Berlinale: Handys und Scheren ausgepackt!

Berlinale: Der Animationsfilm »Maya, schenkst du mir einen Titel?« berührt durch seinen Do-it-yourself-Charme

  • Gabriele Summen
  • Lesedauer: 3 Min.
So sieht ein animierter Liebesbrief an die eigene Tocher aus: »Maya, schenkst du mir einen Titel?«
So sieht ein animierter Liebesbrief an die eigene Tocher aus: »Maya, schenkst du mir einen Titel?«

Jeder ist kreativ, wenn er jung ist, aber wenn wir älter werden, lernen wir, uns davon abzukoppeln. Ich versuche den Wunsch zu wecken, etwas zu erschaffen«, sagt der französische Filmemacher Michel Gondry, der bereits einige fantasiereiche Werke auf der Berlinale gezeigt hat. 2006 beispielsweise die surrealistische Komödie »Science of Sleep – Anleitung zum Träumen«, 2008 die Komödie »Be Kind Rewind« mit Jack Black in der Hauptrolle; 2013 war er selbst Jury-Mitglied, und 2014 zeigte Gondry in der Sektion Panorama seinen Animationsfilm »Is the Man Who is Tall Happy« über Noam Chomsky.

In diesem Jahr bereichert der Filmemacher, der vielen auch durch seine zahlreichen Musikvideos für Björk oder Radiohead bis hin zu Paul McCartney bekannt ist, die Sektion Generation Kplus mit einem wundervollen Stop-motion-Liebesbrief an seine Tochter: »Maya, schenkst du mir einen Titel?«. Sein poetisch-amüsanter Film strahlt einen ansteckenden Do-it-yourself-Charme aus, sodass man am liebsten sofort selbst loslegen möchte, mit dem Handy seinen eigenen Stop-motion-Film zu drehen.

Und Gondry erzählt zu Beginn seines Films auch gleich, wie das geht: Als er auf seinem Smartphone eine Funktion entdeckte, die »das Leben in einen Cartoon verwandeln« konnte, war sein kreativer Geist sofort geweckt. Da er oft weit weg von zu Hause arbeitet, ermunterte er seine Tochter Maya, ihm Titel für eine Gutenachtgeschichte zu schicken. Papa animierte sie dann, Mama las sie vor und Maya guckte sie sich an.

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Ihren ersten kleinen Animationsfilm bekam sie zu ihrem dritten Geburtstag. Von Anfang an integrierte Gondry Figuren aus Mayas Alltag: die Großmutter, die von Maya Boum Boum getauft wurde, den Opa (Pampa), ihre Katze und auch ihre Mutter. Als Maya dann größer wurde, besorgte Gondry sich die entsprechenden Gerätschaften, um separate Fotos aufzunehmen und sie mit zwölf Bildern pro Sekunde zu einem Film zusammenzubringen.

Einer dieser ersten Filme, die er gedreht hat, handelt von einem Erdbeben. Um seine Tochter in die Veröffentlichung ihres privaten Projekts einzubinden, stellt sie die Filme, die bereits für Fünfjährige geeignet sind, jeweils selbst vor. Maya ist die Heldin aller Geschichten, so auch in diesem Abenteuer, in dem sie bei einem Erdbeben hinausgeht, um zu fotografieren. Ihre Mutter, die das für zu gefährlich hält, beruhigt sie mit den Worten: »Aber wir sind doch aus Papier.«

Großartig, wie Papa Gondry da Filmchen für Filmchen zusammenschnippelt – in dem Streifen, den er für das breite Publikum zusammengestellt hat, nun auch noch begleitet von comichafter Orchestrierung. Und nicht Mama liest dieses Mal die Textfelder vor, sondern der bekannte Schauspieler Pierre Niney, der zufällig auch noch Gondrys talentiertes Patenkind ist.

»Aber wir sind doch aus Papier.«

Maya

Maya hatte ein Mitspracherecht bei der Auswahl der Filme, aber Gondry präsentiert dem Zuschauer auch seine persönliche Entwicklung bei diesem Projekt, von Zeitrafferfilmchen über beschleunigte Sequenzen bis hin zu echten Animationen. Viele weitere Filme folgten, über ein verrücktes Flugzeug, wie Maya ein Bad nimmt und versehentlich von ihrer Mutter geschrumpft wird, Maya als Seejungfrau oder wie Mama einmal auf eine abenteuerliche Reise geht, bei der der Weg offensichtlich das Ziel ist.

Jedoch – oh weh! – nach sechs Jahren wollte Maya keine weiteren Filme mehr, was Papa Gondry natürlich pseudotheatralisch in einem weiteren Film verarbeitete. Dieser augenzwinkernde Humor, gepaart mit Gondrys überbordender Fantasie machen den einstündigen Film zu einem Kleinod für Jung und Alt.

Höhepunkt von Gondrys handgemachten Animationsfilmen ist die köstlich absurde Geschichte von »Maya, der Polizistin und den drei Katzen«. Eine schönere Liebeserklärung an das Kino, aber auch an die Kreativität, die in jedem von uns schlummert, kann man sich kaum vorstellen. Also, Handys und Scheren ausgepackt!

»Maya, schenkst du mir einen Titel?«, Frankreich 2024. Regie/Buch: Michel Gondry. Mit: Maya Gondry und Pierre Niney. 62 Min., 15.2., HKW 1, 13.30 Uhr, 16.2. Cubix 6, 10 Uhr, 17.2. HKW 1, 10 Uhr

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