiker

Notfallprävention, gesunde Ernährung und Stadtplanung mit viel Grün können Allergikern helfen

Auch wenn die Hasel in der neuen Saison noch nicht so richtig zum Zuge kam: Anlass, zum Taschentuch zu greifen oder auch zu stärkeren Hilfsmitteln, wird es für Pollenallergiker auch 2025 wieder reichlich geben.
Auch wenn die Hasel in der neuen Saison noch nicht so richtig zum Zuge kam: Anlass, zum Taschentuch zu greifen oder auch zu stärkeren Hilfsmitteln, wird es für Pollenallergiker auch 2025 wieder reichlich geben.

Teils als übertrieben belächelt, zu oft nicht behandelt, jedoch in Teilen gut verstanden: Pollenallergien machen immer mehr Menschen zu schaffen. Einige milde Wintertage reichten Ende 2024 aus, dass die neue Pollensaison wieder einmal sehr früh begann – wie schon in den Vorjahren mit Erlenpollen. Die gemeinnützige Europäische Stiftung für Allergieforschung (Ecarf) informierte am Dienstag in Berlin über die Turbulenzen der letzte Saison wie auch über Abhilfe für das, was 2025 von bestimmten Pflanzen zu erwarten ist.

»2024 war der Februar warm wie sonst der April, das brachte eine sehr frühe und starke Erlensaison«, erinnert Matthias Werchan. Der wissenschaftliche Mitarbeiter des Polleninformationsdienstes staunte auch nicht schlecht über die hohe Belastung mit Birkenpollen, als es 2024 Anfang April schon sommerliche 30 Grad gab. Für die Birken war es dann Mitte April aber bereits wieder vorbei. Für Allergiker mit dieser Schwachstelle war der Monat auch deshalb besonders hart, weil Saharastaub zusätzlich die Luft trübte. Der Staub kann Augen oder Nasenschleimhäute irritieren und die dann noch sensibler auf Pollen reagieren. Unter dem Strich kommt es zu stärkeren Beschwerden.

Ungewöhnlich im vergangenen Jahr zeigte sich eine zweite Saison beim Beifuß im September, nach der im August üblichen. Gräserpollen fanden die Wissenschaftler seit 2020 in einem Aufwärtstrend immer häufiger. Die Ursache ist noch unklar. Neben den genannten, stark allergenhaltigen Pflanzen sind aber hierzulande über das Jahr hinweg auch die Pollen von mindestens 70 weiteren Pflanzen unterwegs.

In der neuen Saison sorgen die aktuell kühlen Temperaturen dafür, dass sich die Hasel »bisher schlapper« zeigt und auch die Erle Allergiker erst wenig gestört hat. Sobald es milder wird, könnte sich das ändern.

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Wie schützen sich Allergiker nun am besten vor den Pollen? »Leider werden nur zehn Prozent der Allergiker medizinisch korrekt behandelt«, beginnt die Besstandsaufnahme von Torsten Zuberbier. Der Dermatologe beschäftigt sich mindestens ein halbes Berufsleben, etwa seit Mitte der 90er Jahre, mit Allergien. Heute ist er unter anderem Direktor des Instituts für Allergieforschung an der Charité und auch eines Fraunhofer-Standortes zum Thema. Der Mediziner verweist auf Zusammenhänge: Kinder haben immer häufiger Lebensmittelallergien, was auch ein Resultat einer ungesunden Ernährung mit viel Zucker und zu wenig Faserstoffen ist. »Bei einer guten Ernährung wäre das Mikrobiom, unter anderem die Darmflora, gesünder – und die Wahrscheinlichkeit für einen Heuschnupfen 30 Prozent niedriger.«

Insgesamt leiden bis zu 40 Prozent der Schulkinder in Deutschland an einer solchen fehlgesteuerten Immunreaktion, darunter allergisches Asthma, Neurodermitis oder eine Lebensmittelallergie. Die Einschränkungen dadurch können massiv sein: Laut Zuberbier zeigten Studien, dass bei unbehandelten Kindern mit Heuschnupfen die Schulleistungen in einer Saison um eine Note sinken können.

Ein anaphylaktischer Schock ist ein Extremfall, aber auch in Bezug auf Lebensmittel kommt so etwas immer wieder vor, unter anderem, wenn Rezepturen geändert werden. In einer solchen Situation, so Zuberbier, kann eine Fertigspritze mit Adrenalin Leben retten. Diese Pens sollten in öffentlichen Einrichtungen – darunter in Schulen, Schwimmbädern und auf Sportplätzen – immer verfügbar sein.

Der sprichwörtliche gesunde Apfel täglich, der den Doktor fernhält, ist vielen Allergikern nicht zugänglich. Zu viele Sorten, die heute im Handel sind, enthalten vor allem ein bestimmtes Allergen in großer Menge. Über sieben Millionen Menschen hierzulande haben Antikörper gegen Mal-d-1. Essen sie einen Apfel, kommt es in fünf bis zehn Minuten zu Symptomen im Mundbereich. Zudem gibt es häufig eine Kreuzallergie mit Birkenpollen. Für diese Menschen könnten im Herbst zwei neue Apfelsorten zu sorgenfreiem Genuss führen. Gezüchtet wurden die Sorten von Obstbaubetrieben an der Niederelbe. Das Ecarf-Institut konnte über drei Ernten in klinischen Studien nachweisen, dass die Neuzüchtungen keine klinisch relevanten Symptome bei Allergikern hervorriefen.

Zum Wohlbefinden nicht nur von Allergikern kann auch die Stadtplanung beitragen. Karl-Christian Bergmann von der Stiftung Deutscher Polleninformationsdienst wirbt für Städte mit vielen Grün- und Blauflächen, also mit vielen bepflanzten Orten und Gewässern. Eine britische Studie habe ergeben, dass Grün in einem Umkreis von 300 Metern und Gewässer im Umkreis von 1000 Metern von Wohnorten dazu führen, dass die mentale Gesundheit deutlich besser ist als anderswo. Das Suizidrisiko ist dort auch deutlich geringer. Nun sollen aber in den Städten zum Beispiel stark allergieauslösende Bäume nicht etwa gefällt werden: »Aber sie sollten nicht mehr gepflanzt werden.« In Deutschland wären Neupflanzungen von Birken, Erlen oder Eschen eher zu vermeiden. Geeignet und ausreichend robust wären hingegen Linden, Kastanien oder Platanen.

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